Bundesrat billigt Cannabis-Gesetz – Nordländer sind skeptisch
23. März 2024Die Bundesländer haben am Freitag den Weg für die Teil-Legalisierung von Cannabis freigemacht. Der Bundesrat billigte das umstrittene Gesetz. Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern enthielten sich bei der Abstimmung.
Mit dem Gesetz der Ampel-Koalition werden der Konsum sowie der Besitz und Anbau der Droge in begrenzter Menge für Erwachsene erlaubt. Es kann nun wie geplant zum 1. April in Kraft treten. Mit der teilweisen Legalisierung will die Ampel-Koalition eine Wende in der Drogenpolitik einleiten.
In mehreren Bundesländern sowie von Ärzten, Juristen und der Polizei gibt es große Kritik an dem Vorhaben der Bundesregierung. Die Länder müssen die neuen Regeln umsetzen, ihre Einhaltung kontrollieren und eine Amnestie für Cannabis-Vergehen umsetzen, die nach neuem Recht nicht mehr strafbar sind. Erwachsene ab 18 Jahren dürfen künftig bis zu 25 Gramm Cannabis zum eigenen Verbrauch bei sich haben und zu Hause bis zu 50 Gramm aufbewahren. Im Eigenanbau werden drei Pflanzen erlaubt.
Öffentlicher Konsum wird beschränkt erlaubt
Vom kommenden Juli an sollen Cannabis-Clubs zum Anbau und begrenzten Erwerb der Droge erlaubt werden. Der öffentliche Konsum wird beschränkt erlaubt. In Sichtweite von Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Sportstätten ist er nicht erlaubt. In Fußgängerzonen darf ab 20 Uhr gekifft werden. Für Minderjährige bleibt Cannabis verboten.
Weil: Cannabis-Debatte nicht zu Ende
Im Norden gibt es überwiegend Bedenken zu dem Gesetz. Im rot-grün regierten Niedersachsen glaubt Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nicht an ein Ende der Debatte. „Ich bin ziemlich sicher, das Thema Cannabis wird uns eine ganze Weile beschäftigen“, sagte er. Die Bundesregierung sei sehr gut beraten, die vorangegangene Diskussion in der Öffentlichkeit sehr ernst zu nehmen und sich selbst zu fragen, an welchen Stellen ein solches Gesetz womöglich nachträglich noch einmal korrigiert werden müsse. Dennoch: „Wir sind ein Rechtsstaat und selbstverständlich werden wir das neue Recht auch umsetzen“, sagte der Ministerpräsident. Er betonte allerdings, dass die Umsetzung schwierig werden wird.
In Koalitionsregierungen gilt die Regel: Sind sich die Koalitionspartner nicht einig, muss sich das Land im Bundesrat enthalten. Mecklenburg-Vorpommern, das derzeit den Vorsitz im Bundesrat hat, Niedersachsen, Hamburg, Bremen und auch das schwarz-grün geführte Schleswig-Holstein taten genau das.
Hamburg: Tschentscher spricht von Fehler – Grüne zufrieden
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher verteidigte die Enthaltung der Hansestadt bei der Abstimmung mit Verweis auf den Koalitionsvertrag. Er halte die teilweise Freigabe des Konsums der Droge für Erwachsene nach wie vor für einen Fehler, sagte der SPD-Politiker. „Es wird große Anstrengungen von Bund und Ländern erfordern, die mit dem Gesetz verbundenen Fehlentscheidungen zu korrigieren.“ Die Regierungschefs seien der Auffassung gewesen, dass der Gesetzentwurf in den Vermittlungsausschuss hätte überwiesen werden sollen. „Sie wurden überwiegend von ihren Koalitionspartnern auf Grundlage der bestehenden Koalitionsverträge daran gehindert.“
Die Hamburger Grünen begrüßten die Entscheidung im Bundesrat. „Die Teil-Legalisierung von Cannabis kommt, und das ist eine gute Nachricht. Das ist der notwendige Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik“, sagte Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne). Aus den Reihen der Grünen verlautete aber auch, dass das Gesetz in der praktischen Umsetzung Probleme bereiten könne.
CDU-Fraktionschef Dennis Thering kritisierte das Gesetz hingegen scharf: „Kinder und Jugendliche werden damit großen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt und Justiz und Polizei zusätzlich belastet.“ Der Bürgermeister müsse Polizei und Justiz jetzt so aufstellen, dass sie den zusätzlichen Aufwand auch schultern können. Thomas Jungfer von der Deutschen Polizeigewerkschaft spricht von einem Irrweg, der mit komplizierten Regeln und hohem Kontrollaufwand in ein organisiertes Chaos führe. Hamburgs AfD fürchtet sogar einen wachsenden Schwarzmarkt und spricht von Kontrollverlust.
