„interview“ Bauministerin Geywitz „Viel zu wenig in Sozialwohnungen investiert“

„interview“ Bauministerin Geywitz „Viel zu wenig in Sozialwohnungen investiert“

16. Januar 2024 Aus Von mvp-web

Stand: 16.01.2024 14:12 Uhr

Das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen im Jahr hat die Ampelkoalition bisher in keinem Jahr erreicht. Auch Sozialwohnungen fehlen zuhauf. Dennoch zeigt sich Bundesbauministerin Geywitz im Gespräch mit tagesschau24 optimistisch für dieses Jahr.

tagesschau24: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer bisherigen Arbeit als Bundesbauministerin?

Klara Geywitz: Ganz klar ist: Die Bauwirtschaft ist momentan in einer sehr schwierigen Situation, die durch den Zinssprung verursacht wurde. Das hat sehr viele Baufinanzierungen schwieriger gemacht. Und wir haben jede Menge Hausaufgaben zu tun bei der Modernisierung im Heizungsbereich. Das wurde intensiv diskutiert, aber auch bei der Digitalisierung, bei der Vereinheitlichung von Baustandards. Und wir sind mitten in diesem Prozess.

Sendungsbild | ARD-aktuell

Klara Geywitz, SPD/Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, zur Lage auf dem Bau- und Wohnungsmarkt

tagesschau24, 16.01.2024 14:00 Uhr

„Viel zu wenig Geld investiert“

tagesschau24: Diese Hausaufgaben beziehen sich natürlich auch auf den sozialen Wohnungsbau. 910.000 Wohnungen, also fast eine Million Sozialwohnungen fehlen. Woher kommt das?

Geywitz: Es fehlen sogar noch mehr Sozialwohnungen. In der Bundesrepublik gab es auch schon Zeiten mit drei Millionen Sozialwohnungen. Wir sind jetzt bei einer Million gelandet, weil Sozialwohnungen nur meistens 20, 25 Jahre in der Bindung sind und dann ganz normale Wohnungen werden.

Wir haben einfach die letzten zwei Jahrzehnte viel zu wenig Geld in Sozialwohnungen investiert. Das rächt sich jetzt. Seit 2021 haben wir da den Schalter umgelegt. Aber es braucht natürlich auch eine gewisse Zeit, bis diese Förderung dann auch tatsächlich auf der Baustelle ankommt und in einer fertigen Wohnung endet.

tagesschau24: Das heißt, 910.000 Wohnungen, die fehlen – das ist tatsächlich eine realistische Zahl?

Geywitz: Also die Pestel-Studie, auf die Sie anspielen, halte ich persönlich für hochgradig unseriös. Das sind Zahlen, die die Kollegen sich ausgedacht haben. Das kommt dann auch zu relativ absurden Ergebnissen. Zum Beispiel ist der Fehlbedarf an Sozialwohnungen in Nordrhein-Westfalen wesentlich kleiner als in Sachsen, wo angeblich zehnmal so viele Sozialwohnungen fehlen würden. Das ist nicht seriös.

Ein Kran steht am Rohbau eines Mehrfamilienhauses.

16.01.2024

„Wir brauchen endlich die Mietrechtsreform“

tagesschau24: Nichtsdestotrotz werden jetzt die Leute in den großen Ballungsräumen sagen: Doch, natürlich, bei uns fehlen Wohnungen. Gerade in München, Hamburg, Berlin sind kaum noch bezahlbare Wohnungen zu finden, selbst für Gutverdiener. Und die bekommen kein Wohngeld. Wie kann der Staat da helfen?

Geywitz: Es haben mittlerweile die Hälfte aller Länder den Umschwung geschafft. Das heißt, dass dort wieder mehr Sozialwohnungen gebaut werden, als aus der Bindung fallen, gerade auch in Hamburg.

Das andere ist, dass wir natürlich auch endlich die Mietrechtsreform brauchen, die die Koalition sich vorgenommen hat. Marco Buschmann hat schon mehrfach angekündigt, dass er intensiv an den Verabredungen arbeitet – Verlängerung der Mietpreisbremse, Senkung der Kappungsgrenze. Und das wird dann auch Mietern helfen, die im freifinanzierten Wohnungsbau leben.

Klara Geywitz (links) und Olaf Scholz an Sprechpulten in Berlin

25.09.2023

„In der Krise ist ein Wachstum begrenzt“

tagesschau24: Vor knapp einem Jahr haben Sie gesagt: Für 2022 und auch für 2023 haben wir es nun nicht geschafft, das Ziel von 400.000 Wohnungen pro Jahr zu erreichen. Aber für 2024 könnte das durchaus etwas werden. Glauben Sie das heute auch noch?

Geywitz: Ich habe gesagt, für 2024 habe ich eine positivere Prognose. Wir sind durch eine Krise der Bauwirtschaft gegangen. Mein Ziel war immer, dass wir stabil durch diese Krise kommen, ohne zusätzlichen Personalabbau auf den Baustellen. Das ist ganz wichtig, dass wir die Kapazitäten erhalten.

