Besondere Corona-Strategien – Schon seit Monaten da, wo Merkel hinwill: Wie 2 Städte die magische 50 knackten
28. Januar 202150 – das ist die magische Sieben-Tage-Inzidenz, die sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt hat. Trotz fallender Infektionszahlen hat Deutschland aktuell noch einen etwa doppelt so hohen Durchschnittswert von 107,6 (Stand 27. Januar 2020). Doch nicht überall: Einige Städte haben die magische Grenze schon erreicht – mit besonderen Strategien.
Geschlossene Läden, Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren – die Krise verlangt den Menschen in Deutschland aktuell vieles ab. Bis mindestens 14. Februar bleiben die aktuellen Maßnahmen in Kraft. Trotzdem ist eine wirkliche Lockerung aktuell nicht in Sicht – vor allem im Angesicht der drohenden gefährlichen Mutationen, die nun auch in Deutschland festgestellt wurden.
Das erklärte Ziel der Bundesregierung ist somit seit langem: Eine Inzidenz von unter 50 in Deutschland zu erreichen. Doch auf der tiefroten Corona-Karte gibt einige helle Punkte, die uns Hoffnung machen. Darunter unter anderem Münster, Emden, Oldenburg oder Rostock. Wie haben die Städte es geschafft ihre Infektionen so gering zu halten? FOCUS Online hat sich die Maßnahmen von Tübingen und Münster genauer angeschaut.
Solidarität in Münster
35,8 (Stand: 27. Januar 2020) – von der Inzidenz, die in Münster schon fast zum „Alltag“ geworden ist, können andere Städte nur träumen.
Der Münsteraner Krisenstabschef Wolfgang Heuer (SPD) blickt voller Stolz auf seine Mitbürger, die auffallend diszipliniert seien und sich an die Schutzregeln wie Abstand halten oder Maskentragen halten würden. „Dieses solidarische Handeln hat vielleicht auch mit der hohen Identifikation der Münsteraner mit ihrer Stadt zu tun“, sagt der Heuer im Gespräch mit FOCUS Online. „Schon bei anderen Krisenlagen in den vergangenen Jahren hat sich ein großes Solidaritätsgefühl gezeigt. Diese Grundhaltung erleichtert es jetzt, durch die aktuelle Krise zu kommen.“ 2018 waren im Zentrum der westfälischen Stadt vier Menschen bei einer Amokfahrt ums Leben gekommen. Schon damals gab es eine Welle der Solidarität.
Corona-Situation war nie außer Kontrolle
Die Maßnahmen sind jedoch nicht nur auf das Gemeinschaftsgefühl zurückzuführen, sondern vielfältig. Diese werden von einem Krisenstab, in dem unter anderem Ärzte, das Gesundheitsamt, Pflegeeinrichtungen oder auch Hilfsorganisationen vertreten sind, immer wieder überprüft.
Münster war die erste Großstadt in Nordrhein-Westfalen, die in im April 2020 eine Maskenpflicht einführte. Zusätzlich zu den normalen Informationskanälen hängte die Stadt auch lokale Anti-Corona-Plakate auf, um die Bürger zu informieren. Zudem gab es spezielle Schulungen für viele neue Mitarbeiter für das Gesundheitsamt und speziell für die Kontaktnachverfolgung. „Das hat dafür gesorgt, dass in Münster Infektionsketten auch bei höheren Inzidenzwerten nachverfolgt werden konnten und können“, sagt Heuer. „Diese Situation ist nie außer Kontrolle geraten.“
Doch vor voreiligem Jubel warnt der Heuer: „Die Lage kann sich jederzeit und gegriffenen falls auch kurzfristig wieder verschlechtern.“
Schnelltests in Tübingen
Obwohl der Landkreis Tübingen aktuell eine Inzidenz knapp über 50 hat (51, Stand: 26. Januar 2020), lag der Wert in den vergangenen Wochen bereits deutlich unter der magischen Grenze. Eine besondere Maßnahmen, die die Stadt ergriffen hat – und die sich im Kampf gegen Corona als sehr erfolgreich erweist –, sind Schnelltests.
Eine, die seit Beginn dafür kämpft, ist die Tübinger leitende Notärztin Lisa Federle. Ihr geht es vor allem um den Schutz der Senioren – und die Verhinderung von weiteren Todesfällen. Der Start der Impfungen war für sie kein Grund aufzuatmen: „Impfzentren allein retten keine Leben“, sagt Federle zu FOCUS Online, „dafür brauchen wir eine ganzheitliche Strategie.“
Testaktionen mit dem Arztmobil
Für die Testaktion kommt Federle an drei Tagen in der Woche mit einem Arztmobil in die Tübinger Innenstadt und an einem Tag nach Rottenburg. „Im Schnitt testen wir rund 100 Menschen pro Tag. Um Weihnachten herum waren es bis zu 1000“, erzählt die Ärztin.
Im Unterschied zu den PCR-Tests, deren Auswertung mehrere Stunden und sogar Tage dauert, ist das Ergebnis der Schnelltests innerhalb weniger Minuten da – ein hundertprozentiger Schutz bietet das Verfahren nicht und die AHA-Maßnahmen werden trotzdem empfohlen. 4,65 Euro netto zahlt das DRK laut Federle pro Schnelltest. Angesichts der enormen Coronahilfen, die aufgrund des Lockdowns anfallen, eine geringe Summe.
Unterstützung bekommt Federle vom Tübinger Uniklinikumsvorstand Michael Bamberg, dem Tübinger Landrat Joachim Walter und Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). Palmer kritisierte Bund und Länder dafür, viel zu spät Tests in Altenheimen verpflichtend angeordnet zu haben. In Tübingen seien durch regelmäßiges Testen seit September Ausbrüche verhindert oder eingegrenzt worden, sagte er der „Südwest Presse“.
Das bestätigt auch Federle. Rund zwei bis vier Prozent der Tests im Arztmobil fallen ihrer Schätzung nach positiv aus – vor allem die von symptomfreien Personen. „Wir müssen die Todesrate senken und Intensivstationen freihalten“, sagt die Ärztin. „Jeder Mensch hat ein Recht darauf, dass sein Leben weitmöglichst geschützt wird.“
In Tübingen und Münster gelingt das schon sehr gut.