Der große Ausblick für 2021: Wann ist die Pandemie endlich vorbei? Die düstere Corona-Prognose für Deutschland

22. Februar 2021 Aus Von mvp-web

15:44:48

Die Menschen sehnen sich nach Normalität. Die Wirtschaft will Öffnungen. Das Coronavirus erfordert Verzicht. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns durch das Jahr 2021. Wie es jetzt weitergeht und wovon es abhängt, ob es noch ein gutes Jahr werden kann.

Corona vermiest uns das Leben. Und die alles beherrschende Frage lautet: Wie lange noch? Der Lockdown, der seit Anfang November herrscht, wird ständig verlängert, jetzt bis 7. März – und kaum jemand erwartet mehr, dass dann wirklich mehr geöffnet wird als Kitas, Schulen (für die Kinder bis 12 und Abschlussklassen). Politiker und Talkshow-Virologen warnen Mitte Februar schon, dass wir auf keinen Fall mit irgendeiner Art Osterurlaub rechnen sollten. Hotels, Restaurants, Cafés werden wohl an Ostern zu bleiben. Dann hätte sich der Lockdown schon ins zweite Quartal des Jahres 2021 erstreckt.

Und dann?

Prognosen für den weiteren Jahresverlauf sind gerade schwierig. Die Angst vor den Mutationen des ursprünglichen Coronavirus geht um: Möglicherweise sind sie nicht nur ansteckender, sondern auch gefährlicher. Eventuell wirken die Impfstoffe nicht gegen sie. Vermutlich werden sie bald die dominierende Variante sein.

Sonnenschein oder Mutanten – wer gewinnt 2021 die Oberhand?

Wird sich Deutschland also weiterhin von Lockdown zu Lockdown hangeln? Wird die „No-Covid“-Fraktion noch schärfere Einschränkungen erzwingen? Oder werden Sonne, Schnelltests und Impfungen den Knoten platzen lassen und wenigstens Verhältnisse wie im Sommer 2020 schaffen?

Auf der Positiv-Liste könnte stehen:

  • Wir bekommen mehr Impfstoff und eine bessere Impfplanung. Damit erreichen wir eine Herdenimmunität vor dem nächsten Winter.
  • Der lange Winter-Lockdown zahlt sich aus. Die Infektionszahlen sinken und die Intensivstationen mit Corona-Patienten leeren sich wieder.
  • Wärme und Sonne, die natürlichen Feinde aller Coronaviren, setzen auch Sars-CoV-2 und seinen Mutanten zu.
  • Ein Stufenplan für Lockerungen mit verbindlichen Richtwerten für ganz Deutschland wird umgesetzt. Bei stabil niedrigen Zahlen normalisiert sich das Leben, in Risikogebieten bleiben Beschränkungen, oder treten wieder in Kraft.
  • Lockerungen nehmen Fahrt auf und die gesellschaftliche Stimmung hellt sich auf.

Die Experten mit dem optimistischen Blick in die Zukunft gehen davon aus, dass die Pandemie bis zum Jahresende gebrochen ist.

Auch die Optimisten wollen nicht auf alle Lockdown-Maßnahmen verzichten

Hendrik Streeck, Leiter der Virologie an der Universität Bonn und prominentester Vertreter einer Lockerungsstrategie bei hohem Schutz vulnerabler Gruppen, sagt: „Es könnte eine deutliche Entspannung bei den Neuinfektionen geben, wenn es wärmer wird. Sars-CoV-2 gehört zur Familie der Coronaviren. Verhält es sich wie die anderen heimischen Coronaviren, und davon gehe ich aus, werden die Zahlen spätestens nächsten Herbst wieder ansteigen. Im Mai und über den Sommer hinweg werden sie auf einem niedrigen Niveau bleiben.“

Friedemann Weber, Virologie-Chef der Universität Gießen, gibt auf Nachfrage von FOCUS Online zuletzt eine positive Prognose ab: „Wenn die Lockdown-Maßnahmen und die Impfstoffe die Pandemie bald unter Kontrolle bringen, dann sollte das Frühjahr spürbar unbeschwerter sein, der Sommer schon fast wieder normal, und der Herbst so gut wie normal.“

Und sogar der allgemein eher warnende und mahnende RKI-Chef Lothar Wieler meint: „Am Ende dieses Jahres werden wir diese Pandemie kontrolliert haben.“ Bis dahin würden ausreichend viele Impfdosen zur Verfügung stehen, „um die gesamte Bundesbevölkerung zu impfen“. Die entscheidende Voraussetzung sei freilich, dass sich genügend Menschen impfen ließen. 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung müssten es sein, damit Herdenimmunität eintritt.

Auf der Negativ-Liste könnte stehen:

  • Es wird noch mehr gravierende Mutationen geben und eine geringe Wirkung der Impfstoffe gegen sie. Dann sind zeitraubende Anpassungen nötig.
  • Es kommt zu hohen Inzidenzen durch neue gefährlichere Varianten, mehr Patienten denn je müssen auf Intensivstationen behandelt werden.
  • Den Mutanten kann die Sommerwärme nichts mehr anhaben.
  • Die Lockdown-Einschränkungen bleiben bestehen – die Bevölkerung macht nicht mehr mit.

