Schwesig vor Corona-Gipfel: „Noch nicht über den Berg“
3. März 2021Ministerpräsidentin Schwesig hat sich gegen groß angelegte Lockerungen der Corona-Maßnahmen ausgesprochen. Vom Bund fordert sie kostenlose Schnelltests für wichtige Bereiche des öffentlichen Lebens.
Vor dem Corona-Gipfel von Bund und Ländern am Mittwoch hat Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) den Bund aufgefordert, kostenlose Schnelltests für wichtige Bereiche des öffentlichen Lebens bereitzustellen. Je mehr getestet werde, desto früher könnte es schrittweise zu Lockerungen der Corona-Einschränkungen kommen, sagte Schwesig am Dienstag in Schwerin. Zudem dürfe die Corona-Strategie nicht mehr allein am Inzidenzwert ausgerichtet werden.
Schwere Krankheitsverläufe für Corona-Kurs berücksichtigen
Berücksichtigt werden müsse zum Beispiel auch, wie viele schwere Krankheitsverläufe es bei den Älteren gebe und wie stark das Gesundheitssystem ausgelastet sei. Schwesig kündigte zudem an, dass auch in Mecklenburg-Vorpommern der Impfstoff von AstraZeneca für Personen aus der Impfpriorität 2 freigeben wird. Man könne es sich nicht leisten, Impfdosen herumliegen zu lassen, sagte sie.
Einkaufen mit Termin und mehr Schnelltests
„Wir sind noch nicht über den Berg“, sagte Schwesig. Die Corona-Zahlen seien zwar stabil, aber immer noch zu hoch. Sie deutete aber an, dass in bestimmten Einzelhandelsgeschäften künftig Einkaufen mit Termin möglich sein könnte, sie habe Verständnis für den Wunsch nach Lockerungen. Details sollen wahrscheinlich beim MV-Gipfel am kommenden Freitag besprochen werden. Das Land setzt auf mehr Schnelltests für Schüler und Lehrer, wenn an den Schulen mehr getestet werde, könne auch für die Klassen 7 und höher mehr möglich sein. Aus dem MV-Schutzfonds sollen dafür zwei Millionen Tests angeschafft werden, die innerhalb von drei Wochen geliefert werden könnten, so Gesundheistminister Harry Glawe (CDU).
Wirtschaft in MV für konkreten Öffnungsplan
Die drei Industrie- und Handelskammern im Land fordern vor dem heutigen Bund-Länder-Gipfel eine klare Öffnungsperspektive für die Wirtschaft. Der Präsident der Schweriner IHK, Matthias Belke, sagte, zu viele Unternehmen seien mittlerweile an der Existenzgrenze angekommen, deshalb sei ein Strategiewechsel nötig. In einer Blitzumfrage unter 300 Unternehmen haben sich laut Belke 83 Prozent für das Einkaufen mit Termin ausgesprochen – allerdings nur als erstem Schritt, dem schnell weitere Öffnungsmaßnahmen folgen müssten.
Belke will weitere Indikatoren einbeziehen
Statt der Sieben-Tage-Inzidenz als alleinigem Kriterium, sollten nach Meinung Belkes und seiner Kollegen aus Rostock und Neubrandenburg für die Öffnung der Wirtschaft auch andere Indikatoren einbezogen werden: etwa die zunehmende Durchimpfung der Risikogruppen oder eine Einteilung in sogenannte Hot- und Coldspots, also Orte mit mehr oder weniger großem Corona-Ansteckungs- und Übertragungsrisiko.
DGB warnt vor zu starker Öffnung
In den betroffenen Branchen arbeiteten viele Beschäftigte in Teilzeit, was die finanzielle Situation angesichts von Kurzarbeit zunehmend erschwere, sagte Ingo Schlüter, stellvertretender Vorsitzender des DGB Nord. Er warnte angesichts einer weiteren Infektionswelle vor zu großen Öffnungsschritten. „Gerade in der jetzigen Lage können und dürfen sich die Verantwortlichen in der Wirtschaft keine Corona-Müdigkeit leisten“, so Schlüter. „Die Beschäftigten in den Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Schulen und Kitas oder in den Gesundheitsämtern tun das auch nicht.“
Opposition zwischen Öffnungsforderung und Bedenken
Auch die Opposition in Mecklenburg-Vorpommern fordert konkrete Öffnungsszenarien. Erforderlich seien verbindliche Öffnungstermine für die Kultur, Wirtschaft und andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, sagte etwa die Fraktionsvorsitzende der Linken, Simone Oldenburg. „Nicht zuletzt müssen wir uns in diesem Sommer auf die dritte Welle im Herbst und Winter 2021 vorbereiten. Denn selbst wenn bis dahin viele Menschen geimpft sind, werden das Virus und seine Mutationen nicht verschwinden“, betonte Oldenburg. Die AfD erneuerte vor dem Gipfel ihre Forderung nach Lockerungen. „Wir erwarten weitreichende Lockerungen und vor allem eine Normalisierung des Schulbetriebs. Kinder und Jugendliche leiden besonders stark unter den Kontaktbeschränkungen“, sagte der Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer.
Die FDP, die nicht im Landtag vertreten ist, forderte eine stärkere Berücksichtigung der Auslastung von Krankenhäusern und die fortschreitenden Impfungen bei der Öffnungsdebatte. In Regionen mit niedrigeren Infektionszahlen müsse eine Öffnung ermöglicht werden, betonte der Landesvorsitzende René Domke. Die Grünen, in dieser Legislaturperiode ebenfalls nicht im Landtag, fordern neben Öffnungsszenarien Pläne zum Schutz vor einer weiteren Corona-Infektionswelle. „Es darf nicht passieren, dass man dann wieder so überrascht ist wie nach dem letzten Sommer“, sagte der grüne Spitzenkandidat zur Landtagswahl, Harald Terpe.