Sané sieht Rot – Blamage in Österreich – Deutschland taumelt ins EM-Jahr
23. November 2023Auch der letzte Länderspieltest des Jahres sorgt für Katerstimmung im deutschen Fußball: Deutschland hat nach der Niederlage gegen die Türkei auch gegen Österreich verloren. Vor allem in der ersten Hälfte fehleranfällig, ideenlos, uninspiriert – Deutschland unterlag am Dienstagabend (21.11.2023) in Wien Gastgeber Österreich mit 0:2 (0:1).
Marcel Sabitzer als einer von acht Bundesligaprofis in der österreichischen Startelf erzielte per Präzisionsschuss die Führung der Österreicher (29.). Kurz nach der Pause flog Leroy Sané wegen einer Tätlichkeit vom Platz (49.). Dann erhöhte Christoph Baumgartner für Rot-Weiß-Rot (73.).
Angesichts des über weite Strecken ernüchternden Auftritts der DFB-Auswahl wächst vor der Europameisterschaftsendrunde in Deutschland die Sorge vor einer weiteren peinlichen Pleite bei einem großen Turnier – das auch noch zuhause stattfindet. „Es war insgesamt zu wenig“, sagte Kapitän Ilkay Gündogan zur Sportschau, „wir haben nicht gut gespielt, hatten zu wenige Torchancen und haben dementsprechend auch verdient verloren“.
Bundestrainer Nagelsmann: „Viel Arbeit auf allen Positionen“
Zu den Gründen der Niederlage befragt, sagte Gündogan im ZDF: „Das war alles hausgemacht. Die Rote Karte von Leroy fasst alles zusammen. Den Frust, die Enttäuschung. Wir haben es den Österreichern viel zu leicht gemacht. Wir waren nicht gut genug.“ Österreichs Angreifer Michael Gregoritsch lobte bei seinem Team „sehr viel Aggressivität, sehr viel Intensität, sehr viel Ballsicherheit“ und freute sich über den verdienten Sieg.
„Ich bin kein Freund davon, in die Opferrolle zu verfallen“, sagte Nagelsmann zur Sportschau, „wir müssen akzeptieren, dass die Situation so ist wie sie ist, und dass wir übers Arbeiten aus der Situation wieder rauskommen“.
DFB-Trainer Nagelsmann – „Kein Freund davon, in die Opferrolle zu kommen“
Mit drei Veränderungen in der Startformation wollte Nagelsmann die „Variabilität“ schon in der Aussicht auf das Turnier im kommenden Sommer testen: Mit Leon Goretzka für Joshua Kimmich auf der Doppelsechs neben Ilkay Gündogan, mit Mats Hummels für Benjamin Henrichs und mit Serge Gnabry für Florian Wirtz. Und erneut mit Kai Havertz auf der linken Position in der Viererkette.
Der Start der deutschen Mannschaft in dieses Spiel sah vielversprechend aus: In der ersten Viertelstunde hatte Österreich kaum Zugriff auf Ball und Gegner, Deutschland drückte die Gastgeber in deren Hälfte. Und dennoch: Österreich hatte in dieser Phase unglaubliche drei Torchancen – und was für welche. Das sei auch der Plan gewesen, sagte Österreichs Christoph Baumgartner: „Wir wollten ihnen von der ersten Minute das Gefühl geben, dass es sehr schwierig wird. Die Verunsicherung, die in den Köpfen der Jungs steckt, wollten wir zum Vorschein bringen.“
Leipzig-Profi Baumgartner – „Was Besonderes in Österreich gerade“
Zuerst verzog Baumgartner bei einem Schussversuch. Dann aber musste der Freiburger Michael Gregoritsch eigentlich zwei Tore machen: Zweimal tauchte er allein vor Kevin Trapp im Kasten der Deutschen auf, einmal schoss der österreichische Angreifer neben das Tor, einmal parierte der Keeper mit einem Monster-Reflex.
Deutschland mit zu schnellen Ballverlusten
Wie auch schon gegen die Türkei drei Tage zuvor, war im ersten Spielabschnitt das Spiel der deutschen Mannschaft von vielen Abspielfehlern besonders im Spielaufbau geprägt. Immer aggressiv anlaufende Österreicher machten die Räume für die anzuspielenden oder ballführenden deutschen Akteure eng, die so häufig in Fehler geschickt wurden. Besonders die DFB-Offensive mit Niklas Füllkrug, Serge Gnabry und Leroy Sané hatte so gut wie keine Aktionen.
Deutschlands Serge Gnabry (l.) im Zweikampf mit David Alaba
Sabitzer mit Präzisionstor
Die Anfälligkeit der deutschen Abwehr auch bei langen Bällen zeigte sich dann einmal mehr beim Führungstreffer: Zielspieler Gregoritsch ließ prallen, Sabitzer nahm den Ball halblinks von Baumgartner im Mittelfeld auf, lief aufs Tor zu, wackelte Jonathan Tah aus und setzte den Ball flach aus 18 Metern durch Tahs Beine präzise neben den linken Pfosten.