Pandemie in Deutschland: Düsterer Ausblick von Lauterbach, Drosten und Brinkmann

Die pessimistischeren Stimmen rechnen spätestens zum Herbst 2021 mit einer heftigen weiteren Infektionswelle, weil bis dahin nur ein kleiner Teil der Bevölkerung immunisiert ist. Echte Entspannung ist demnach erst 2022 zu erwarten. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach etwa ist sich sicher: „Ende 2021 ist die Pandemie keinesfalls vorbei.“

Auch Charité-Virologe Christian Drosten, der sich im November noch zuversichtlich gab, weil die neuen Impfstoffe die Corona-Lage 2021 entspannen würden und sich die Menschen dann „weitgehend normal“ bewegen und verhalten könnten, malt jetzt ein düsteres Bild.

In einem Interview mit dem „Spiegel“ zeigte er sich wegen der Infektionszahlen, der Mutationen und der Impfung eher besorgt. Sobald ein großer Teil der Alten sowie der Risikogruppen durchgeimpft ist, „wird ein riesiger wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, politischer und vielleicht auch rechtlicher Druck entstehen, die Corona-Maßnahmen zu beenden“. Dann würden sich innerhalb kürzester Zeit wieder deutlich mehr Personen mit dem Virus infizieren, als man sich das aktuell vorstellen könne. Er denke außerdem, der Sommer sei im letzten Jahr so milde verlaufen, da die Zahl der Infizierungen mit dem Coronavirus in Deutschland im Frühjahr zuvor unter einer kritischen Schwelle geblieben sei, nicht weil es heiß und sonnig war.

Die Virologin Melanie Brinkmann, die zur „No-Covid“-Gruppe gehört und die Inzidenzen Richtung Null bringen möchte, bevor gelockert werden kann, stellte im „Spiegel“ fest: „Wir kriegen niemals genügend Menschen geimpft, bevor die Mutanten durchschlagen.“ Verstärkt zu lockern hieße: eine massive Infektionswelle nach Ostern anschieben.

Coronavirus-Mutanten sind abstrakte Gefahr, aber alles andere als Panikmache

Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie in der München Klinik Schwabing, wo die ersten Corona-Infizierten Deutschlands behandelt wurden, sorgt sich, dass die ständige Warnung vor Mutanten die Bevölkerung nicht ausreichend erreicht, um sie noch einmal für wochenlange Einschränkungen zu gewinnen.

Er sagt: „Die Mutationen sind nicht greifbar und eine Situation mit exponentiell steigenden Inzidenzwerten ist aktuell nicht eingetreten und daher als Gefahr abstrakt. Gleichzeitig muss diese abstrakte Gefahr ausreichen, um die Gesellschaft erneut noch enger zusammenrücken zu lassen.“ Die Belohnung wäre dann im Sommer zu erkennen: „Sollte uns das im gesellschaftlichen Schulterschluss gelingen, dann sollten wir im Sommer zurückblicken und wissen, dass unser Zusammenhalt im Kampf gegen das Virus erfolgreich war.“

Die große Hoffnung für 2021: ein Piks in den Arm

Der Münchner Mediziner formuliert auch die große Hoffnung aller in die Impfung. Er sagt: „Wir müssen in den kommenden Wochen und Monaten alles daran setzen, die Impfinzidenz zu erhöhen und die Impfkurve schnell und anhaltend nach oben zu bringen. Das ist unsere Chance auf einen Ausweg aus der Pandemie und das muss jetzt unser Fokus sein, ohne dabei das Virus selbst aus den Augen zu verlieren.“

Dass das Impfen in Deutschland Fahrt aufnehmen muss, sagen vom Gesundheitsminister bis zum letzten Impfwilligen alle. Seit Impfbeginn am 27. Dezember haben bis einschließlich 21. Februar 3,3 Millionen Menschen in Deutschland eine erste Impfdosis erhalten, das sind vier Prozent der Bevölkerung – zu wenig für eine baldige Herdenimmunität.

Für Herdenimmunität muss das Impfen viel schneller werden

Infektiologe Clemens Wendtner hat dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vor Kurzem vorgerechnet: „Selbst wenn jeden Tag in der Woche, montags bis sonntags, 100.000 Personen eine Impfung erhalten, wären Ende 2021 nur rund 35 Millionen von 83 Millionen Menschen geschützt. Das ist weniger als die Hälfte der Einwohner Deutschlands.“

Covid-19-Impfstoffe - Gemeinsamkeiten und Unterschiede (31.01.2021)

Schneller impfen als sich das Virus verbreitet – das sind angesichts der ansteckenderen Mutanten auch die Wünsche und Forderungen der Frankfurter Virologin Sandra Ciesek und des Hamburger Epidemiologen Ralf Reintjes.