Wir haben unterschiedliche Förderprogramme gestartet, um stabil durch diese Krise zu kommen: der soziale Wohnungsbau, aber natürlich auch die Unterstützung für Familien, die Wohneigentum bilden wollen.

Wir bringen jetzt zwei neue Programme an den Start, zum Beispiel, dass man Gewerbe zu Wohnungen umbauen kann. Aber wie gesagt, mitten in einer Rezession ist natürlich ein Wachstum begrenzt.

Eine Baustelle an einem Einfamilienhaus am Leipziger Stadtrand.
04.09.2023

„Was ist der Bedarf?“

tagesschau24: Das heißt, wir schaffen die 400.000 dieses Jahr nicht.

Geywitz: Nein, davon geht, glaube ich, auch insgesamt jeder aus. Wichtig ist, dass wir erst mal keinen Kapazitätsabbau haben und dass wir jetzt auch wieder in Schwung kommen. Da haben wir unterschiedliche Maßnahmen ergriffen. Ganz wichtig ist auch, dass wir mehr und schneller durch seriellen Wohnungsbau werden. Und da haben wir große Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das auch klappen kann.

Plattenbauten in Berlin

12.10.2022

„Viel Geld in Sanierung stecken“

tagesschau24: Laut ifo Institut ist das Geschäftsklima in der Baubranche so schlecht wie seit 1991 nicht mehr. Das liegt der Branche zufolge unter anderem daran, dass sie keine Planungssicherheit mehr habe, wenn zum Beispiel wichtige Förderprogramme gestrichen werden, wie das Programm Klimafreundlicher Neubau.

Geywitz: Das Programm Klimafreundlicher Neubau ist mitnichten gestrichen worden. Wir haben im letzten Jahr mit einer Milliarde für dieses Programm angefangen. Und weil das so extrem gut gelaufen ist, haben wir es sogar aufgestockt – mitten im laufenden Jahr auf zwei Milliarden und dann im Dezember nach der Haushaltssperre, als ein großer Run war auf das Programm, noch einmal 280 Millionen obendrauf. Und da war dann kurz vor Weihnachten das Geld alle. Aber das Programm geht dieses Jahr wieder an den Start.

tagesschau24: Woher kommt denn das, dass die Branche kritisiert, man habe keine Planungssicherheit?

Geywitz: Also zum einen ist es so, dass wir die Förderung umgestellt haben. Die Vorgängerregierung hat gerade nicht in den sozialen Wohnungsbau investiert, sondern hat auch Wohnungen gefördert, die extrem teure Mieten haben.

Wir haben das nicht für sinnvoll gehalten. Das hatte auch extreme Mitnahmeeffekte und hat das Bauen noch zusätzlich verteuert. Deswegen gab es diese Umstellung. Natürlich ist das in der Umstellungsphase schwierig. Aber der Markt hat sich orientiert, auch auf den Bau von neuen Sozialwohnungen, sodass ich davon ausgehe, dass der Bestand an Sozialwohnungen, die so dringend gebraucht werden, auch wieder aufgebaut wird.

Das andere ist, dass wir jetzt zum Beispiel neue Programme gestartet haben, gerade um auch den Bestand besser zu nutzen. Das heißt, viel Geld in Sanierung stecken, aber auch viel Geld in den Umbau von nicht mehr benötigten Büros.

Klara Geywitz

30.12.2023

„Ganz wichtig ist auch die Frage der Energiepreise“

tagesschau24: Die Baukosten sind momentan ein Viertel höher als noch 2020. Was meinen Sie, wo geht die Reise dieses Jahr noch hin?

Geywitz: Also zum einen sieht man bei einzelnen Baumaterialien eine Entspannung. Wir hatten durch Corona bedingt auch Lieferengpässe. Auch da verzeichnen wir eine Entspannung.

Ganz wichtig ist auch immer die Frage der Energiepreise. Da hat diese Bundesregierung sehr viele Milliarden dafür eingesetzt, dass für uns alle, aber auch für die Industrie, die Strom- und Gaspreise unten sind.

Aber die Frage der Ausstattung ist auch immer ein Punkt. Deswegen wollen wir einen neuen Gebäudetyp einführen, den Gebäudetyp E, wo man sich beschränken kann auf die einfachen Gebäude, Ausstattungen und manches, was da an Luxus noch zusätzlich kommt, nicht zwingend bauen muss.

tagesschau24: Was ist Ihr Gefühl für 2024: Berappelt sich der Bausektor wieder etwas?

Geywitz: Einer der ganz wesentlichen Einflussfaktoren für die Frage, wie viel gebaut wird, ist die Zinsentwicklung. Und die stimmt mich doch recht positiv.

Das Gespräch führte Romy Hiller für tagesschau24. Für die schriftliche Version wurde es gekürzt und redigiert.