“ liveblog “ Ukraine Tag 647 So 03.12.2023 ++ Klitschko wirft Selenskyj Fehler vor ++
3. Dezember 2023Kiews Bürgermeister Klitschko hat den ukrainischen Präsidenten Selenskyj ungewöhnlich deutlich kritisiert. Beide Kriegsparteien planen offenbar Besuche bei Gefangenen der anderen Seite.
- Klitschko wirft Selenskyj Fehler vor
- Lukaschenko in China erwartet
- Bericht: Russland plant Besuche für Kriegsgefangene
- Drohnenangriffe auf Nordwesten der Ukraine gemeldet
14:25 Uhr
Söder: Kein Bürgergeld für ukrainische Flüchtlinge
CSU-Chef Söder hat einen Stopp von Bürgergeld-Zahlungen an neu ankommende ukrainische Flüchtlinge gefordert. „Es wäre nicht rechtmäßig, etwas rückwirkend zu streichen. Aber für alle neuen Fälle müssen wir umsteuern“, sagte der Söder dem Magazin „Stern“. „Und für alle anderen, die neu zu uns kommen, sollte es Sozialleistungen erst nach fünf Jahren statt nach 18 Monaten geben.“
Auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, hatte sich zuvor dafür ausgesprochen, die Zahlung von Bürgergeld an neu angekommene Flüchtlinge aus der Ukraine zu beenden. „Dass die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine alle sofort Bürgergeld erhalten, war damals, als es beschlossen wurde, von allen Beteiligten gut gemeint gewesen“, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete der Nachrichtenagentur dpa. Die Entscheidung habe sich aber, was die Bereitschaft zur Aufnahme einer Arbeit anbelangt, als kontraproduktiv erwiesen.
Ukraine: Russland erschießt sich stellende Soldaten
Die Ukraine wirft Russland vor, sich stellende ukrainische Soldaten erschossen und damit ein Kriegsverbrechen begangen zu haben. In sozialen Medien war ein Video aufgetaucht, das einen Soldaten zeigt, der mit erhobenen Händen aus einem Unterschlupf herauskommt und sich anschließend auf den Boden legt. Ihm folgt ein zweiter Soldat, der sich ebenfalls hinlegt. Die russischen Soldaten eröffnen anscheinend das Feuer und das Video bricht ab.
„Die Hinrichtung von sich Ergebenden ist ein Kriegsverbrechen!“, schreibt der Ombudsmann der Ukraine für Menschenrechte, Dmytro Lubinets, auf Telegram. Das russische Verteidigungsministerium reagierte zunächst nicht auf eine Anfrage zur Stellungnahme. Russland hat in der Vergangenheit stets dementiert, Kriegsverbrechen zu begehen. Die Nachrichtenagentur Reuters konnte die Echtheit, das Datum und den Ort, an dem das Video aufgenommen wurde, nicht unabhängig überprüfen. Der ukrainischen Staatsanwaltschaft zufolge ereignete sich der Vorfall im Distrikt Pokrowsk, ein Teil der Oblast Donezk, in der Nähe des heftig umkämpften Awdijiwka.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Klitschko wirft Selenskyj Fehler vor und wirbt für Ehrlichkeit
Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko hat dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ungewöhnlich deutlich „Fehler“ vorgeworfen. „Die Leute fragen sich, wieso wir auf diesen Krieg nicht besser vorbereitet waren. Wieso Selenskyj bis zum Schluss verneinte, dass es dazu kommen werde“, sagte Klitschko dem schweizerischen Nachrichtenportal „20 Minuten“. „Es gab zu viele Informationen, die sich mit der Realität nicht deckten“, sagt der Ex-Boxweltmeister, der um mehr Ehrlichkeit warb mit Blick auf die wahre Lage der Ukraine in ihrem Kampf gegen Russlands Angriffskrieg.
„Selenskyj zahlt für die Fehler, die er gemacht hat“, so Klitschko. „Selbstverständlich können wir euphorisch unser Volk und unsere Partner anlügen. Aber das kann man nicht ewig machen“, sagte Klitschko weiter in dem Interview, das mehrere ukrainische und russische Medien aufgriffen. Der 52-Jährige stellte sich auch demonstrativ auf die Seite des ukrainischen Oberkommandierenden der Streitkräfte, Walerij Saluschnyj, der zur Verärgerung Selenskyjs unlängst von einer Pattsituation in dem Krieg gesprochen hatte.
