Coronavirus Sars-CoV-2Müssen uns auf bis zu 24 Monate einstellen: Forscher erstellen Corona-Szenarien

15. Mai 2020 Aus Von mvp-web

Seit Anfang Mai sind weitgehende Lockerungen der Corona-Maßnahmen beschlossen. Heißt das, dass jetzt alles wieder normal wird? Erstmal nicht, sind Forscher überzeugt. Denn weitere Infektionswellen könnten uns bevorstehen.

Es sind Fragen, die viele Menschen derzeit brennend interessieren: Wie wird die Pandemie weitergehen? Was wird uns noch bevorstehen?

Mit Sicherheit beantworten kann sie bisher aber niemand. Wie auch, schließlich gibt es kein absolut vergleichbares vorheriges Geschehen. „Die Epidemiologie der Coronaviren Sars CoV-1 und Mers-CoV ist substanziell anders als die von Sars-CoV-2“, erklären amerikanische Wissenschaftler in einer Veröffentlichung des Center for Infectious Disease Research and Policy der Universität Minnesota Ende April. Die Veröffentlichung wurde nicht von anderen, unabhängigen Experten geprüft.

Am ehesten sei die Pandemie mit einem pandemischen Influenza-Verlauf vergleichbar, erklären die Wissenschaftler. Wenn man entscheidende Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Epidemiologie von Covid-19 und einer pandemischen Influenza identifiziere, könne das helfen, mögliche Szenarios für den weiteren Verlauf der Covid-19-Pandemie zu entwerfen. Genau das haben die Forscher getan.

Drei mögliche Szenarien für den weiteren Pandemie-Verlauf

Basierend auf ihren Erkenntnissen und Annahmen stellen die Wissenschaftler drei mögliche Szenarien vor, wie es mit der Pandemie weitergehen könnte.

Szenario 1: Spitzen und Täler

In der Folge der ersten Welle von Covid-19 in diesem Frühjahr könnten wiederholende, kleinere Wellen im Laufe des Sommers auftreten, die sich dann über eine Zeitspanne von ein bis zwei Jahren langsam weiter verringern. Das Auftreten dieser Wellen könne dabei geografisch gesehen variieren, schreiben die Forscher sowie abhängig von Maßnahmen sein – und davon, wie diese eingehalten würden. Wenn dieses Szenario eintritt, könnten zeitweise erneut Beschränkungen notwendig werden.

Szenario 2: Spitze im Herbst

Ein anderes Szenario, das die Forscher zeichnen, sieht so aus, dass die erste Welle im Frühling eine noch größere Welle im Herbst oder Winter dieses Jahres nach sich ziehen wird. Danach könnten weitere kleinere Wellen auftreten. Trifft dieses Szenario zu, müsste es im Herbst erneute Beschränkungen geben, damit das Gesundheitssystem nicht überfordert wird.

Natürlich beruhen Szenarien immer auf Annahmen – verändern sich diese Annahmen, verändert sich auch das Szenario.

Szenario 3: Langsames Brennen

Die erste Welle im Frühjahr 2020 geht diesem Szenario zufolge über in eine Phase, in der das Virus auf geringerem Niveau als zuvor weiter übertragen wird. Tritt dieses Szenario ein, wäre keine große Welle mehr zu erwarten, sondern nur noch kleinere. Erneute Beschränkungen wären dann nicht nötig. „Während dieses Muster bisher noch in keiner der vergangenen Influenza-Pandemien beobachtet wurde, könnte es dennoch für Covid-19 möglich bleiben“, berichten die Wissenschaftler in der Veröffentlichung der Universität Minnesota.

Die Wissenschaftler stellen in ihrem Bericht zudem fünf wichtige Aspekte heraus:

  1. Aufgrund einer längeren Inkubationszeit – also der Zeit von der Infektion bis zum Ausbruch der Erkrankung -, einer höheren asymptomatischen Übertragung und einem größeren Reproduktionsfaktor R – das ist die Zahl, die anzeigt, wie viele Menschen ein Infizierter im Mittel mit dem Erreger ansteckt -, scheine Covid-19 sich leichter verbreiten zu können als eine pandemische Grippe.
  2. Die höhere Reproduktionsrate zeige, dass mehr Menschen sich infizieren und immun werden müssen, bevor die Pandemie enden kann.
  3. Auf Basis der jüngsten Influenza-Pandemien werde der Ausbruch wahrscheinlich 18 bis 24 Monate dauern.
  4. Der Ausbruch werde vermutlich nicht stoppen, bevor 60 oder 70 Prozent der Bevölkerung immun sind.
  5. Abhängig von Kontrollmaßnahmen und anderen Faktoren, könnten erneute Covid-19-Infektionen in Wellen verschiedener Höhe und in verschiedenen Intervallen auftreten.

Wie der Bericht der Universität Minnesota kommen auch Wissenschaftler in einer Publikation im Fachmagazin „Science“ zu möglichen zukünftigen Pandemie-Szenarien zu dem Schluss, dass Social Distancing noch bis 2022 notwendig sein könnte. Weitere Interventionen, wie etwa ein effektives Therapeutikum, könnten allerdings das Geschehen beschleunigen.

Coronavirus wird wahrscheinlich bleiben – aber könnte in mildere Form übergehen

Welches Szenario auch immer uns bevorsteht, wahrscheinlich ist dem Bericht der Universität Minnesota zufolge, dass das Coronavirus auch nach der Pandemie weiter in der Bevölkerung zirkulieren wird. Allerdings wird es sich dann vermutlich wie andere Coronaviren abschwächen und in die Reihe der Erkältungsviren einreihen.

Focus Online: Freitag, 15.05.2020, 11:34