Debatte über Lockerungen Hoffen auf Ostern
7. Februar 2021Stand: 07.02.2021 13:21 Uhr
Die Zahl der Neuinfektionen sinkt weiter – wenn auch nur leicht. Während Wirtschaftsminister Altmaier vor einem vorschnellen Ende des Lockdowns warnt, wird in der Debatte über mögliche Öffnungen über die Reihenfolge gestritten.
Vor den Beratungen von Bund und Ländern am Mittwoch sind keine großen Lockerungen der Corona-Regeln in Sicht. Mehrere Politiker mahnten angesichts der Ausbreitung von Mutationen des Coronavirus noch einmal zu größter Vorsicht.
Altmaier für ein regionales Vorgehen
„Wir dürfen uns nicht öffentlich mit Lockerungs-Fahrplänen überbieten“, sagte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) der „Bild am Sonntag“. Die Zahl der Neuinfektionen sei derzeit kaum niedriger als Ende Oktober, als der Lockdown begann. Altmaier versuchte dennoch, Hoffnungen zu machen: „Ich hoffe sehr, dass wir spätestens zum Frühlingsanfang, spätestens an Ostern, wenn die Sonne scheint und man draußen sitzen und speisen kann, die Pandemie-Welle endgültig gebrochen haben und Öffnungen möglich sind.“ Er plädierte für ein regionales Vorgehen, je nach Höhe der regionalen Infektionszahlen.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hatte zuvor ebenfalls davor gewarnt, vorschnell Termine für ein Lockdown-Ende oder erste Öffnungsschritte festzulegen. „Die Infektionszahlen sinken weiter, und ich hoffe sehr, dass sich dieser Trend fortsetzen wird. Dennoch bleibt da momentan eine große Unsicherheit“, sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz der Nachrichtenagentur dpa.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hält eine vorsichtige Lockerung der Kontaktbeschränkungen für vertretbar. „Sobald es das Infektionsgeschehen zulässt, sollen zunächst die Kindergärten öffnen und die Grundschulkinder wieder in die Schulen gehen können. So werden wir es in Sachsen organisieren und so halte ich es auch für ganz Deutschland für richtig“, sagte Kretschmer der „Leipziger Volkszeitung“. „Ich teile nicht die Meinung, dass wir überhaupt nichts lockern können“, ergänzte der CDU-Politiker. Er halte Öffnungen durchaus für „verantwortbar, wenn die Schritte überschaubar sind“.
Weiterhin sinkende Sieben-Tage-Inzidenzen
Die deutschen Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 8616 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages. Außerdem wurden 231 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet. Vor genau einer Woche hatte das RKI 11.192 Neuinfektionen und 399 neue Todesfälle binnen 24 Stunden verzeichnet. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI bei 75,6. Die meisten Bundesländer verzeichnen laut RKI weiterhin sinkende Sieben-Tages-Inzidenzen.
Ziel von Bund und Ländern ist, mindestens eine bundesweite Inzidenz von 50 zu erreichen, um eine Kontaktverfolgung durch die Gesundheitsämter zu ermöglichen. Allerdings versicherten nun mehrere Bürgermeister deutscher Großstädte, dass ihre Ämter sehr wohl in der Lage seien, auch bei Inzidenzwerten von über 50 Kontakte nachzuverfolgen. In Köln etwa seien die Behörden trotz Werten von über 50 seit Monaten in der Lage, sowohl die positiv Getesteten als auch die Kontaktpersonen „innerhalb von 24 Stunden zu kontaktieren und Quarantäneanordnungen zu verhängen“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) der „Welt am Sonntag“.
Auch Bremens Stadtoberhaupt Andreas Bovenschulte (SPD) sagte der Zeitung, in seiner Stadt, wo die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen zurzeit bei 71,2 liegt, könnten alle Kontakte nachverfolgt werden. Ähnliche Angaben machten laut „Welt am Sonntag“ Rathäuser in München, Leipzig und Düsseldorf.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, verwies gegenüber der Zeitung auf die schnelle Einführung von IT-Lösungen in Großstädten: „Die dortigen Lösungen laufen rund und befähigen die Gesundheitsämter dieser Städte schon jetzt, auch bei einer Inzidenz weit über 50 die Kontaktnachverfolgung zu gewährleisten. Das wird nur in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.“ Allerdings können laut Dedy bundesweit nicht alle Ämter bei hohen Inzidenzen so umfassend agieren.
Bildungsministerin Karliczek vorsichtig
Intensiv wird bereits darüber diskutiert, wie und in welchen Bereichen Lockerungen umgesetzt werden könnten. Politiker hatten dabei zuletzt vor allem Schulen und Kitas in den Blick genommen.
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hält eine Öffnung von Schulen allerdings vorerst nur in Ausnahmefällen für möglich. Eine flächendeckende Rückkehr zum Präsenzunterricht „dürfte momentan wegen der allgemeinen Infektionslage vermutlich noch verfrüht sein“, sagte die CDU-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Vielleicht kann mit großer Vorsicht ein erster Schritt gegangen werden.“
Für Kitas und Schulen sind die Bundesländer selbst zuständig. Ein deutschlandweit einheitliches Vorgehen ist wegen der unterschiedlichen Interessen in den Ländern kaum durchsetzbar. Doch mehrere Verbände und Gewerkschaften drängen Bund und Länder, bei ihren Beratungen einen einheitlichen Stufenplan mit verbindlichen Kriterien für Schulöffnungen zu verabschieden. Die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Susanne Lin-Klitzing, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), es brauche bundesweit einheitliche Kriterien für stufenweise Schulöffnungen.
Einheitlicher Plan, flexibles Handeln?
Auch die Chefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe, forderte einen einheitlichen Stufenplan. „Mit diesem hätten Länder, Kreise und Städte dann mit Blick auf das Infektionsgeschehen vor Ort die Möglichkeit, flexibel zu agieren. Das föderale Durcheinander muss endlich beendet werden.“
Nicht nur für die Schulen, auch für bundesweite Öffnungen insgesamt wird ein Stufenplan gefordert. Niedersachsen hatte entsprechende Pläne bereits vorgestellt. Ministerpräsident Stephan Weil kritisierte allerdings, dass die Bundesregierung selbst noch keinen Vorschlag für den Weg aus der Corona-Krise vorgelegt habe.