Die Corona-Trends des Tages: Belegung der Intensivbetten sinkt – doch Intensivmediziner warnt bereits vor neuem Hoch

5. März 2021 Aus Von mvp-web

15:23:06

Alle wichtigen Zahlen, Daten und Fakten zur Covid-19-Pandemie: FOCUS Online gibt Ihnen den Durchblick im Informationsdschungel rund um das Coronavirus und den Impfstart in Deutschland. Wir zeigen Ihnen jeden Tag die wichtigsten, aktuellen Trends zu Covid-19.

Nach dem Bund-Länder-Gipfel vergangenen Mittwoch stehen vorsichtige Lockerungen in Aussicht, die ausgehend von der Inzidenz erste oder sogar weitergehende Öffnungen mit sich bringen. Die Inzidenz in Deutschland steigt derzeit leicht: Den niedrigsten Wert erreichte sie am 14. Februar (Sonntag). Damals lag die bundesweite Inzidenz bei 57, zum gestrigen (4. März) Stichtag bei 65. Die Anzahl der Todesfälle sinkt derzeit hingegen. Der Höchstwert lag Mitte Januar an einem Tag bei fast 1.700 Menschen Covid-19-Toten, zum 4. März meldet das Robert-Koch-Institut 264 Todesfälle.

Während Mitte Januar an einem Tag etwa 1.700 Menschen an Covid-19 verstorben sind, sinkt seitdem der Wert auf 264 Todesfälle zum 4. März.

Ourworldindata.org, Stand: 5. März 2021 Während Mitte Januar an einem Tag etwa 1.700 Menschen an Covid-19 verstorben sind, sinkt seitdem der Wert auf 264 Todesfälle zum 4. März.

Ebenso wie die Todesfälle sinkt auch die Belegung der Intensivbetten durch Covid-19-Patienten. Eine Momentaufnahme, wie Intensivmediziner Gernot Marx erklärt. Marx ist Chef der DIVI (Deutsche Interdisziplinäre Vereinung für Intensiv- und Notfallmedizin). Die DIVI berechnete kürzlich mögliche Szenarien zur künftigen Belegung von Intensivbetten. Sollte das Virus etwa durch Mutationen erneut außer Kontrolle geraten, drohen neue Rekordzahlen bei den Patienten, die infolge einer Corona-Infektion auf die Intensivstation verlegt werden müssen.

Covid-19-Trends: Belegung der Intensivbetten sinkt derzeit

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete zum 4. März 2813 intensivmedizinisch behandelte Covid-19-Patienten. Der bisherige Höhepunkt der Pandemie lag in der ersten Januarwoche mit 5762 und damit mehr als doppelt so vielen Corona-Patienten auf Intensivstationen in Deutschland. Derzeit sinkt die Belegung der Intensivbetten konstant. Dennoch ist die Belegung weiterhin recht hoch.

Aktuell sinkt die Belegung der Intensivbetten seit dem Höhepunkt im Januar 2021.

RKI, Stand: 5. März 2021

Zum Vergleich: Ende April 2020 war der Höhepunkt der ersten Welle. Hier waren 2905 Covid-19-Patienten auf der Intensivstation. Aktuell sind also in etwa gleich viele Intensivbetten durch Corona-Infizierte belegt, wie zum Höhepunkt am Anfang der Pandemie.

Intensivmediziner mit schlechten Prognosen bei zu frühen Öffnungen

Die sinkenden Zahlen der Intensivbetten-Belegung sind zwar ein Grund zur Freude. Experten des DIVI warnen jedoch vor zu frühen Öffnungen und Lockerungen. Für ihre Prognose-Modelle haben die Wissenschaftler die aktuelle Impfstrategie und kommende Öffnungen in ihren Rechnungen einbezogen.

Experten des DIVI gehen davon aus, dass die Belegung der Intensivbetten bis Ende August weit absinkt – je nach Öffnungsplan aber unterschiedliche Verläufe nimmt.

DIVI, Stand: 4. März 2021 Experten des DIVI gehen davon aus, dass die Belegung der Intensivbetten bis Ende August weit absinkt – je nach Öffnungsplan aber unterschiedliche Verläufe nimmt.

Die Grafik zeigt, wie sich die Belegung der Intensivbetten durch Covid-19-Patienten bis Ende August mit der aktuellen Impfstrategie verändern könnte. Bis September soll in jedem der drei Szenarien die Belegung unter 500 Patienten fallen, jedoch könnten je nach Lockerung unterschiedliche Verläufe stattfinden.

