Helferzellen attackieren VirusT-Zellen-Reaktion: Forscher setzen auf neue Strategie gegen Sars-CoV-2

23. Mai 2020 Aus Von mvp-web

Amerikanische und deutsche Wissenschaftler kamen unabhängig voneinander zu Erkenntnissen, die den Weg für eine neue Impfstoff-Strategie gegen Sars-CoV-2 ebnen könnten: Bereits vorhandene T-Zellen, die nie mit dem Virus in Berührungen gekommen sind, können es erkennen und attackieren – “ermutigend”, sagen Kollegen.

Nur ein Impfstoff, da sind sich die Experten einig, kann die aktuelle Corona-Pandemie beenden, was die Rückkehr zu einem normalen Leben erlaubt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO zählt derzeit 118 Impfstoffprojekte, 13 weitere, die noch nicht registriert wurden, kommen dazu. Sie zielen hauptsächlich darauf ab, im Immunsystem die Bildung von Antikörpern anzuregen, die sich an bestimmte Strukturen des Virus heften und so verhindern, dass es in Körperzellen eindringen kann. Die Antikörper werden von den sogenannten B-Zellen produziert, die ein wichtiger Bestandteil des Immunsystems sind.

Studien zeigen vielversprechende Impfstrategie

Jetzt stellen zwei Studien eine neue Impfstrategie in Aussicht, die das Coronavirus (Sars-CoV-2) deutlich effektiver bekämpfen könnte als die bisher verfolgten Projekte. Sie beruht auf T-Zellen, die eine weitere scharfe Waffe der Immunabwehr gegen Krankheitserreger darstellen. Bislang war unklar, ob, und wenn ja, wie sie bei infizierten Menschen auf das Virus reagieren. Beide Untersuchungen zeigen nun, dass T-Zellen den Eindringling durchaus attackieren.

Dabei bekämpfen sie die Infektion auf zwei Wegen: T-Helferzellen können im Körper vorhandene Erreger erkennen. Dann schütten sie Botenstoffe (Zytokine) aus, die weitere Komponenten des Immunsystems aktivieren. Dazu zählen die T-Killerzellen, die vom Virus befallene Körperzellen angreifen und zerstören. Im Fall der von Sars-CoV-2 verursachten Lungenkrankheit Covid-19 hängt der Verlauf unter anderem von der Stärke dieser Immunantwort ab.

T-Helferzellen erkennen Stachelprotein von Sars-CoV-2

In einer der Studien – sie erschien im Fachjournal „Cell“ – untersuchten Forscher um die Infektiologen Alessandro Sette und Shane Crotty vom kalifornischen La Jolla Institute for Immunology, welche Bestandteile (Proteine) des Virus die stärkste Reaktion der T-Zellen auslösen. Dazu setzten sie Immunzellen, die sie von 20 genesenen Covid-19-Patienten gewannen, Fragmenten von Virusproteinen aus. „Wir wählten speziell Patienten mit einem milden Krankheitsverlauf aus, um zu sehen, wie eine normale Immunantwort aussieht“, erklärt Studenmitautor Sette, „denn das Virus kann bei manchen Menschen sehr ungewöhnliche Dinge tun.“

Ob gegen Corona oder Influenza: So schützen Sie sich vor Viren

Wer sich vor dem Coronavirus, aber auch anderen Infektionen der Atemwege schützen will, sollte allgemeine Hygieneregeln einhalten. Diese sind bei allen Atemwegsinfekten gleich.

  • Häufig Händewaschen mit Wasser und Seife. Antimikrobielle Zusätze sind in der Regel nicht notwendig. Auch die Temperatur des Wassers spielt keine Rolle.
  • Mindestens 20 Sekunden Händewaschen.
  • Nach dem Waschen die Hände gründlich abtrocknen.
  • Abstand halten zu Menschen, die niesen oder husten und selbst Einwegtaschentücher benutzen. Nach dem Husten, Niesen und Naseputzen sollte man sich zudem möglichst umgehend die Hände waschen.

Wie sich zeigte, besaßen alle Patienten T-Helferzellen, die das sogenannte Stachelprotein von Sars-CoV-2 erkennen. Mit diesem Eiweißstoff dockt der Erreger an Biomoleküle (Rezeptoren) an, die auf den Oberflächen von Körperzellen sitzen. Andere T-Helferzellen sprachen auf weitere Virusproteine an. Außerdem fanden sich bei 70 Prozent der Probanden T-Killerzellen, die für den Erreger „scharf gestellt“ sind und ihn attackieren. „Es wäre besorgniserregend, wenn wir nur eine marginale Reaktion hätten“, konstatiert Studienmitautor Sette. „Doch wir sehen eine sehr robuste T-Zell-Reaktion auf das Stachelprotein, das für die meisten Impfstoffprojekte das Zielmolekül ist, und ebenso auf andere Proteine. Das ist eine sehr gute Nachricht für die Entwicklung einer Impfung“.

Auch T-Zellen aus Blutproben vor der Pandemie reagierten auf das Virus

Die La-Jolla-Forscher machten noch eine überraschende Entdeckung: Sie untersuchten, wie T-Zellen aus Blutproben, die zwischen 2015 und 2018 genommen wurden – also vor der aktuellen Seuche – auf Sars-CoV-2 reagieren. Es stellte sich heraus, dass viele der Abwehrzellen den Erreger attackieren, obwohl sie ihm nie ausgesetzt waren. Es könnte sein, dass die betroffenen Personen an einer Erkältung gelitten haben, die von anderen, weniger aggressiven Coronaviren verursacht wurde, schlussfolgern die Studienautoren.

Zwar sei unklar, ob die beobachtete Kreuzreaktion einen Immunschutz bringe, doch sie könnte erklären, warum Covid-19 manche Menschen härter trifft als andere. „Jeder Grad einer Immunisierung durch eine von anderen Coronaviren ausgelösten Kreuzreaktion kann den globalen Seuchenzug substanziell verändern“, betont Settes Kollege Crotty. „Das können die Epidemiologen nun bei ihren Prognosen für den weiteren Verlauf der Pandemie berücksichtigen.“

Berliner Studie stellt ebenfalls Aktivität von T-Helferzellen fest

Die zweite Studie, verfasst von einer Gruppe um den Immunologen Andreas Thiel von der Berliner Charité, kommt zu einem ähnlichen Resultat. Die Forscher fanden in 15 von 18 hospitalisierten Covid-19-Patienten ebenfalls T-Helferzellen, die auf das Stachelprotein des Virus reagierten. Darüber hinaus analysierten sie das Blut von 68 nicht infizierten Probanden. In 34 Prozent der Proben fanden sie T-Helferzellen, die Sars-CoV-2 erkennen.

„Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein großer Teil der Bevölkerung durch Kontakt mit Erkältungsviren eine geringe Immunität besitzt und deshalb mit dem Covid-19-Erreger zurecht kommt“, vermutet der Immunologe Steven Varga von der University of Iowa, der nicht an den Studien beteiligt war, im Wissenschaftsjournal „Science“. „Allerdings zeigt keine der Studien, dass Patienten mit einer Kreuzreaktion nicht an Covid-19 erkranken.“

Focus Online: Samstag, 23.05.2020, 18:07