“ analyse “ Wege aus der Haushaltskrise Eine Bremse auch für die CDU
30. November 2023Sollte die Schuldenbremse reformiert werden, geht das nicht ohne die Union. Doch CDU-Chef Merz schließt das kategorisch aus und riskiert damit die Konfrontation mit CDU-Länderchefs. Was steckt dahinter?
CDU-Chef Friedrich Merz gibt in diesen schwierigen Zeiten gerne mal einen mikroskopisch-tiefen Einblick in das Innerste seiner Partei. „Staatspolitische Verantwortung ist unsere DNA“, erklärt er dann.
Die Ampelregierung hört da ganz genau hin. Sie möchte die Union nämlich in die staatspolitische Verantwortung nehmen, um den Haushaltskrater zu befüllen. SPD und Grüne zumindest wollen die Schuldenbremse reformieren – das aber geht nicht ohne die Union, denn dafür muss das Grundgesetz mit einer Zweidrittelmehrheit geändert werden.
Eine komfortable Lage für Merz. Er kann die Ampel und vor allem den Bundeskanzler vor sich hertreiben. Er drängt zum Sparen und Kürzen: etwa beim Fördern von klimafreundlichen Heizungen, bei der Kindergrundsicherung, beim Bürgergeld – also bei Projekten, die der Ampel besonders wichtig sind. Die Schuldenbremse hingegen ist für Merz tabu – und für weite Teile der Union auch.
Wegner widerspricht Merz
Allerdings greift das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bis in die Länder, auch die müssen umdenken und mit den Haushaltsauflagen leben. In der Union ist daher ein offener Konflikt ausgebrochen. Denn Kai Wegner, Regierender CDU-Bürgermeister in Berlin, bezeichnet die Schuldenbremse als investitionshemmend, ist für eine Reform und bringt damit Merz auf die Palme. Im Bundestag findet der CDU-Chef gegen den Parteifreund scharfe Worte: „Das wird im Bundestag entschieden und nicht im Roten Rathaus in Berlin.“
Aber Wegner lässt sich nicht den Mund verbieten. Im Magazin „Stern“ sagt er: „Ich habe eine klare Haltung, die Reform der Schuldenbremse für Zukunftsinvestionen ist dringend erforderlich.“
Zustimmung auch aus Sachsen und Sachsen-Anhalt
Weniger offensiv agieren Michael Kretschmer, CDU-Ministerpräsident in Sachsen, und Rainer Haseloff, CDU-Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt. Auch sie halten die Schuldenbremse ebenfalls nicht für unantastbar. Sie fürchten um ihre eigenen Haushalte. Förderprogramme für „grünen“ Stahl stehen auf dem Spiel, die Zukunft der Industrie, Arbeitsplätze.
Das gilt auch für Nordrhein-Westfalen, wo Hendrik Wüst, CDU, die Merz-Linie vertritt, aber auch sagt: „Wenn wir es mit den Regeln der Schuldenbremse nicht hinkriegen, dann kann man sich das angucken, aber eins nach dem anderen, es braucht zunächst eine Prioritätensetzung.“
Der Ampel auf die Finger schauen
Ein definitives Nein für eine Reform der Schuldenbremse ist das nicht. Bekommt Merz also Druck von den eigenen Leuten? Ein Umdenken würde den Ländern beim Haushalten helfen. Aber Merz beeindruckt das alles nicht. Im Bundestag schließt er noch einmal kategorisch aus, die Schuldenbremse anzufassen. Staatspolitische Verantwortung? Darunter versteht er etwas anders, als der Ampelregierung aus dem Schlamassel zu helfen. Er möchte „ihnen auf die Finger schauen und sie zwingen, die Verfassung einzuhalten.“
Ein zu durchsichtiges Manöver der Union
In der ganzen Gemengelage spielt auch politisches Taktieren eine Rolle. Es ist nicht so, dass die Union sich jeder Unterstützung verweigert. Allerdings hat die ihren Preis. Merz verlangt im Gegenzug eine andere Politik, vor allem in der Wirtschafts- und Klimapolitik. „Wenn Sie reden wollen“, ruft er dem Bundeskanzler zu, „dann kommen Sie zu mir und wir reden“.
Man kann sich sicher sein, dass das nicht passieren wird; zu unterschiedlich die Meinungen zur Haushaltsführung, zu schlecht das Verhältnis zwischen Merz und Scholz, zu durchsichtig das Manöver der Union. „Wenn Sie weiter uneinsichtig sind und unsere Volkswirtschaft vor die Wand fahren“, schimpft Merz, „dann werden wir alles dafür tun, dass der Spuk mit ihrer Bundesregierung beendet wird“.
Ein Sondervermögen würde letztlich auch der Union helfen
Ein Wunschdenken, denn so einfach ist der „Spuk“ nicht zu beenden. Und abgesehen davon müsste auch eine unionsgeführte Regierung mit dem überstrapazierten Haushalt klarkommen. Daher wäre eine große Lösung – etwa durch einen Sondertopf mit Schulden, auch Sondervermögen genannt und verankert im Grundgesetz – für die Union gegebenenfalls hilfreich. Aber auch das sieht Merz nicht angelegt in der DNA der Union, der staatspolitischen Verantwortung.