Die DIVI-Experten gehen davon aus, dass bei Öffnungen zum 7. März ein erneutes, zwischenzeitliches Hoch erreicht werden könnte – mit bis zu 4.000 intensiv-medizinische behandelten Patienten. Öffnungsstrategien Anfang oder Mitte April könnten die Zahlen hingegen drastisch nach unten drücken und einen stetigen Abfall der Belegung bewirken.

R-Wert und Impfstrategie sind ausschlaggebend in den nächsten Wochen

Zwei weitere Modellierungen haben die Experten durchgerechnet. Zunächst für die drei Öffnungstermine 7. März, 1. April und 15. April mit gleichbleibendem R-Wert von 1 bei unterschiedlichen Impfstrategien.

Frühe Öffnungen bewirken einen erneuten Anstieg der intensiv-medizinisch behandelten Covid-19-Patienten - bei optimistischer wie auch pessimistischer Impfstrategie.

DIVI, Stand: 5. März 2021 R-Wert bei 1: Frühe Öffnungen bewirken einen erneuten Anstieg der intensiv-medizinisch behandelten Covid-19-Patienten – bei optimistischer wie auch pessimistischer Impfstrategie.

Die Experten befürchten einen starken Anstieg der benötigten Intensivbetten bei bundesweiten Öffnungen zum 7. März. Sie rechnen mit einem neuen Hoch von etwa 6.200 Intensivpatienten Mitte Juni, sollte die Impfstrategie der Regierung nicht besser werden. Bei frühen Öffnungen wäre sogar eine verbesserte Impfstrategie kein großer Hebel, hier könnten 5.000 intensiv-medizinische Behandlungen nötig sein.

Öffnungen im April hätten in beiden Fällen, bei optimistischer wie auch pessimistischer Impfstrategie, eine stark positive Wirkung. So würde die Belegung der Intensivbetten durch Covid-19-Patienten in beiden Fällen konstant sinken und Mitte August gen Null gehen.

Die zweite Modellierung basiert auf einem extremeren R-Wert von 1,2 – so hoch war er zuletzt gegen Ende 2020, könnte laut DIVI wegen der Mutationen aber wieder in Reichweite sein. Auch hier rechnen die Experten mit einer optimistischen und einer pessimistischen Impfstrategie – also einem besseren und schlechteren Verlauf der Impfungen zum jetzigen Stand.

R-Wert 1,2: Die Belegung der Intensivbetten könnte bei frühen Öffnungen durch die Decke schießen.

DIVI, Stand: 5. März 2021 R-Wert 1,2: Die Belegung der Intensivbetten könnte bei frühen Öffnungen durch die Decke schießen.

Bei Öffnungen zum 7. März und einem konstant erhöhten R-Wert gehen die Expertinnen von einer dramatischen Entwicklung aus. In diesem Fall soll bereits Mitte April ein absoluter Höchstwert an intensiv-medizinisch zu behandelnden Covid-19-Patienten erreicht werden – und könnte mit etwa 9.000 fast doppelt so hoch wie der Höchstwert im Januar liegen. Die Entwicklung würde so weit gehen, dass im schlimmsten Fall mit knapp 25.000 Patienten gerechnet werden könnte.

„Eine Intensivbettenbelastung einer einzelnen Krankheit mit 6.000 zeitgleichen Patienten ist eine historische Höchstmarke, die die bisherige aus der Influenzasaison 2018 um das Doppelte überschreitet“ heißt es auf der DIVI-Webseite mit Verweis auf den Höchststand im Januar.

Nur Öffnungen Mitte April würden die Intensivbetten stetig entlasten, sollte der R-Wert konstant auf 1,2 steigen. Seit dem 30. Oktober lag der 4-Tages-R-Wert jedoch konstant unter 1,2 in Deutschland, der 7-Tages R-Wert mit wenigen Ausreißern seit Anfang Januar.

Experten der Intensivmedizin mahnen zur Vorsicht

Auf Basis der Modellierungen fordern die Experten der DIVI einen nochmals verlängerten Lockdown, der erst zum April Öffnungsschritte vorsieht. „Sonst wird die dritte Welle nur sehr schwer oder überhaupt nicht beherrschbar“, erklärt DIVI-Chef Marx. Sollte der schlimmste Fall mit einem R-Wert von 1,2, kaum Veränderungen in der Impfstrategie und frühen Öffnungen eintreten, könnten die Belegung der Intensivbetten durch Covid-19-Patienten rasant, fast exponentiell nach oben steigen.

„Eine Beschleunigung der Impfungen mit einer Impfung aller über 35-jährigen ist mit einer deutlich geringeren Belastung der Intensivstationen verbunden“, heißt es auf der DIVI-Webseite. So wäre laut Marx die Lage deutlich einfacher zu beherrschen.