Ex-Minister Fischer fordert Abschreckung Russlands
Der frühere Außenminister Joschka Fischer (Grüne) hat Europa zu Aufrüstung mit eigenen Atomwaffen aufgefordert. Die EU brauche „eine eigene atomare Abschreckung“, sagte Fischer in einem Interview mit „Zeit Online“. „Die Welt hat sich verändert“, sagte Fischer, und Russlands Präsident Wladimir Putin arbeite „auch mit nuklearer Erpressung“. Die Arsenale der westeuropäischen Atommächte Frankreichs und Großbritanniens seien „als Antwort auf die veränderte Lage“ nicht ausreichend. Fischers Partei, die Grünen, ist seit ihrer Gründung eng verbunden mit dem Widerstand gegen atomare Aufrüstung.
Fischer forderte von der Bundesregierung Investitionen für eine Aufrüstung mit konventionellen Waffen. „Wir müssen unsere Abschreckungsfähigkeit wiederherstellen“, sagte er. „Solange wir einen Nachbarn Russland haben, der der imperialen Ideologie Putins folgt, können wir nicht darauf verzichten, dieses Russland abzuschrecken.“ Dies sei allerdings „nicht mit Schuldenbremse und ausgeglichenen Haushalten“ zu erreichen.
Lukaschenko in China erwartet
Der belarusische Machthaber Alexander Lukaschenko besucht nach Angaben seines Büros heute und morgen China. Am Montag werde Lukaschenko den chinesischen Staatschef Xi Jinping treffen, teilte sein Präsidialamt mit. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen demnach „Handel, Wirtschaft, Investitionen und internationale Zusammenarbeit“. Ob Lukaschenko bereits in China eingetroffen ist, blieb offen. Der enge Verbündete Kreml-Chef Wladimir Putins war zuletzt Ende Februar nach Peking gereist.
Im Mittelpunkt seiner Gespräche mit dem chinesischen Staatschef stand damals die russische Offensive in der Ukraine. Dabei hatte Lukaschenko seine uneingeschränkte Unterstützung für die damaligen chinesischen Vermittlungsbemühungen deutlich gemacht. Diese waren im Westen auf Skepsis gestoßen. Ob es bei dem erneuten Treffen zwischen Lukaschenko und Xi auch um die Lage in der Ukraine gehen wird, ließ das Präsidialamt in Minsk offen. Trotz wiederholter Aufforderungen des Westens hat Peking die russische Offensive bis heute offiziell nicht verurteilt. Belarus grenzt sowohl an die Ukraine wie auch an Russland.
Deutsche Forscher dokumentieren zerstörte Baudenkmäler
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Marburg und Hannover haben zusammen mit ukrainischen Fotografinnen und Fotografen bereits 250 durch den russischen Angriffskrieg bedrohte oder beschädigte Baudenkmäler fotografisch dokumentiert. Seit dem Start des Projekts im Oktober 2022 hätten die Fotografinnen und Fotografen insgesamt rund 3.700 Außen- und Innenaufnahmen historisch und kulturell bedeutsamer Bauwerke in Städten wie Kiew, Odessa, Mykolajiw und Saporischja angefertigt, sagte Christian Bracht, Direktor des Deutschen Dokumentationszentrums Kunstgeschichte (DDK) – Bildarchiv Foto Marburg. Dazu gehört auch die Verklärungskathedrale in der Altstadt von Odessa, die im Sommer dieses Jahres bei russischen Angriffen beschädigt worden war.
Diese und andere Zerstörungen zeigten, wie brisant und wichtig die Arbeit sei. Im Rahmen des Projekts arbeitet das DDK seit gut einem Jahr mit einem Team des Leibniz-Informationszentrums Technik und Naturwissenschaften (TIB) sowie 17 ukrainischen Fotografinnen und Fotografen zusammen. Wie viele der erfassten Baudenkmäler bislang tatsächlich zerstört wurden, ist nicht bekannt. Doch sei absehbar, dass ihre Zahl zunimmt, da bisher kein Ende des Krieges in Sicht sei, so Bracht.
