Zehn Jahre LebenszeitverlustObduktionen zeigen: Wer Corona nicht überlebt, stirbt an und nicht mit Covid-19

Zehn Jahre LebenszeitverlustObduktionen zeigen: Wer Corona nicht überlebt, stirbt an und nicht mit Covid-19

16. Februar 2021 Aus Von mvp-web

16:19:03
Die bisher knapp 65.000 Corona-Toten in Deutschland waren überwiegend alt und hatten Vorerkrankungen. Dennoch könnten viele noch leben, hätten sie sich nicht infiziert. Obduktionen zeigen, dass bei 85 Prozent Covid-19 die Todesursache war.

Bis zum 15. Februar sind knapp 65.000 Menschen in Deutschland an und mit Covid-19 gestorben. „An und mit“ ist die Formulierung des Robert-Koch-Instituts. Bei der Zählung der Todesfälle gibt es nämlich keinen Unterschied, ob sich ein Sterbenskranker in seinen letzten Tagen zusätzlich mit Sars-CoV-2-infiziert hat, oder ob ein zuvor Gesunder eine todbringende Covid-Lunge entwickelt.

In die Statistik gehen sowohl Menschen ein, die unmittelbar an der Erkrankung verstorben sind, als auch solche mit anderen Vorerkrankungen, bei denen sich nicht abschließend nachweisen lässt, was die Todesursache war. In den allermeisten Fällen ist das „an oder mit“ auch nicht so einfach auseinander zu halten.

Sterben mit oder an Covid-19? Die meisten Opfer hatten auch gravierende Vorerkrankungen

Schon mit 50 Jahren hat jeder Zweite eine chronische Krankheit, bei den über 60-Jährigen sind es zwei Drittel, sagen die Daten der deutschen Krankenkassen. Die Menschen, die besonders oft an Covid-19 sterben, sind überwiegend jenseits der 80. In diesem Alter haben die allermeisten eine oder mehrere Vorerkrankungen, von hohem Blutdruck bis Herzinsuffizienz, von Arteriosklerose bis Diabetes. Bei guter medizinischer Versorgung kann man damit sehr alt werden. Aber jedes der chronischen Gesundheitsprobleme kann auch tödlich enden.

Das verleitete im Frühjahr 2020 den Hamburger Pathologen Klaus Püschel zu der Aussage, dass die meisten Verstorbenen auch ohne Corona zeitnah gestorben wären. Der inzwischen pensionierte Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf hatte zwölf der ersten norddeutschen Covid-19-Verstorbenen obduziert.

Er sagte im April in der „Hamburger Morgenpost“: „Alle, die wir bisher untersucht haben, hatten Krebs, eine chronische Lungenerkrankung, waren starke Raucher oder schwer fettleibig, litten an Diabetes oder hatten eine Herz-Kreislauf-Erkrankung.“ Das Virus sei sozusagen der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Im Gespräch mit FOCUS Online im Mai sagte er, dass „auch wenn es hart klingt, viele im Verlauf dieses Jahres ohnehin gestorben wären“.

Nur wenige Covid-19-Tote wären auch ohne Infektion bald gestorben

Diese Einschätzung ist inzwischen durch mehrere Studien widerlegt. Im Sommer 2020 hatte eine gemeinsame Studie der deutschen Pathologenverbände gezeigt, dass bei 86 Prozent von 154 obduzierten Verstorbenen eindeutig Covid-19 die Todesursache war. Nur in einem Siebtel dieser Toten fanden die Pathologen keine charakteristischen Organschäden.

Jüngst haben Pathologen aus Kiel mitgeteilt, dass die meisten von ihnen obduzierten Menschen, die sich vor ihrem Tod mit dem Coronavirus infiziert hatten, an Covid-19 gestorben sind und nicht an Begleiterkrankungen. „Bei 85 Prozent der Fälle konnten wir wirklich bestätigen, dass sie an Covid-19 verstorben sind“, sagte Christoph Röcken, Direktor des Instituts für Pathologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH). Nur ein kleiner Teil der bisher 50 Obduzierten sei mit statt an Covid-19 gestorben, sagte Röcken.

Das Virus macht nach Angaben Röckens relativ typische Veränderungen an der Lunge, die es unterscheidet von anderen Entzündungsformen der Lunge. Oftmals haben die Menschen, die an einer Covid-19 verursachten Lungenentzündung gestorbenen sind, auch eine Lungenembolie.

Die Ergebnisse solcher Obduktionen an 34 Universitätskliniken in ganz Deutschland werden systematisch zusammengetragen, in einem Obduktionsregister gesammelt und ausgewertet. Bislang liegen allerdings noch keine bundesweiten Daten aus dem Obduktionsregister vor.

Das Ziel der Obduktionen ist es, Wissen über einen Erreger und eine Krankheit zu sammeln, um bessere Behandlungsstrategien zu finden, besonders für die schweren Verläufe. Nur durch die Obduktion lässt sich die Todesursache eindeutig klären, man kann Besonderheiten und Komplikationen einer Covid-19-Erkrankung erkennen, und dann bei den noch lebenden Patienten besser vorbereitet sein.