Er sagte zu den Aussichten für das weitere Jahr 2021: „Es gibt mittlerweile mehrere effektive Impfstoffe und erste Ergebnisse aus Ländern in denen bereits größere Teile der Bevölkerung durchgeimpft wurden, sind sehr positiv. Zusätzlich wissen wir, dass das Auftreten von Covid-19 eine ausgeprägte Saisonalität aufweist. Daher ist für den Sommer mit einer besseren Situation zu rechnen.“

Und Sandra Ciesek, die sich seit Herbst beim Coronavirus-Podcast des NDR mit Christian Drosten abwechselt, rechnet zwar damit, dass sich die Situation im Frühsommer verbessert. Die Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt sagt aber auch: „Ich würde mir wünschen, dass sich mindestens 70, wenn nicht sogar 80 Prozent impfen lassen. Auch, um gegen Mutanten vorzugehen, die sich offenbar schneller verbreiten.“

Wie schnell sich die Impfsituation verbessert, hängt in erster Linie vom Impfstoffkontingent ab, die Deutschland aus der EU-Bestellung zusteht. Bis Ende März sollen 10,3 Millionen Dosen von Biontech, 1,8 Millionen von Moderna und 5,6 Millionen von Astrazeneca kommen. Da für jeden geimpften zwei Spritzen nötig sind, reicht das für knapp neun Millionen Menschen.

Im zweiten Quartal entspannt sich die Lage, weil die bereits bestellten Vakzine vom US-Hersteller Johnson & Johnson sowie von Curevac aus Heidelberg von der Europäischen Medizinagentur EMA aller Wahrscheinlichkeit nach eine Zulassung bekommen und dann sofort millionenfach ausgeliefert werden können.

Mit Lockerungen des Lockdowns kann und will niemand warten, bis der letzte Impfwillige seine Spritze hat. Damit es damit möglichst schnell geht, soll ein bundesweit geltender Stufenplan das Öffnungs-Szenario vorgeben. Beim Ministerpräsidenten-Treffen am 3. März soll ein solcher Plan beschlossen werden. Er soll nicht nur Perspektiven für die Wirtschaft eröffnen, sondern auch die Kontakt- und Bewegungsfreiheit der Bürger schrittweise vergrößern. Kanzlerin Angela Merkel schlägt dafür Berichten nach einen Öffnungs-Plan für drei Bereiche vor (Lesen Sie hier mehr dazu.)

Ein Stufenplan aus dem Lockdown liegt bereit seit Anfang Februar

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hatte einen vierstufigen Ausstiegsplan bereits beim Treffen am 10. Februar im Kanzleramt dabei. Der Regierungschef des nördlichsten Bundeslandes Deutschlands zeigt sich danach sehr enttäuscht, dass die Konferenz das Erstellen eines Perspektivplans „nicht so hinbekommen hätten, wie viele Menschen das von uns erwartet haben“.

Der Stufenplan aus Schleswig-Holstein orientiert sich an der Sieben-Tages-Inzidenz, also wie viele Neuinfektionen es in einer Woche in einem Landkreis auf 100.000 Einwohner gab. Die ersten Lockerungen, Kitas und Schulen betreffend, sollte es nach diesem Plan bereits bei einer Inzidenz unter 100 geben. Die nächsten Schritte folgen bei Werten von 50 und 35. Dann sollen nach genauen Vorgaben und Hygienekonzept der Einzelhandel, die Gastronomie, kulturelle Orte und Veranstaltungen sowie Sporteinrichtungen wieder öffnen.

Daniel Günther betonte bei der Vorstellung des Perspektivplans, dass er ganz bewusst keinen Terminplan sei. Die einzige Größe für Lockerungen respektive Verschärfungen ist das Infektionsgeschehen, einschließlich der Faktoren R-Wert (wie viele weitere Menschen steckt 1 Infizierter an), die Auslastung der Intensivstationen und die Impfquote. Steigen die Inzidenz, werden Öffnungen und Freiheiten zurückgenommen. In Flensburg, wo sich die britische Coronavirus-Variante gerade durch explodierende Inzidenzen zeigt, werden die Maßnahmen in diesem Sinn deutlich verschärft: keine Kontakte außerhalb der Familie und eine nächtliche Ausgangssperre.

Beim Warnwert 25 sollen Freiheiten gekappt werden

Ähnliche schrittweise Öffnungen sieht Niedersachsens „Stufenplan 2.0“ mit seiner sechsfachen Ampel dar. Dieser Plan betont neben den Lockerungen strenge Restriktionen, wenn die Infektionslage schlechter wird. Der Plan sieht einen Vorwarnwert vor, der mit 25 deutlich unter dem bisher gültigen 35er-Warnwert liegt. Dann soll bereits stärker eingegriffen werden, um Kontakte zu reduzieren. Die Regierung von Stephan Weil will so auf die neuen Virusmutationen reagieren, durch die schnell die kritische Inzidenz von 50 überschritten werden kann.

Noch wissen alle Verantwortlichen zu wenig über die Verbreitung und die Dynamik der Sars-CoV-2-Mutanten. Doch sie könnten darüber entscheiden, ob sich 2021 zu einem schrecklichen Pandemiejahr entwickelt oder der Beginn einer coronafreien Zukunft wird. Ein schnelles Ende der Pandemie ist nach dem Aufkommen der Virusvarianten aber fraglich.