Warnung vor Orkanböen und Sturmflut an der Ostseeküste
19. Oktober 2023Weil der Wind stark von Osten bläst, müssen sich die Menschen an der Ostseeküste auf Hochwasser einstellen. In den nächsten Tagen besteht Sturmflutgefahr, an der Nordsee sind die Folgen des Sturms ganz andere.
Schleswig-Holstein muss sich auf eine schwere Sturmflut an der Ostseeküste einstellen. In der Flensburger Förde werden bis Sonnabendmittag laut Vorhersage des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Wasserstände von bis zu zwei Metern über dem mittleren Hochwasser erreicht. „Zuletzt gab es dort ein solches Hochwasser im Jahr 1904“, sagt Ines Perlet-Markus vom BSH. Die Behörde rechnet mit zwei kritischen Höchstständen in Flensburg: Der erste in der Nacht zum Freitag mit Pegelständen von 1,40 bis 1,50 Metern, der zweite in der Nacht von Freitag auf Sonnabend mit einem Wasserstand von zwei Metern oder sogar höher.
In Flensburg wurden die vom Hochwasser betroffenen Straßenzüge am Hafen gesperrt. Die Stadt rief dazu auf, in Wassernähe abgestellte Fahrzeuge unbedingt zu entfernen. Für die Nacht zum Sonnabend wurden die Bürgerinnen und Bürger aufgefordert, das Haus nicht zu verlassen: Wegen des Sturms müsse mit herabstürzenden Dachziegeln oder abbrechenden Ästen gerechnet werden, so die Stadt.
Überflutungen auch an den Ostsee-Stränden
Auch in der Lübecker Bucht wird mit einem Wasserstand von 1,0 bis 1,80 Meter über dem mittleren Hochwasser gerechnet. Und für die Kieler Bucht prognostiziert das BSH Werte von 1,20 bis 1,90 Meter. Überflutungen drohen ebenfalls an den Ostsee-Stränden. Spaziergänger sollten besonders vorsichtig an den Steilküsten sein – dort könnte es bei starken Wellen und hohen Wasserständen zu Abbrüchen kommen.
Schwere Sturmböen an den Küsten möglich
Der Wind nimmt heute Abend weiter zu – ab Freitagvormittag ist dann an der Ostseeküste, auf Helgoland, den Ostfriesischen Inseln und auf Rügen mit orkanartigen Böen um 110 Kilometern pro Stunde zu rechnen. „Wir haben es mit einem stabilen Windfeld zu tun, das bringt die gesamte Ostsee in Bewegung“, erklärt BSH-Expertin Perlet-Markus. In Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen ist laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) am Freitag mit teils kräftigem Dauerregen zu rechnen. Es werden Niederschlagsmengen zwischen 25 und 40 Litern je Quadratmeter in Schleswig-Holstein erwartet. Erst in der Nacht zu Sonnabend flauen Wind und Regen ab.
Wismar warnt seine Hafenanwohner
Auch an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns soll es zu einer außergewöhnlichen Hochwasser-Lage kommen. Westlich von Rügen muss bis Sonnabendmittag mit Wasserständen von bis zu 1,50 Metern über dem mittleren Wasserstand gerechnet werden. An der östlichen Küste Rügens werden Werte bis zu 1,20 Meter erwartet. Auch an den inneren Küstengewässern ist laut BSH mit erhöhten Wasserständen bis zu 1,10 Meter zu rechnen. Im Greifswalder Bodden können Werte bis zu 1,50 Meter erreicht werden, am Stettiner Haff bis zu 1,10 Meter.
In Wismar sind für heute bis zu 1,80 Meter über Normal vorhergesagt, für Freitag gar bis zu zwei Meter. Die Stadt fordert die Menschen, die am Hafen leben, deshalb auf, Schutzmaßnahmen zu treffen. Sie sollen Fahrzeuge aus dem hochwassergefährdeten Gebiet bringen. Außerdem werden seit Donnerstagmittag Sandsäcke zur Verfügung gestellt.
Dänemark: Urlauber sollen Küstengebiet verlassen
Auch in Dänemark und Schweden bereiten sich die Menschen auf den Sturm vor. Anwohner und Urlauber an der Ostseeküste im Süden und im Osten Dänemarks sollen spätestens am Freitagmorgen das Küstengebiet verlassen. Dazu forderte die dänische Polizei am Donnerstag auf. Betroffen seien demnach unter anderem die auch bei deutschen Urlaubern beliebten Sommerhausgegenden an den Südküsten der Inseln Lolland, Falster und Fünen sowie in den Förden von Haderslev, Aabenraa und Flensburg. Das Dänische Meteorologische Institut (DMI) warnte vor Überschwemmungen in den betroffenen Küstenabschnitten von Freitagmorgen bis Samstagmittag. Der Wasserstand könne bis zu 2,40 Meter über den Normalwert steigen, teilte das DMI mit. Das Schwedische Meteorologische und Hydrologische Institut (SMHI) prognostizierte Überschwemmungen an der schwedischen Südküste.
Fährausfälle zu Nord- und Ostseeinseln wegen Niedrigwasser
Insulaner und Herbst-Urlauber an der Nordsee müssen sich in den kommenden Tagen dagegen auf Verschiebungen und Ausfälle bei Fähren von und zu den Ostfriesischen Inseln einstellen. Dort werden in den nächsten Tagen wegen des Ostwindes deutlich niedrigere Wasserstände erwartet. An der niedersächsischen Küste fallen die Hochwasserstände bis zu 1,25 Meter niedriger aus als das sonst übliche mittlere Tidehochwasser. Deswegen können die Fähren zum Teil nicht mehr fahren. Laut der Reederei Norden-Frisia wird der Verkehr nach Juist am Freitag komplett eingestellt. Die Insel ist dann nur noch mit dem Inselflieger zu erreichen.
Die Deutsche Bahn teilte am Mittwoch mit, den Fährverkehr von und nach Wangerooge am Freitag und Sonnabend komplett einzustellen. Auch für Sonntag sei wegen des kräftigen Ostwindes mit weiteren Einschränkungen zu rechnen, teilte das Unternehmen mit. Außerdem kündigten die Fährgesellschaften für Verbindungen von und nach Langeoog und Spiekeroog von heute bis zum Wochenende Fahrplanänderungen an.
Auch an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste sollen die Wasserstände bis Sonnabend deutlich unter den Normalwerten liegen. Daher haben die Reedereien für die Verbindungen zu Inseln und Halligen Ausfälle und Verschiebungen angekündigt.
An der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns kündigte die Reederei Hiddensee an, am Freitag den gesamten Fährbetrieb einzustellen. Heute sollen die Fährschiffe noch planmäßig fahren, mit kurzfristigen Änderungen müsse jedoch gerechnet werden. Auch auf der Linie Rostock-Gedser der Fährreederei Scandlines fallen am Donnerstagabend und Freitag zahlreiche Abfahren bis einschließlich Sonnabendmorgen aus.
Wetterbesserung erst am Montag in Sicht
Eine deutliche Wetterbesserung ist in den nächsten Tagen kaum in Sicht. Zwar lässt der Wind zum Sonnabendmorgen nach, „allerdings zieht immer wieder Niederschlag auf“, prognostiziert Tobias Schaaf vom DWD. Die Sonne werde kaum eine Rolle spielen, es wird aber milder mit Temperaturen von 14 bis 16 Grad. Ein etwas freundlicheres Intermezzo gibt es erst am Montag. Viel Hoffnung auf dauerhafte Besserung macht der DWD aber nicht: Kommende Woche soll es wechselhaft bleiben.