Bundesweite Kundgebungen Breite Unterstützung für Demos gegen rechts

Bundesweite Kundgebungen Breite Unterstützung für Demos gegen rechts

20. Januar 2024 Aus Von mvp-web

Stand: 20.01.2024 08:10 Uhr

Der Verfassungsschutz-Chef findet sie „erfreulich“, der Präsident des Zentralrats der Juden spricht von einem „wichtigen Signal“: Die bundesweiten Demos gegen rechts werden viel gelobt. Auch am Wochenende wollen Menschen auf die Straßen gehen.

Vertreter aus Politik und Gesellschaft haben die zahlreichen Demonstrationen gegen rechts in deutschen Städten begrüßt. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz sagte der „Westdeutschen Zeitung“: „Es wäre wünschenswert, wenn die schweigende Mehrheit unserer Bevölkerung klar gegen Extremismus und Antisemitismus Position beziehen würde.“ Erfreulicherweise demonstrierten aktuell viele Menschen dagegen.

Haldenwang warnte vor der Gefahr für die Demokratie in Deutschland durch verschiedene Entwicklungen. Alle demokratischen Parteien der Mitte hätten den Ernst der Lage mittlerweile erkannt, sagte der Verfassungsschützer. „Das sieht man auch daran, dass das Thema Umgang mit der AfD deutlich intensiver diskutiert wird als das noch vor einigen Monaten der Fall war.“ Inzwischen werde sogar ein AfD-Parteiverbot diskutiert.

Mit Blick auf das Potsdamer Treffen von Rechtsradikalen und die dort diskutierten Pläne einer „Remigration“ erklärte Haldenwang: „Extremisten meinen damit letztlich nichts anderes als die Forderung nach Ausweisungen von bestimmten Bevölkerungsgruppen.“ Dies sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und richte sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.

Bis zu 100.000 Menschen demonstrierten in Hamburg gegen Rechtsextremismus

Heil fordert mehr Unterstützung aus der Wirtschaft

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, bezeichnete die Demonstrationen als „wichtiges Signal“. „Ich bin wirklich erfreut, dass die Mitte der Gesellschaft aufsteht“, sagte Schuster der „Augsburger Allgemeinen“. „Ich habe immer das Gefühl gehabt, man sieht die Prognosen und Wahlergebnisse der AfD, aber das lockt niemanden hinter dem Ofen hervor“, sagte Schuster. Das habe ihm Sorgen gemacht. „Deshalb bin ich erfreut, wenn Leute jetzt auf die Straßen gehen und ihren Unmut zum Ausdruck bringen.“

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil forderte mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen mehr Unterstützung aus der Wirtschaft. „Ich bin über jeden Wirtschaftsvertreter froh, der sich wie etwa BDI-Präsident Rußwurm klar gegen die AfD und Nazis positioniert“, sagte Heil der „Rheinischen Post“. „Wir sind eine offene Gesellschaft, darauf gründet auch unser wirtschaftlicher Erfolg“, unterstrich der Minister. Die deutsche Volkswirtschaft sei international vernetzt. „Rassismus und Nationalismus können wir uns auch deshalb nicht leisten.“

Heil bezeichnete die AfD als „Standortrisiko“ und als Partei, „die nicht nur unsere Demokratie angreift, sondern unserem Land auch wirtschaftlich und sozial schadet“. Qualifizierte Fachkräfte, die Deutschland dringend brauche, würden nur dann kommen, wenn sie sicher sein könnten, dass sie nicht ausgegrenzt oder gar bedroht würden.

Menschen demonstrieren in Hamburg gegen Rechtsextremismus

19.01.2024

Faeser: Erinnerungen an Wannsee-Konferenz

Bereits gestern hatte Bundeskanzler Olaf Scholz den Demonstranten den Rücken gestärkt. In einer Videoansprache sagte er, alle Menschen in Deutschland seien gefordert, klar und deutlich Stellung für Toleranz, für Zusammenhalt und für die Demokratie zu beziehen. Die Vertrebungspläne Rechtsradikaler verglich er mit der Rassenideologie des Nationalsozialisten. „Wenn etwas in Deutschland nie wieder Platz haben darf, dann ist es die völkische Rassenideologie der Nationalsozialisten.“

Ähnliche Assoziationen äußerte auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser „Das weckt unwillkürlich Erinnerungen an die furchtbare Wannsee-Konferenz“, sagte die SPD-Politikerin der Funke Mediengruppe. Sie wolle beides nicht miteinander gleichsetzen. „Aber was hinter harmlos klingenden Begriffen wie ‚Remigration‘ versteckt wird, ist die Vorstellung, Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft oder ihrer politischen Haltung massenhaft zu vertreiben und zu deportieren.“

Ein AfD-Verbotsverfahren sieht Faeser skeptisch. „Unsere Verfassung sieht dieses schärfste Instrument der wehrhaften Demokratie zurecht als Ultima Ratio vor.“ Es gebe sehr hohe Hürden. Bei entsprechender Sachlage könne dies niemand ausschließen. In der politischen Auseinandersetzung sei dies jedoch kein Mittel. „Wenn sich Menschen einer solchen Partei zuwenden, müssen wir dafür werben, dass diese Menschen zu den demokratischen Parteien zurückkommen.“

Die Villa, in der vor 80 Jahren die Wannseekonferenz stattfand.

Viele Demos am Wochenende

Bundesweit waren in den vergangenen Tagen Zehntausende Menschen gegen Rechtsextremismus und Rassismus auf die Straßen gegangen. Eine der größten Demonstrationen fand am Freitag in Hamburg statt. Sie musste abgebrochen werden, weil viel mehr Menschen gekommen waren, als erwartet. Die Polizei sprach von 50.000 Teilnehmern, die Veranstalter von 80.000. SPD-Politiker Kazim Abaci vom Verein Unternehmer ohne Grenzen, der die Demo ebenfalls mitorganisiert hatte, sprach sogar von 130.000 Demonstrierenden. Angemeldet waren hingegen lediglich 10.000 Teilnehmer.

Sendungsbild | ARD-aktuell

Bundesweit demonstrieren Zehntausende gegen Rechtsextremismus

In Münster waren am Freitag 20.000 Menschen einem Demo-Aufruf gefolgt, in Bochum waren mehr als 10.000 Menschen auf der Straße.

Auch am Wochenende sind in vielen Städten Demonstrationen angemeldet, zu denen zahlreiche Menschen erwartet werden. In Frankfurt am Main werden bis zu 30.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet. Auch in Kassel, Gießen, Limburg und in weiteren hessischen Städten wollen Menschen gegen rechts auf die Straße gehen.

Auch bei einer Kundgebung in Hannover am Samstag gehen die Veranstalter von deutlich mehr als 10.000 Teilnehmern aus. Weitere größere Demos sind unter anderem in Dortmund, Erfurt und Heidelberg geplant. In Karlsruhe soll ein Demonstrationszug am Bundesverfassungsgericht vorbeiführen. Am Sonntag werden allein in München 10.000 bis 20.000 Teilnehmer bei einer Demo gegen rechts erwartet.