Impfung in einem Klinikum in Kaiserslautern – Corona-Impfungen Angstmache, Falschmeldungen und Gerüchte
11. Januar 202114:01:05
Der Auftakt der Corona-Impfungen wird von einer Welle an Desinformation begleitet. Im Netz verbreiten Impfgegner falsche Fotos und Gerüchte über angebliche Spätfolgen. Viele Menschen lassen sich dadurch offenbar verunsichern.
Von Patrick Gensing, Redaktion ARD-faktenfinder
Seit Monaten rechnen Coronaleugner die Zahl der Todesopfer durch Covid-19 herunter, behaupten, Hunderttausende Menschen wären „sowieso“ gestorben. Geht es aber um Impfungen, klingen die Behauptungen plötzlich ganz anders: Einzelne Menschen, die versterben und bereits geimpft waren, werden nun als „Opfer“ der Impfung dargestellt – obwohl entsprechende Belege fehlen. So soll bewiesen werden, dass die Impfungen tödliche Nebenwirkung hätten. Weltweit werden einzelne Fälle gesammelt, um Angst zu schüren.
Durchaus mit Erfolg: Unter dem Schlagwort #IchLassemichnichtimpfen erklären Hunderte Menschen auf Facebook, warum sie eine Impfung ablehnen. Manche aus Sorge vor befürchteten Langzeitfolgen; andere, weil sie meinen, allein gesunde Ernährung und Sport reiche als Schutz vor einer Covid-19-Erkrankung. Wieder andere wollen nicht glauben, dass es in kurzer Zeit überhaupt möglich sei, einen Impfstoff zu entwickeln. Die Mehrzahl der Posts in diesen Gruppen stammen von Frauen, viele arbeiten nach eigenen Angaben im Bereich der Pflege. Andere beschreiben sich als besorgte Mütter und verweisen auf ihre Kinder, die sie ebenfalls generell nicht impfen lassen.
Legenden von der „Neuen Weltordnung“
Dazwischen tauchen aber immer wieder groteske Verschwörungslegenden auf. Eine Frau, die sich auf ihrem Profil gegen wissenschaftlich verifizierte Medizin bei der Krebsbehandlung wendet, schreibt im Kontext der Impfungen von einem „satanischen Weltkomplott“. Eine andere versichert, sie leugne das Virus nicht, vermute aber, dass „dieser ganze Zirkus nur zum Vorwand benutzt wird, um die NWO einzuläuten“. NWO ist die Abkürzung von New World Order – also Neue Weltordnung. Dahinter verbirgt sich eine Verschwörungslegende, wonach eine geheime Weltregierung im Verborgenen eine neue Herrschaft etabliere.
Eine weitere Frau schreibt, es gebe keine Pandemie, es gehe stattdessen um die „massive Etablierung von 5G“ zur „totalen Überwachung sowie Kontrolle“. Ziel sei eine „totalitäre digitale Diktatur“sowie ein „globaler Massengenozid!“ Auch dies ist eine gängige Verschwörungslegende, die immer wieder im Netz verbreitet wird.
„Querdenkerin“ als Admin
Die Grenzen zwischen verunsicherten Menschen und fanatischen Verschwörungsanhängern sind in solchen Gruppen nicht mehr zu erkennen. Fast 75.000 Menschen sind allein in einer Facebook-Gruppe organisiert, die erst sei Anfang Dezember existiert. Unter den Administratoren findet sich eine Aktivistin aus der „Querdenken“-Bewegung sowie eine Aktivistin eines Netzwerks, das sich gegen Impfungen einsetzt und dafür zahlreiche Telegram-Kanäle und weitere Social-Media-Auftritte pflegt. Der Name dieser Initiative tauchte auf T-Shirts bei „Querdenken“-Demonstrationen auf.
