MV und Baden-Württemberg vor Lockdown mit Ausgangsbeschränkungen
15. April 202117.10 Uhr: Die Bundesländer Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vorpommern stehen wegen der Corona-Pandemie kurz vor einem Lockdown mit Ausgangsbeschränkungen sowie flächendeckenden Schul- und Ladenschließungen.
Im Südwesten wird die angekündigte „Notbremse“ der Bundesregierung schon ab kommenden Montag umsetzen. Dies teilte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) am Donnerstag in Stuttgart mit. Da man die Corona-Verordnung des Landes ohnehin am Wochenende verlängern müsse, würden die vorgesehenen Verschärfungen des Bundes direkt mit eingearbeitet. „Wir warten nicht auf den Bund, wir müssen jetzt handeln. Jeder Tag zählt in der Pandemiebekämpfung und wir wollen den Menschen in einer Woche nicht schon wieder eine neue Verordnung präsentieren“, sagte Lucha.
Wann genau der Lockdown in Mecklenburg-Vorpommern beginnen soll, bleibt offen. Die Rede ist von „unverzüglich“. Das Land könne die Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag aufgrund der Dynamik des Infektionsgeschehens nicht abwarten. Die Corona-Infektionszahlen sind in MV zuletzt sprunghaft gestiegen. Die Sieben-Tage-Inzidenz erreichte am Mittwoch 158,3. Auch zur Dauer des Lockdowns gibt es in dem Papier keine Angaben.
Menschen, die außerhalb von MV leben, dürfen ihre Zweitwohnung im Nordosten den Plänen zufolge während des Lockdowns nicht aufsuchen. Die Schulen sollen bis auf die Abschlussklassen wieder in den Distanzunterricht wechseln, was in mehr als der Hälfte der Landkreise und kreisfreien Städte ohnehin ab kommendem Montag geplant ist. Auch die Schließung der Kitas ist bereits verfügt worden. Für Kita- und Schulkinder bis Klasse sechs soll eine Notbetreuung angeboten werden.
Der Einzelhandel und Dienstleistungsanbieter sollen den Plänen zufolge bis auf Ausnahmen schließen. Zu den Ausnahmen sollen neben Lebensmittelgeschäften, Apotheken und Drogerien auch Baumärkte, Buch- und Blumenläden gehören. Friseure können dem Entwurf zufolge ebenfalls geöffnet bleiben.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident: Bei Corona-Regeln nicht auf „Bundes-Notbremse“ warten
17.05 Uhr: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hat trotz geplanter „Bundes-Notbremse“ konsequentes Handeln bei der Eindämmung der Corona-Pandemie auf regionaler Ebene angemahnt. „Angesichts der teils dramatischen Zahlen ist es ein absurder Gedanke, mit der Verschärfung regionaler Maßnahmen bis zum Inkrafttreten des veränderten Infektionsschutzgesetzes zu warten“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.
„Durch die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz liegen sämtliche effektive Werkzeuge zur Bekämpfung der Pandemie auf dem Tisch – diese können und müssen längst zur Anwendung gebracht werden.“ Dies werde Schleswig-Holstein weiter tun.
Zuvor hatte bereits Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) angesichts weiter steigender Corona-Zahlen die Länder aufgefordert, nicht auf die geplante „Bundes-Notbremse“ zu warten. „Jeder Tag zählt gerade in dieser schwierigen Lage“, sagte Spahn in Berlin.
Scholz hält Bundes-Notbremse für „richtige und verfassungsfeste Lösung“
15.41 Uhr: Vizekanzler Olaf Scholz hält die geplante Bundes-Notbremse mit verschärften Corona-Regeln nach eigenen Worten nicht für juristisch angreifbar. „Die Verfassungsressorts haben sich intensiv mit der Frage beschäftigt, wie das Gesetz zu bewerten ist“, sagte der Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat am Donnerstag in Berlin. „Wir sind alle zu dem Ergebnis gekommen, dass das eine zulässige, richtige und verfassungsfeste Lösung ist.“
Experten des Kanzleramts sehen laut einem Bericht der „Bild“-Zeitung bei einem per Bundesgesetz geregelten Corona-Lockdown rechtliche Risiken. In einem internen Vermerk wird demnach etwa auf die Aufhebung nächtlicher Ausgangsbeschränkungen seitens des Oberverwaltungsgerichts Niedersachsen verwiesen. In der FDP-Bundestagsfraktion war von einer drohenden Klagewelle die Rede.
