Hamburger Airport weiter gesperrt: Bewaffneter hat Kind als Geisel
5. November 2023Auf das Gelände des Hamburger Flughafens ist am Samstagabend ein bewaffneter Autofahrer eingedrungen. Nach Angaben der Polizei hat der Mann seine vier Jahre alte Tochter als Geisel. Der Flugbetrieb bleibt weiterhin eingestellt.
Ein Bewaffneter habe mit seinem Fahrzeug gegen 20 Uhr ein Tor durchbrochen und sei auf das Vorfeld des Airports gefahren, sagte Thomas Gerbert, Sprecher der Bundespolizei. Der Mann habe nach dem Eindringen auf das Gelände zwei Mal in die Luft geschossen. Außerdem habe er zwei brennende Flaschen aus dem Auto geworfen, „eine Art Molotowcocktails“, sagte Gerbert. Es sei kein Schaden entstanden, die Flughafenfeuerwehr habe die Brandsätze löschen können. Der Mann stoppte auf dem Vorfeld neben einer Passagiermaschine der Turkish Airlines. Auf Bildern vom Flughafen war am Abend eine beschädigte Schranke zu sehen, durch die der Mann offenbar gerast war. Zuvor hatte sich die Ehefrau des Mannes wegen möglicher Kindesentziehung bei der Landespolizei gemeldet. Polizeisprecherin Sandra Levgrün sagte NDR 90,3 am Sonntag, es werde seit mehreren Stunden mit dem Geiselnehmer verhandelt.
Verhandlungen laufen
Laut Levgrün ist die Lage „statisch“. Zum Stand der Verhandlungen sagte sie: „Wir gehen im Moment davon aus, dass es dem Kind körperlich gut geht. Das sagt uns der Blickkontakt, den wir im Moment haben, und die Telefonate mit dem Täter, da ist das Kind im Hintergrund zu hören“, so Levgrün am Sonntagvormittag. Man gehe deshalb erst einmal davon aus, dass körperlich mit dem Kind alles in Ordnung sei. „Wie es seelisch aussieht, darüber mag ich nicht spekulieren“, sagte Levgrün. Das Wohl des Kindes habe Priorität. Levgrün sagte NDR 90,3: „Für uns ist das Entscheidende, das Kind hier gesund rauszuholen.“ Selbst wenn es noch mehrere Stunden dauere.
Am Morgen hatte Levgrün im Gespräch mit NDR 90,3 zu den Verhandlungen gesagt: „Wir haben Kriminalpsychologen im Einsatz und wir sprechen aktuell mit dem Täter. Wir setzen hier auf eine Verhandlungslösung.“ Der Mann sei den Ermittelnden „zugewandt“. Zudem sei es ein „absolut gutes Zeichen“, dass er schon so lange mit den Einsatzkräften in Kontakt stehe. „Er will mit uns sprechen und das bewerten wir erst einmal als sehr positiv.“ Mit dem Mann werde auf Türkisch verhandelt. Allerdings gab es auch nach mehr als zwölf Stunden am Flughafen keinen Durchbruch. Der Geiselnehmer ist nach Einschätzung der Polizei weiterhin bewaffnet. „Aktuell müssen wir davon ausgehen, dass er im Besitz einer scharfen Schusswaffe ist und evtl. auch von Sprengsätzen unbekannter Art“, schrieb die Polizei am Sonntagmittag auf X (vormals Twitter).
Hintergrund offenbar Sorgerechtsstreit
Die Polizei geht davon aus, dass ein Sorgerechtsstreit Hintergrund der Geiselnahme ist. Bisherigen Erkenntnissen zufolge hatte sich das Mädchen, das der 35 Jahre alte Mann bei sich hat, am Sonnabend bei der Mutter in Stade aufgehalten. Nach Angaben der Polizei in Stade hat der 35-Jährige aus Buxtehude der Mutter die vierjährige Tochter am Samstagabend gegen 19.20 Uhr gewaltsam entrissen. Dabei soll er mehrfach in die Luft geschossen haben. Danach soll er nach Hamburg gefahren sein – und dort auf das Rollfeld des Flughafens.
Flugbetrieb bleibt eingestellt
Am Sonntagmorgen schrieb die Hamburger Polizei auf X (ehemals Twitter), dass der Flugbetrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt bleibe. Die Polizei bittet Fluggäste vorerst nicht zum Airport anzureisen. Das Gelände ist weiträumig abgesperrt. Der Flughafen kann nicht erreicht und nicht betreten werden, die S-Bahn fahre den Flughafen nicht an. Der Hamburger Flughafen riet Fluggästen auf seiner Internetseite ihren Flugstatus im Blick zu behalten und sich bei Bedarf an ihre Fluggesellschaft zu wenden. Am Sonntagmorgen seien bereits 61 Flüge gestrichen worden. Es könne den ganzen Tag über zu Flugstreichungen und Verzögerungen kommen. Laut Airport wurden am Samstagabend sechs Abflüge und vier Ankünfte gestrichen. 17 ankommende Flugzeuge seien zu anderen Flughäfen umgeleitet worden. Insgesamt 3.200 Passagiere seien betroffen gewesen. Für den Sonntag waren ursprünglich insgesamt 286 Flüge mit rund 34.500 Passagieren geplant.
Landes- und Bundespolizei am Flughafen
Starke Kräfte der Landes- und der Bundespolizei seien am Flughafen, sagte Polizeisprecher Gerbert, darunter ein Spezialeinsatzkommando und Polizeipsychologen. Sie befänden sich in der Nähe des Fahrzeugs. Darunter sei auch die Beweis- und Festnahmeeinheit der Bundespolizei. „Die sind sehr robust ausgestattet“, sagte Gerbert.
Flughafen geräumt, Flugzeuge evakuiert
Das Flugzeug auf dem Vorfeld, unter dem der Mann sein Auto abgestellt hat, wurde geräumt. Später wurde der Flughafen komplett geräumt und weiträumig abgesperrt, auch die letzten auf dem Rollfeld stehenden Flugzeuge wurden evakuiert. Die Passagiere aus den evakuierten Maschinen wurden in ein nahe gelegenes Hotel gebracht. Nach ersten Erkenntnissen gibt es keine Verletzten. Die Polizei sieht auch keine akute Gefährdung Dritter.
Airport sieht keine Versäumnisse bei Sicherung des Geländes
Der Flughafen Hamburg sieht trotz der Geiselnahme auf dem Vorfeld des Airports keine Versäumnisse bei der Sicherung des Geländes. „Die Sicherung des Geländes entspricht allen gesetzlichen Vorgaben und übertrifft diese größtenteils“, sagte eine Flughafensprecherin am Sonntag. Dennoch könne bei der Größe des Flughafens nicht ausgeschlossen werden, „dass ein hochkrimineller, unbefugter Zutritt zum Sicherheitsbereich mit brachialer Gewalt erfolgen kann“.
Bereits zwei Vorfälle am Flughafen in diesem Jahr
Bereits im Oktober war der Hamburger Flughafen gesperrt worden, damals allerdings wegen einer Anschlagsdrohung auf eine Maschine von Teheran nach Hamburg. Im Juli hatten Klima-Aktivistinnen und -Aktivisten der Gruppe Letzte Generation den Hamburger Flughafen für Stunden lahmgelegt, als sie mit Fahrrädern auf das Gelände eingedrungen waren.