Kritik an Impfstrategie Spahn antwortet auf sechs Seiten
12. Januar 2021Stand: 12.01.2021 12:52 Uhr
Wegen vermeintlicher Versäumnisse bei der Impfstoff-Beschaffung und Verteilung steht Gesundheitsminister Spahn unter Druck. Koalitionspartner SPD stellte kritische Fragen. Jetzt gibt es Antworten – an alle Bundestagsabgeordneten.
Schleppende Impfkampagne, schlechte Kommunikation, falsche Bestellungspolitik – Koalitionspartner SPD hat sich vergangene Woche an Gesundheitsminister Jens Spahn abgearbeitet und damit auch einen Vorgeschmack auf den bevorstehenden Wahlkampf gegeben. Vizekanzler und Kanzlerkandidat Olaf Scholz sandte einen vierseitigen Fragenkatalog rund um die Impfstoff-Beschaffung an das Spahn-Ministerium. Es gebe in der Pandemie keine Fragen, die nicht gestellt werden dürften und nicht beantwortet werden müssten, argumentierte Scholz.
Sechsseitiges Schreiben an den Bundestag
Jetzt gibt es Antworten. In einem sechsseitigen Brief an alle Bundestagsabgeordneten, der tagesschau.de vorliegt, rechtfertigt der CDU-Politiker sein Vorgehen der vergangenen Wochen. Er wolle die Parlamentarier nun über den aktuellen Stand der Impfkampagne informieren. Spahn betont gleich zu Beginn, dass Deutschland die Pandemie nicht national bewältigen könne, der europäische Weg bei der Impfstoffbeschaffung sei daher richtig gewesen. Denn: Was nutze es, wenn wenige Staaten impfen könnten, andere aber weiter von der Pandemie getroffen würden?
Spahn erklärt erneut, wie die Beschaffung im Frühjahr 2020 auf europäischer Ebene gelaufen ist und welche Rolle Deutschland dabei spielte. „So hat Deutschland zum Beispiel in den Verhandlungen die Abnahme von bis zu 100 Millionen Impfdosen von BioNTech/Pfizer garantiert, lange bevor klar war, wie wirksam dieser Impfstoff sein würde.“ Ohne das „vorausschauende Engagement“ Deutschlands würde es den EU-Vertrag mit den Herstellern so nicht geben.
Stand der Lieferungen
Es folgt eine Beschreibung des Stands der Impfstofflieferung sowie der Blick auf das, was noch kommt. Bis Ende Januar seien über vier Millionen Dosen von BioNTech/Pfizer verfügbar, bis Ende März etwa 10,1 Millionen Dosen. Die Anzahl der Dosen werde sich weiter erhöhen, indem sechs statt fünf Dosen aus einer Ampulle gewonnen werden dürften.
Hinzu komme der Moderna-Impfstoff – bis Ende März 1,8 Millionen Dosen, wie Spahn schreibt. Somit könne es gelingen, im ersten Quartal allen Impfwilligen der ersten Priorisierungsgruppe ein Impfangebot zu machen. Für das ganze Jahr 2021 habe sich Deutschland insgesamt etwa 140 Millionen Impfdosen von BioNTech/Pfizer und Moderna gesichert – das reiche aus, um Deutschland gut zu versorgen. Zudem rechnet Spahn mit der baldigen Zulassung weiterer Impfstoffe.
Länder für Organisation zuständig
Auch die Kritik der Bundesländer lässt Spahn nicht gelten. Der Bund beschaffe und finanziere die Impfstoffe, die Länder aber seien für die Organisation der Impfungen zuständig, also auch der Vergabe die Termine. Die Länder gingen hier sehr unterschiedlich vor. Anders als zuletzt gemeldet habe es bei der bekannten Rufnummer 116 117 keine Engpässe bei der Leitungskapazität gegeben. Im Fall einer temporären Überlastung der Länder-eigenen Call Center helfe der Bund gern mit Auffanglösungen.
Spahn weist weiter darauf hin, dass bis heute (Stand: 11.01.2021, 11 Uhr) mehr als 613.347 Menschen in Deutschland geimpft worden seien. Wobei das Impfen in Pflegeheimen durch mobile Teams aktuell aufwändiger und langsamer sei. Danach werde es schneller gehen.
Die Pandemie könne nur durch die Impfungen beendet werden, wenn sich die überwiegende Mehrheit der Menschen impfen lasse, erinnert Spahn abschließend. Daher sei Aufklärung wichtig. Er lobte in diesem Zusammenhang die bundeseinheitliche Impfkamapagne #DeutschlandkrempeltdieÄrmelhoch und rechtfertigt auch die Priorisierung der Impfgruppen.
Spahn wirbt um Geschlossenheit
„Es geht um die größte Impfkampagne unserer Geschichte“, schreibt der Gesundheitsminister abschließend. Der Start sei – allen berechtigten Hinweisen auf zu verbessernde Abläufe zum Trotz – ein Erfolg. 27 EU-Staaten, 16 Bundesländer, die Kommunen – der Prozess sei komplex und herausfordernd. Spahn wirbt bei den Abgeordneten um Geschlossenheit – damit die „Bürgerinnen und Bürger diesen Weg gemeinsam mit uns gehen und sich in großer Zahl impfen lassen“.
Die SPD-Kritik erwähnt Spahn explizit nicht, auch ging der Brief nicht an die Fraktion, sondern an alle Abgeordneten. Der CDU-Politiker und Gesundheitsminister gibt morgen im Bundestag eine Regierungserklärung zum Stand der Impfungen ab – dieser Brief dürfte auch als „Werben in eigener Sache“ verstanden werden.