„Ganz klar wird das sicher von irgendwem angegriffen“, sagte Scholz. „Deshalb haben wir uns besonders intensive Mühe gegeben, die Frage juristisch vorher zu prüfen.“ An diesem Freitag will der Bundestag erstmals über die geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes beraten. Kommenden Mittwoch sollen die Neuerungen vom Bundestag beschlossen werden. Dann sollen sie noch den Bundesrat passieren. Scholz äußerte sich am Rande eines Besuchs in einem Krankenhaus in Berlin.
Gericht weist Eilantrag zurück: Corona-Genesene bekommen keine Sonderrechte
15.15 Uhr: Für Patienten, die eine Corona-Erkrankung überstanden haben, gibt es keine Extrawurst bei Treffen mit anderen. Das hat das Berliner Verwaltungsgericht am Donnerstag nach dem Eilantrag eines Mannes beschlossen. Er fand, dass die verordneten Kontakt- und Aufenthaltsbeschränkungen des Landes Berlin im Freien auf ihn vorläufig keine Anwendung finden sollten. Sie seien im Hinblick auf Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert waren, insgesamt nicht geeignet.
Das Gericht widersprach dieser Auffassung und wies den Eilantrag zurück. Eine dauerhafte Immunität für Genesene sei wissenschaftlich nicht belegt. Neue Infektionen seien damit möglich. Die allgemeine Handlungsfreiheit des Antragstellers werde auch nicht unverhältnismäßig eingeschränkt. Die Berliner Verordnung enthält aktuell auch Kontaktbeschränkungen für den öffentlichen Raum im Freien. Erlaubt sind Treffen mit einem weiteren Haushalt – maximal fünf Erwachsenen. In der Zeit von 21.00 Uhr abends bis 5.00 Uhr sind Treffen nur zu zweit gestattet.
Die in der Verordnung geregelten Beschränkungen seien voraussichtlich rechtmäßig, teilte das Gericht mit. Sie verfolgten den legitimen Zweck, Neuinfektionen mit dem Coronavirus soweit als möglich vorzubeugen, die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Covid-19 zu verringern und damit Leben und Gesundheit der Bevölkerung zu schützen. Gegen den Beschluss kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg erhoben werden.
Intensivstationen laufen voll: „Deutschland befindet sich in einer absoluten Krise“
14.48 Uhr: Die deutschen Intensivmediziner verschärfen ihren dramatischen Appell an die Politik, schnellstmöglich die neuen bundeseinheitlichen Lockdown-Regeln im Infektionsschutzgesetz zu beschließen. „Die Intensivstation laufen an vielen Klinikstandorten voll“, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Gernot Marx der „Augsburger Allgemeinen“. „Wir erleben einen ungebremsten Anstieg der Infektionen und einen ungebremsten Anstieg der Intensivpatienten“, betonte er. Deshalb müsse der Bundestag das neue Infektionsschutzgesetz so schnell wie möglich auf den Weg bringen.
„Wir sind jetzt in einer sehr kritischen Phase der Pandemie angekommen. Deutschland befindet sich in einer absoluten Krise“, betonte Marx. Selbst große Unikliniken in Ballungsräumen könnten kaum noch neue Intensivpatienten aufnehmen. „Die dringende Bitte der deutschen Intensivmediziner lautet, dass dieses Gesetz in der kommenden Woche im Bundestag beschlossen und umgesetzt wird“, fordert Marx. „Jeder Tag mehr bedeutet mehr Infektionen, mehr schwer kranke Menschen und mehr Patienten, die an Corona sterben werden – und mehr Patienten die schwerer erkranken oder sterben, weil wir so viele Corona-Patienten haben.“
Marx appellierte an alle Parteien, mögliche Bedenken jetzt hintan, zu stellen und das Gesetz gegebenenfalls anschließend wieder zu ändern. „Die Politik muss jetzt unverzüglich handeln! Das Gesetz muss beschlossen werden, wir brauchen einen harten Lockdown“, betonte der DIVI-Präsident. „Wir haben kein Verständnis für Detaildiskussionen, ob eine einzelne Maßnahme sinnvoll ist oder nicht. Darum geht es jetzt nicht. Wir müssen jetzt eine bundeseinheitliche Lösung durchsetzen“, forderte der Aachener Medizin-Professor. „Danach kann man immer noch diskutieren und korrigieren oder verschärfen. Jetzt aber ist keine Zeit für wissenschaftliche und politische Diskussionen – jetzt ist höchste Zeit zu handeln!“, betonte er. „Jetzt ist Pandemie, jetzt ist Krise.“