Impfstoff verändert nicht das Erbgut
In den täglich Dutzenden Beiträgen in diesen privaten Gruppe finden sich Versatzstücke aus zahlreichen Falschmeldungen und Gerüchten, die seit Monaten verbreitet werden. Besonders groß ist die Angst, der Impfstoff könnte das Erbgut verändern. Dies ist allerdings ein Missverständnis: Die sogenannte mRNA gelangt lediglich in die Zelle und wird dort „abgelesen“. Danach wird sie abgebaut. Das WDR-Wissenschaftsmagazin Quarks schreibt dazu:
Wenn mRNA in DNA in menschlichen Zellen umgebaut werden könnte, müsste das häufig passieren. Denn mRNA befindet sich ständig in jeder Zelle und zwar zahlreich. Das Erbgut wäre ziemlich schnell kaputt, würde sich mRNA ständig in den Zellkern und das Erbgut einschleichen.
Das Paul-Ehrlich-Intitut betont, es bestehe „keine Gefahr einer Integration von mRNA in das humane Genom. Beim Menschen befindet sich das Genom in Form von DNA im Zellkern. Eine Integration von RNA in DNA ist unter anderem aufgrund der unterschiedlichen chemischen Struktur nicht möglich. Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass die von den Körperzellen nach der Impfung aufgenommen mRNA in DNA umgeschrieben wird.“
Missverständnis über Spätfolgen
Dementsprechend seien auch keine Spätfolgen zu befürchten, meinen Fachleute. „Bei einem Impfstoff gebe es schon aus biologischen Gründen keine ‚Spätnebenwirkungen‘, die fünf Jahre nach der Impfung plötzlich auftreten“, erklärt Petra Falb in ihrem Blog. Die Gutachterin in der Zulassung für Impfstoffe beim österreichischen Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen betont, Nebenwirkungen zeigten „sich binnen weniger Stunden bis ein bis zwei Tage nach der Impfung, bei Lebendimpfstoffen nach der Inkubationszeit der natürlichen Erkrankung. Auch allergische Reaktionen – ob leicht oder schwerwiegend – kommen bald nach der Verabreichung. Als sehr seltene Nebenwirkungen sind unterschiedliche Autoimmunreaktionen möglich, aber selbst diese treten spätestens nach wenigen Wochen auf.“ Sie spricht von einem grundlegenden Missverständnis, was den Begriff der Spätfolgen bei solchen Impfungen betrifft. Dennoch sei es wichtig, die Reaktionen zu beobachten, um sehr seltene Nebenwirkungen erkennen zu können.
„Langzeit-Nebenwirkungen, die erst nach Jahren auftreten, sind bei Impfstoffen generell nicht bekannt“, bestätigt auch Susanne Stöcker, Pressesprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts im ZDF. „Die meisten Nebenwirkungen von Impfungen treten innerhalb weniger Stunden oder Tage auf. In seltenen Fällen auch mal nach Wochen.“
Aussage wird ins Gegenteil verkehrt
Dennoch wird weiter an der Legende gestrickt, der Impfstoff sei äußerst gefährlich. Ein Aktivist suggeriert auf seinem Blog, selbst der Gründer von Biontech wolle sich und seine Mitarbeiter nicht impfen lassen – aus Sorge vor Nebenwirkungen. Bereits seit mehreren Wochen kursieren ähnliche Behauptungen in sozialen Medien, wie unter anderem Mimikama berichtet. In den Postings werden Aussagen von Ugur Sahin verdreht, der mehrfach betonte, dass er sich selbst impfen lassen wolle – das gelte auch für seine Mitarbeitenden.
In der ARD sagte Sahin im Dezember, er wolle sich „natürlich liebend gern auch impfen lassen“, doch auch für ihn und die Mitarbeitenden gelten die rechtlichen Grundlagen. Sahin betont sogar, dass man nach schnellen Lösungen suche. Denn man solle in den kommenden Monaten mehr als 1,3 Milliarden Impfstoffdosen herstellen, da sei es „wichtig, dass da keine Mitarbeiter ausfallen“. Dementsprechend suche man nach Möglichkeiten, die es dem Unternehmen rechtlich erlaube, die Mitarbeiter zu schützen.