Die Corona-Trends des TagesDeutschland droht der Mega-Lockdown: Vier Länder zeigen, was er bringt

15. Januar 2021 Aus Von mvp-web

Angesichts weiterhin hoher Infektionszahlen und großer Sorge wegen der aufgetauchten Coronavirus-Mutationen hat die Diskussion über zeitnahe Verschärfungen des Lockdowns gewaltig an Fahrt aufgenommen. Im Gespräch soll ein „Knallhart-Lockdown“ sein, der mindestens den gesamten Februar andauern soll. Bislang sind keine Details bekannt, folgende Themen scheinen jedoch zur Diskussion zu stehen:

  • verschärfte Ausgangssperre auch tagsüber; das eigene Heim soll nur noch aus triftigem Grund verlassen werden dürfen
  • eine Homeoffice-Pflicht
  • die Ausweitung der FFP2-Maskenpflicht auf die gesamte Bundesrepublik
  • die weitere Reduzierung auf einen festen „Lockdown-Freund“ (statt bisher ein Kontakt, der auch wechseln kann)
  • die Schließung von Betrieben
  • die Einschränkung oder gar Stilllegung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs (Vorschlag von Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer; Regierungssprecher Seibert wies derartige Überlegungen bereits zurück)

 

Weil das Infektionsgeschehen nicht zurückgeht, soll die Regierung eine weitere Verschärfung der Corona-Maßnahmen in Erwägung ziehen.

Our World in Data Weil das Infektionsgeschehen nicht zurückgeht, soll die Regierung eine weitere Verschärfung der Corona-Maßnahmen in Erwägung ziehen.
Kanzleramt und Entscheidungsträger hoffen, mit den verschärften Maßnahmen das Infektionsgeschehen endlich in den Griff zu bekommen. Bislang waren die Zahlen trotz Lockdown light und anschließendem harten Lockdown weiter gestiegen. Vor allem die Anzahl der Todesfälle unter den Infizierten ist erschreckend.Doch nach den misslungenen bisherigen Lockdowns während der zweiten Welle, unzähligen Existenzen, die von den Einschränkungen bedroht sind und einer Lockdown-Müdigkeit, die sich bereits seit längerem in der Bevölkerung ausbreitet, stellt sich die Frage: Können diese Verschärfungen den erhofften Rückgang des Infektionsgeschehens wirklich einläuten? Ein Blick auf andere EU-Länder zeigt: vielleicht.

1. Frankreich

Den wohl härtesten Lockdown Europas verhängte Ende Oktober Frankreich. Bürger durften sich in einem extrem eingeschränkten Radius von einem Kilometer um ihren Wohnort nur noch maximal eine Stunde pro Tag im Freien aufhalten. Zur Kontrolle mussten sie ein Dokument bei sich führen, das ihre Beweggründe darlegte.

Der Lockdown zeigte allerdings Erfolg: Zählte Frankreich Anfang November noch bis zu 861 tägliche Neuinfektionen pro einer Million Einwohner im Sieben-Tage-Schnitt, sank dieser Schnitt bis Anfang Dezember auf weniger als ein Fünftel (160 Fälle pro einer Million Einwohner).

In Frankreich sanken die Zahlen während des Lockdowns stark, stagnieren seitdem aber auf einem hohen Niveau.

Our World in Data In Frankreich sanken die Zahlen während des Lockdowns stark, stagnieren seitdem aber auf einem hohen Niveau.

Dieser Wert entspricht allerdings weiterhin zwischen 10- und 20.000 Neuinfektionen pro Tag. Ziel der Regierung war es, die täglichen Neuinfektionen auf weniger als 5000 zu bringen.

Der Vorsitzende des wissenschaftlichen Corona-Beirats der Regierung, Jean-François Delfraissy, sprach daher zuletzt von einer „paradoxen“ Situation: Einerseits stehe Frankreich im Vergleich zu einigen Nachbarländern nicht schlecht da – andererseits nähmen die Infektionszahlen seit Dezember wieder zu. Zudem sei mehr als jedes zweite Bett auf den Intensivstationen mit Corona-Patienten belegt. Den Franzosen droht daher aktuell eine erneute Verschärfung der Corona-Maßnahmen.

Frankreich zählt fast drei Millionen Infektionen mit Sars-CoV-2 und verzeichnet die drittmeisten Todesopfer in Europa.

Our World in Data Frankreich zählt fast drei Millionen Infektionen mit Sars-CoV-2 und verzeichnet die drittmeisten Todesopfer in Europa.

2. Griechenland

Griechenland war eines der Länder, die relativ glimpflich durch die erste Corona-Welle gekommen waren. Im Oktober begannen allerdings auch dort die Zahlen allmählich zu steigen. Ab November verhängte die Regierung daher strikte Einschränkungen, darunter eine nächtliche Ausgangssperre. Auch tagsüber durften die Bürger ihre Häuser nur mit einem triftigen Grund verlassen. Das mussten sie offiziellen Stellen zudem per SMS ankündigen.

Griechenland überstand die erste Welle beinahe Virus-frei.

Our World in Data Griechenland überstand die erste Welle beinahe Virus-frei.

