Hamburger Klinikchef verrät – Die Zahl der Corona-Infizierten sind meistens Zufallstreffer
28. Juni 2020Johannes Knobloch ist Mikrobiologe und verantwortlich für die Krankenhaushygiene am Hamburger Uniklinikum Eppendorf. Über das Coronavirus hat er in den vergangenen Monaten eine Menge gelernt. Einige dieser Erfahrungen teilte er nun öffentlich mit.
Das Risiko, sich in Hamburg mit dem neuartigen Coronavirus anzustecken, ist nach Ansicht des Hamburger Mikrobiologen und Krankenhaushygienikers Johannes Knobloch derzeit so groß wie die Gewinnchance beim Bingo oder Lotto.
„Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person, auf die ich treffe, ansteckend ist, liegt statistisch im Bereich des Lottos mit vier richtigen Zahlen und Zusatzzahl“, sagte der Leiter der Krankenhaushygiene im Universitätsklinikum Eppendorf.
Knobloch schätzt: Jeder 10.000. Hamburger positiv
Mit diesem Vergleich erklärte Knobloch, warum die Lockerungen der Kontaktbeschränkungen und sogar eine Anti-Rassismus-Demonstration mit rund 14.000 Teilnehmern Anfang Juni nicht zu einer höheren Zahl an Infizierten geführt haben.
Knobloch schätzt, dass etwa jeder 10.000. Hamburger positiv ist. Das Sars-CoV-2-Virus sei bis zu 14 Tage nach der Infektion nachweisbar, aber nur vier bis fünf Tage übertragbar. Also könnte nur etwa jeder 20 000. Hamburger ansteckend sein. Ein Teilnehmer an einer Demonstration mit 14 000 Menschen habe darum immer noch eine hohe Wahrscheinlichkeit, sich nicht anzustecken.
Wenn allerdings ein sogenannter Superspreader teilnehme, könne eine neue Welle von Infektionen losgehen. „Es ist weiter sinnvoll, solche Großveranstaltungen nicht stattfinden zu lassen“, sagte Knobloch, dessen Spezialgebiet die Prävention aller Infektionskrankheiten ist.
Zahl der Infizierten: Meist Zufallstreffer
Seit Mitte Mai meldet die Hamburger Gesundheitsbehörde in der Regel eine einstellige Zahl von Neuinfektionen pro Tag. Meist gehe es dabei um Zufallstreffer, sagte der Mikrobiologe. Am Folgetag könne die Zahl gegen zehn tendieren, weil die Menschen in der Umgebung des Infizierten getestet würden.
Betroffen seien vermutlich vor allem unter 60-Jährige, die berufstätig seien und nicht schwer erkrankten. Auch die 1500 positiv Getesteten von insgesamt 7000 Mitarbeitern des Fleischkonzerns Tönnies im Kreis Gütersloh seien so leicht erkrankt, dass sie weiter gearbeitet hätten.
Die Zahl der Corona-Patienten in den Hamburger Krankenhäusern – derzeit etwas mehr als 20 – sinkt nur sehr langsam. Zum Teil hätten diese Menschen mehrere Erkrankungen.
Möglicherweise sei das Virus bei ihnen längst nicht mehr nachweisbar, aber es könne sich die Lungenfunktion verschlechtert oder die Pflegebedürftigkeit zugenommen haben, erklärte Knobloch. Einen Durchbruch bei den Therapien gebe es noch nicht.
Weitere Großereignisse wie bei Tönnies nicht auszuschließen
Wie sich die Sommerreisezeit auswirken werde, könne man wissenschaftlich seriös nicht sagen. Bei den herkömmlichen Coronaviren liege die Saisonalität eindeutig im Winter, wenn sich die Menschen überwiegend in geschlossenen Räumen aufhielten.
„Ich vermute, dass wir in der Gesamtbewertung der Bundesrepublik und Hamburgs auf sehr niedrigem Niveau sein werden, aber nicht auf das Niveau null herunterfallen“, sagte Knobloch. „Dann sind wir im Bereich des Zufalls.“
Zum Beispiel könne eine Pflegekraft das Virus in ein Altenheim einschleppen. „Es könnte in Deutschland weitere Großereignisse wie bei Tönnies oder kleinere regionale Ausbrüche geben“, befürchtet Knobloch.