Es dauerte sage und schreibe bis zur 32. Minute, bis die Elf von Bundestrainer Julian Nagelsmann den ersten Schuss aufs Tor der Österreicher brachte: Sané schlenzte, Anton Schlager im Kasten der Gastgeber hatte mit dem Versuch aber keine große Mühe. In der 41. Minute dann Torschuss Nummer zwei der DFB-Auswahl, doch auch Gnabry scheiterte – sehr deutlich.
Rot für Sané: „Habe Mannschaft im Stich gelassen“
Nach der Pause sorgte Sané für das erste deutsche emotionale Highlight – allerdings in eine deutlich unrühmliche Richtung. Nagelsmann hatte nach dem Auftritt gegen die Türkei zu wenig Emotionalität angeprangert. Das missverstand der Bayern-Star.
Denn nach einem Foul an Phillipp Mwene schubste der Österreicher gegen Sané, der daraufhin übertrieben und offensichtlich deutlich frustriert mit beiden Händen gegen den Hals von Mwene schlug. Sané sah wegen Tätlichkeit glatt Rot, Mwene die gelbe Karte.
Es war Sanés erste Hinausstellung in seiner Profikarriere. „Das Spiel geht auf mich, das nehme ich komplett auf meine Kappe. Da muss ich mich besser beherrschen. Ich habe die Mannschaft im Stich gelassen“, sagte Sané am Sportschau-Mikrofon.
Nach Tätlichkeit: Sané droht längere Sperre
Dem Bayernspieler droht aller Voraussicht nach eine Sperre für „mindestens“ drei Länderspiele und damit das Aus für große Teile der EM-Vorbereitung. Die Regularien des zuständigen Fußball-Weltverbands FIFA sehen für „Tätlichkeiten, einschließlich Ellbogenschlag, Boxen, Treten, Beißen, Spucken oder Schlagen“ gegen alle Beteiligten außer den Schiedsrichtern eine Mindestsperre von drei Spielen oder für „eine angemessene Zeitspanne“ vor. Je nach Wertung der Disziplinarkommission könnte der 27-Jährige also auch länger fehlen.
Rote Karte für Sané war vorentscheidend
„Spätestens nach der Roten Karte war es klar, dass es sehr schwer werden würde. Obwohl wir es dann nicht so schlecht gemacht habe“, sagte DFB-Kapitän Ilkay Gündogan. Insgesamt sei es aber zu wenig gewesen, eine verdiente Niederlage habe sich in der Phase angebahnt.
DFB-Kapitän Gündogan – „Keine schöne Situation“
Nagelsmann und Co-Trainer Sandro Wagner mussten die Mannschaft dann grundrenovieren: Florian Wirtz, Robert Andrich, Benjamin Henrichs und Joshua Kimmich kamen zur 60. Minute in die Partie, nachdem zuvor schon Thomas Müller aufs Feld geschickt worden war.
Österreich-Fans: „Oh, wie ist das schön!“
Doch auch der Umbau brachte nichts – im Gegenteil, denn zuvor Stefan Posch und dann erneut Gregoritsch vergaben gute Möglichkeiten. In der Folge brauchte die Mannschaft von Ralf Rangnick etwas, um sich auf die neue deutsche Formation einzustellen. Doch als David Alaba Gregoritsch als „Wand“ suchte und dieser Baumgartner perfekt auf die Reise schickte, sangen die österreichischen Fans „Oh, wie ist das schön!“ Denn der für RB Leipzig spielende Baumgartner ließ Trapp keine Chance.
Deutschland steckte nicht auf – das ist die einzige gute Nachricht an diesem Abend aus deutscher Sicht. Kimmich setzte einen Fernschuss nur knapp über den Kasten, Wirtz zwang wenig später Schlager bei einem weiteren Kracher aus der Distanz zu seiner besten Parade des Abends.
„Schmach von Wien“ vermiest Jahresabschluss
In der Schlussphase hätte Österreich noch mehrfach erhöhen können, aber so oder so waren die „Schmach von Wien“ und der verhagelte Jahresabschluss für die deutsche Mannschaft perfekt.
Datum | Gegner | Ergebnis |
---|---|---|
25.03.2023 | Peru | 2:0 |
28.03.2023 | Belgien | 2:3 |
12.06.2023 | Ukraine | 3:3 |
16.06.2023 | Polen | 0:1 |
20.06.2023 | Kolumbien | 0:2 |
09.09.2023 | Japan | 1:4 |
12.09.2023 | Frankreich | 2:1 |
14.10.2023 | USA | 3:1 |
18.10.2023 | Mexiko | 2:2 |
18.11.2023 | Türkei | 2:3 |
21.11.2023 | Österreich | 0:2 |