Alt Tellin: Großbrand in Schweinezuchtanlage

Alt Tellin: Großbrand in Schweinezuchtanlage

30. März 2021 Aus Von mvp-web
Stand: 30.03.2021 15:51 Uhr

Ein Großbrand hat große Teile eines Schweinezuchtbetriebes in Alt Tellin bei Jarmen (Landkreis Vorpommern-Greifswald) zerstört. Mehrere Ställe sind betroffen, eine Person wurde verletzt, zahlreiche Tiere verendeten. MV-Agrarminister Backhaus sprach angesichts des Tierleids von einer Tragödie.

Bis zum Nachmittag war der Brand noch immer nicht gelöscht. Noch immer steigt Rauch von dem Gelände auf, aber die Wolken sind nicht mehr so dicht und schwarz wie am Vormittag als sie noch aus 20 Kilometer Entfernung deutlich zu sehen waren, wie sie kilometerweit über den Himmel zogen. Feuerwehren und Rettungskräfte aus der gesamten Region sind vor Ort. Das Feuer sprang am Mittag auf weitere Teile der Anlage über. Die Anlage besteht aus zwei Reihen mit je neun Ställen, fünf davon sollen brennen. Eine Person sei leicht verletzt worden, hieß es von der Polizei. Ein Reporter von NDR 1 Radio MV schilderte, wie Helfer damit beschäftigt waren, Ferkel aus den brennenden Ställen zu treiben. „Die geretteten Tiere liefen auf dem Betriebsgelände wild hin und her.“ Nach ersten Erkenntnissen kamen Hunderte Tiere um.

In einem großen Schweinezuchtbetrieb in Alt Tellin (Kreis Vorpommern-Greifswald) ist ein Feuer ausgebrochen. © dpa-Bildfunk Foto: Stefan Sauer
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Alt Tellin: Schwarze Rauchsäule am Himmel

Wind dreht – Biogasanlage in Gefahr

Die Lage galt am Mittag noch als angespannt, weil der Wind sich gedreht hatte. Die Flammen drohten auf eine angrenzende Biogasanlage überzugreifen. Daraufhin kühlte die Feuerwehr die Anlage vorsorglich mit Wasser. Mittlerweile sei diese Gefahr gebannt, hieß es am Nachmittag. Immer wieder ließen Windböen die Flammen auflodern. Eine Hörerin von NDR 1 Radio MV aus einem Nachbarort Alt Tellins berichtete, dass es bei ihr regelrecht Asche geregnet habe.

Millionenschaden befürchtet

In den brennenden Ställen sollen insgesamt 5.000 Schweine gehalten worden sein. Etliche dürften die Katastrophe nicht überlebt haben. Nach Polizeiangaben ist die Brandursache ebenso wie die Höhe des Schadens noch unklar, er dürfte aber in die Millionen gehen. Die Kriminalpolizei hat bereits die Ermittlungen zur Brandursache aufgenommen, allerdings können die Beamten am Brandort direkt noch nicht ermitteln. Die Feuerwehr riet den Bewohnern umliegender Ortschaften wie Plötz und Wilhelminenthal, die Fenster und Türen bis auf Weiteres geschlossen zu halten.

Backhaus spricht von Tragödie – und fordert Konsequenzen

Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) sprach von einer Tragödie. „Nach unseren Kenntnissen befinden sich in der Anlage rund 9.000 Sauen und rund 50.000 Ferkel. Man kann sich das Tierleid bei einem solchen Brand nicht vorstellen“, erklärte der Minister. All jene, die beim Bau gegen diese „Ferkel-Fabrik“ protestiert hatten, sähen sich nun im Recht. Auch er wolle solche Großanlagen nicht, sie passten weder in die Zeit noch ins Land. „Von der gesetzgeberischen Seite muss gehandelt werden, damit sich solche Tragödien nicht ständig wiederholen. Ich erinnere daran, dass wir erst kürzlich in Kobrow einen großen Brand hatten, dem Hunderte Tiere zum Opfer fielen“, so Backhaus.

Kobrow: Mehrere Feuerwehrleute versuchen, den Brand in einer Schweinemastanlage unter Kontrolle zu bekommen. Das Dach des Gebäudes ist bereits eingestürzt. © Michael-Günther Bölsche Foto: Michael-Günther Bölsche

Bei dem Großfeuer in der Nähe von Sternberg sind rund 2.000 Schweine verendet. Der Schaden ist größer als zunächst angenommen.

Eine der größten Zuchtanlagen Norddeutschlands

Der Betrieb in Alt Tellin war bereits 2019 wegen einer defekten Lüftungsanlage in die Schlagzeilen geraten. Damals verendeten mehr als 1.000 Schweine. Die betroffene Sauen- und Ferkelzuchtanlage war über Jahre sehr umstritten und gehört zu einem der größten Schweinezuchtbetriebe in Deutschland – der Landwirtschaftliche Ferkelzucht Deutschland (LFD) Holding, die 2020 von der Schweizer Terra Grundwerte AG übernommen wurde. Früheren Angaben zufolge bietet die Anlage Platz für 10.000 Sauen und 35.000 Ferkel.

Kritik des Vize-Bürgermeisters von Daberkow

Aus der Nachbargemeinde Daberkow wurde Kritik an den Genehmigungsbehörden laut. „Diese Anlage hätte wegen des Brandschutzes in der Größe gar nicht genehmigt werden dürfen“, sagte der stellvertretende Bürgermeister, Thomas Kröchert. Es sei eine Schande, dass nun Tiere deshalb verenden müssten. Kröchert ist Landwirt und bewirtschaftet Flächen in unmittelbarer Nachbarschaft. Es gehe nicht darum, Schweinehaltung generell zu verhindern, sagte der Landwirt. Nur die Größe der Ferkelaufzuchtanlage, die dicht an Daberkow steht, sei nicht akzeptabel. „Die meisten Auswirkungen, wie ständige Gülle- und Tiertransporte, müssen die Nachbardörfer ertragen.“

BUND: „Es wurde viel zu lange weggeschaut“

Linke, Grüne sowie Umwelt- und Tierschutzverbände forderten eine neue Orientierung bei der Planung von Tierhaltungsanlagen. „Derart überdimensionierte Tierzucht- und Mastanlagen dürfen nicht länger genehmigt und betrieben werden“, erklärte die regionale Landtagsabgeordnete der Linken, Jeannine Rösler. Gründe seien die Brandschutzprobleme, aber auch der Tier- und Umweltschutz. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte, die Genehmigung für die „gigantische, tierquälerische und umwelttoxische Anlage“ in Alt Tellin aufzuheben. Der Brand zeige, dass viel zu lange weggeschaut wurde.