SH: Günther findet Entscheidung „betrüblich“
Auch der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther hätte sich gewünscht, dass das Gesetz noch in den Vermittlungsausschuss muss. „Ich halte vieles in diesem Gesetz auch für schlicht falsch“, sagte der CDU-Politiker. Er sehe einen erheblichen Aufwand auf die Justizbehörden zukommen und für die Polizei vieles ungeklärt. „Aber am Ende gab es hierfür keine Mehrheit. Auch bei uns innerhalb der Koalition hat die grüne Seite diese Probleme nicht in der Dramatik gesehen, wie wir als Union sie gesehen haben.“ Er finde es „betrüblich“, dass es nicht gelungen sei, wesentliche Elemente zu korrigieren.
MV: Schwesig und Pegel skeptisch
MV-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) erklärte, das Land sehe es kritisch, dass große Cannabis-Plantagen entstehen könnten. Der Bund habe aber verbindlich zugesagt, dass das Gesetz an dieser Stelle verändert werde, sagte sie mit Blick auf eine Protokollerklärung der Regierung.
Auch Innenminister Christian Pegel (ebenfalls SPD) sieht das neue Gesetz mit gemischten Gefühlen. Es sei eine deutliche Veränderung in der Drogenpolitik. Die Bundesregierung habe sich zwar in den vergangenen Tagen bemüht, den Bedenken der Länder an wichtigen Stellen entgegenzukommen, trotzdem gebe es ein Vielzahl von Regeln, die durch die Polizei und andere Behörden kontrolliert werden müssten. „Ich glaube nicht, dass wir am Ende weniger Arbeit haben als bislang“, so der Minister im Gespräch mit dem NDR.
Justizministerin Jacqueline Bernhardt (Linke) hatte wegen der Auswirkungen auf die Justiz Bedenken angemeldet und auf eine praktikable Lösung des Bundes gedrängt. „In der Justiz weiß man, welche umfangreichen Aufgaben jetzt auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zukommen. Es ist richtig, dass das viel Zeit in Anspruch nehmen wird und es ist wichtig, dass die Kolleginnen und Kollegen für Zeitverzögerungen nicht rechtlich belangt werden dürfen.“
Lauterbach: Cannabis-Politik der vergangenen Jahre ist gescheitert
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach bezeichnete den Beschluss zur Teil-Legalisierung von Cannabis hingegen als richtungsweisend. „Die Cannabis-Politik der letzten zehn Jahre ist gescheitert“, sagte der SPD-Politiker. Lauterbach führte eine Verdoppelung des Konsums bei Kindern und Jugendlichen an, eine Verdopplung der Zahl der Drogentoten. Zudem werde der Schwarzmarkt immer größer.
Lauterbach rechnet damit, dass der Schwarzmarkt zu 75 Prozent zurückgedrängt werden kann. Zu Warnungen aus Sachsen und Bayern, mit der Legalisierung werde die Büchse der Pandora geöffnet, sagte der Minister: „Die Büchse der Pandora ist weit offen, und mit dieser Maßnahme heute, dass wir den Schwarzmarkt bekämpfen, versuchen wir, die Büchse der Pandora zu schließen.“
Bund sichert nachträgliche Änderungen bis 1. Juli zu
Drei Ausschüsse der Länderkammer hatten im Vorfeld die Anrufung des Vermittlungsausschusses empfohlen. Der federführende Gesundheitsausschuss schlug vor, das Inkrafttreten auf den 1. Oktober zu verschieben. Die Bundesregierung hatte Kritikpunkte aufgenommen, um ein Vermittlungsverfahren abzuwenden. In der Protokollerklärung sicherte sie mehr Unterstützung bei Aufklärung und Vorbeugung vor allem für Kinder und Jugendliche sowie flexiblere Umsetzungsregeln zu. Dafür sollen nun noch vor dem 1. Juli einige nachträgliche Änderungen am Gesetz umgesetzt werden.
Gesetz war nicht zustimmungsbedürftig
Das vom Bundestag beschlossene Gesetz war im Bundesrat nicht zustimmungsbedürftig, die Länderkammer hätte es aber in den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Parlament schicken und damit vorerst abbremsen können. Dafür wären mindestens 35 der insgesamt 69 Stimmen nötig gewesen.