Odessas orthodoxe Verklärungskathedrale soll im Sommer durch Raketenangriffe beschädigt worden sein.
Selenskyj dankt für deutsche Lieferungen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Bedeutung der deutschen Militärhilfe für die Stärkung der ukrainischen Luftverteidigung hervorgehoben. Dies bedeute „die Rettung Tausender ukrainischer Leben“, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Dank eines neuen deutschen Hilfspakets würden zudem dringend benötigte Artilleriegeschosse des Kalibers 155 Millimeter geliefert. Angaben der Bundesregierung zufolge übergab Deutschland in seiner jüngsten Lieferung 3.840 Geschosse dieser Artilleriemunition an die Ukraine. Zudem wurden fünf Drohnenerkennungssysteme, fünf Scharfschützengewehre, etliche Sattelschlepper, Lkws, Kleinbusse, Geländefahrzeuge und weiteres Militärmaterial geliefert.
Bericht: Russland plant Besuche für Kriegsgefangene
Russland und die Ukraine planen einem Medienbericht zufolge Visiten bei Kriegsgefangenen der jeweils anderen Seite. „Russische Militärangehörige werden auf der ukrainischen Seite besucht. Ukrainische Militärangehörige werden auf der russischen Seite besucht“, sagte die russische Menschenrechtskommissarin Tatjana Moskalkowa laut der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA. Es werde mehrere solcher Visiten geben. Zusammen mit dem ukrainischen Ombudsmann für Menschenrechte, Dmytro Lubinets, habe sie bereits einen Zeitplan dafür.
Drohnenangriffe auf Nordwesten der Ukraine gemeldet
Laut der ukrainischen Luftwaffe hat es in der Nacht russische Drohnenangriffe auf den Nordwesten des Landes gegeben. Die meisten Drohnen hätten aber über dem Süden der Ukraine bei Mykolajiw abgeschossen werden können, wie das Militär weiter mitteilte. Insgesamt hat Russland demnach zwölf Drohnen gestartet, von denen zehn vor Erreichen ihrer Ziele zerstört werden konnten. Russland habe die Ukraine auch mit einem Marschflugkörper angegriffen, der sein Ziel aber ebenfalls verfehlt habe.
Was mit den zwei nicht zerstörten Drohnen und dem Marschflugkörper passiert ist, blieb unklar. Berichte über Schäden lagen nicht vor. Russland äußerte sich nicht zu der Darstellung. Bei den Drohnen handelte es sich laut der ukrainischen Luftwaffe um Flugkörper des Typs „Shahed“ aus iranischer Produktion.
Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Stupun: Russland greift nach Verlusten teils weniger an
Russland habt laut dem ukrainischen Militärsprecher Oleksandr Stupun seine Angriffe auf Awdijiwka in den vergangenen 24 Stunden halbiert. Stupun sagte dies im Staatsfernsehen. Die Entwicklung sei auf hohe Verluste zurückzuführen. Außerhalb des Stadtzentrums, in der sogenannten Industriezone, würde weiter heftig gekämpft. Russische Kriegsblogger berichten, das Gebiet sei inzwischen unter russischer Kontrolle. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Unklar bleibt weiterhin, wer die Stadt Marinka kontrolliert.
Ukraine: Heftige Kämpfe um Bachmut und Awdijiwka
Im Osten der Ukraine haben nach Angaben des ukrainischen Militärs zuletzt die meisten Kämpfe zwischen ukrainischen und russischen Truppen stattgefunden. An der Front bei Awdijiwka wurden in den vergangenen 24 Stunden 20 russische Angriffe zurückgeschlagen. Um Bachmut sollen die Russen laut dem Frontbericht des ukrainischen Generalstabs 15 Mal angegriffen haben. In der umkämpften südukrainischen Region Cherson würden die ukrainischen Streitkräfte indes weiterhin ihre neuen Stellungen an der Südseite des Dnipros halten.
Das ukrainische Militär setzte sich eigenen Angaben zufolge vorvergangene Woche auf der größtenteils russisch kontrollierten Seite des Flusses fest. Die Frontlage im Süden und Osten des Landes sei indes weiterhin schwierig.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.