Seinen Höhepunkt erreichte das griechische Infektionsgeschehen somit Mitte November, als es etwa 256 tägliche Neuinfektionen pro einer Million Einwohner im 7-Tage-Schnitt zählte. Kurze Zeit nach dem Inkrafttreten der strengen Maßnahmen sanken die Zahlen auf bis zu 63 durchschnittliche Neuinfektionen pro einer Million Einwohner Ende Dezember und gar 54 Anfang Januar.

Nichtsdestotrotz hat die griechische Regierung den Corona-Lockdown jüngst erneut verlängert. Er gilt nun bis zum 18. Januar, wie Zivilschutzminister Nikos Hardalias mitteilte. Geschäfte bleiben damit weiter geschlossen. Kindergärten und Grundschulen, die seit Mitte November geschlossen sind, sollen dagegen wieder öffnen. Auch Gerichte sollen die Arbeit wieder aufnehmen.

Seit Beginn der Pandemie wurden in dem Land mehr als 5000 Todesfälle in Zusammenhang mit dem Virus registriert, mehr als 4000 davon in den vergangenen zwei Monaten.

Griechenland überstand die erste Welle beinahe Virus-frei.

Our World in Data Griechenland überstand die erste Welle beinahe Virus-frei.

3. Österreich

Nach einem nicht sehr erfolgreichen Teil-Lockdown startete Österreich am 17. November in einen zweiten harten Lockdown. Bis 6. Dezember durfte das Haus nur aus „triftigen Gründen“ verlassen werden, nicht-lebenswichtige Geschäfte mussten schließen und Schulen und Kindergärten blieben größtenteils geschlossen.

Österreich verzeichnete Mitte November kurzzeitig die höchsten Infektionszahlen Europas.

Our World in Data Österreich verzeichnete Mitte November kurzzeitig die höchsten Infektionszahlen Europas.

Und der Lockdown schien zu wirken: Ab Mitte November bewegte sich die Infektionskurve steil bergab. Von durchschnittlich knapp 829 Neuinfektionen pro einer Million Einwohner am 13. November auf bis zu 206 Ende Dezember. Allerdings entspricht auch diese Zahl weiterhin um 2000 Neuinfektionen täglich.

Aufgrund der weiterhin hohen Fallzahlen verlängerte Österreich den Lockdown jüngst bis zum 24. Januar.

In Österreich haben sich bisher knapp 400.000 Menschen mit Sars-CoV-2 infiziert, etwa 7000 sind gestorben.

Our World in Data In Österreich haben sich bisher knapp 400.000 Menschen mit Sars-CoV-2 infiziert, etwa 7000 sind gestorben.

4. Italien

Italien galt sowohl in der ersten als auch in der zweiten Welle als eines der am härtesten von der Pandemie betroffenen Länder Europas, wenn nicht gar weltweit. Mehr als 80.000 Menschen sind dort bereits im Zusammenhang mit Covid-19 verstorben, über 2,3 Millionen haben sich mit dem Virus infiziert.

Weil die Zahlen dort ab Oktober wieder sehr stark angestiegen waren, verhängte die Regierung einen zweiten Lockdown. Allerdings galten nicht alle Bedingungen für das gesamte Land, sondern nur in den besonders stark betroffenen Zonen. In diesen verordnete die Regierung eine strenge Ausgangssperre, das Haus durfte nur aus triftigen Gründen verlassen werden.

Doch auch dieser Sonder-Lockdown erwies sich als wirksam – zumindest vorerst. Von etwa 580 Fällen pro einer Million Einwohner Mitte November (der zweithöchste Wert in Europa zu diesem Zeitpunkt nach Österreich) sank die Infektionskurve auf 267 Infektionen pro einer Million Einwohner und weniger bis Mitte Dezember.

Italien zählt europaweit nach Großbritannien die zweitmeisten Covid-Todesopfer.

Our World in Data Italien zählt europaweit nach Großbritannien die zweitmeisten Covid-Todesopfer.

Dort verharrte das Infektionsgeschehen allerdings. Da dieser Wert weiterhin viel zu hoch war – er entsprach immer noch 15- bis 20.000 täglichen Neuinfektionen –  entschied sich die Regierung Ende Dezember für einen weiteren harten Lockdown, der diesmal landesweit gelten sollte. Dieser zeigte bislang keine Wirkung: Am 14. Januar zählte Italien weiterhin mehr als 17.000 Neuinfektionen mit Sars-CoV-2 aus den vergangenen 24 Stunden.

Fazit: Die harten Lockdowns konnten das Infektionsgeschehen in den jeweiligen Ländern drastisch reduzieren. Allerdings offenbar nur bis zu einem gewissen Grad – letztlich stagnierten die Zahlen in allen betroffenen Nationen weiterhin auf hohen Werten, so dass bis heute in keinem der Länder, die bereits im November einen harten Lockdown ausriefen, wieder wirkliche Normalität einkehren konnte.

Sämtliche harten Lockdowns erwiesen sich zunächst als sehr effektiv - doch ab einem bestimmten Punkt sanken die Zahlen nicht weiter.

Our World in Data Sämtliche harten Lockdowns erwiesen sich zunächst als sehr effektiv – doch ab einem bestimmten Punkt sanken die Zahlen nicht weiter.