Omikron: Was über die neue Coronavirus-Variante bekannt ist?
21. Januar 2022 Aus Von mvp-webSeit November 2021 ist eine neue Coronavirus-Variante bekannt, vor der selbst Geimpfte und Genesene keinen optimalen Schutz haben: Omikron. Von der WHO wurde die Mutante als „besorgniserregend“ klassifiziert. Die Variante ist mittlerweile in Deutschland dominant und breitet sich auch in Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern rasant aus. Was wir derzeit über B.1.1.529 wissen.
Welche Auswirkungen hat Omikron auf den Pandemie-Verlauf?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft das Risiko der neuen Corona-Variante B.1.1.529 seit dem 29. November als „sehr hoch“ ein. Die Omikron-Variante an sich wird als „besorgniserregend“ bezeichnet. Diese Klassifizierung ist laut WHO-Definition ein Signal, dass eine Variante ansteckender sein oder zu schwereren Krankheitsverläufen führen kann. Außerdem besteht bei „besorgniserregenden Varianten“ die Gefahr, dass herkömmliche Impfungen, Medikamente oder Corona-Maßnahmen weniger wirksam sind. Als „besorgniserregend“ hatte die WHO bislang nur die Varianten Alpha, Beta, Gamma und Delta eingestuft.
Angesichts der Omikron-Variante warnt die WHO vor der Entstehung noch gefährlicherer Virusvarianten. WHO-Notfallexpertin Catherine Smallwood betonte, je stärker sich Omikron ausbreite und vermehre, „desto wahrscheinlicher ist es, dass es eine neue Variante hervorbringt“. Außerdem warnte die WHO davor, die Omikron-Variante als „mild“ einzustufen. „Genau wie vorangegangene Varianten müssen Menschen wegen Omikron ins Krankenhaus, und es tötet Menschen“, sagte WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus.
Wie ist die Omikron-Variante mutiert?
Die Omikron genannte Variante weist mehr als 50 Erbgutveränderungen auf, die meisten davon am Spike-Protein, mit dem das Virus an der menschlichen Zelle andockt und auf das auch die Impfstoffe der ersten Generation abzielen. Verändert sich ein Virus so, dass Antikörper von Genesenen und Geimpften weniger gut ansprechen, nennen Fachleute dies Immunflucht (Immunescape).
Wie sehr ist die neue Virusvariante schon verbreitet?
Die Corona-Infektionszahlen steigen wegen der hochansteckenden Omikron-Variante massiv an. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor einem „Tsunami“ von Corona-Fällen und einem Kollaps der Gesundheitssysteme. „Omikron breitet sich mit einer Geschwindigkeit aus, die wir bei keiner vorherigen Variante gesehen haben“, sagt WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Die EU-Kommission erwartet, dass B.1.1.529 im Januar 2022 in ganz Europa die dominierende Variante sein wird. Die WHO schätzt, dass sich bis Anfang März bereits mehr als die Hälfte der Menschen im Großraum Europa mit der neuen Coronavirus-Variante angesteckt haben.
Die bislang ältesten bekannten Nachweise der Variante stammen aus der ersten November-Hälfte. Wissenschaftler hatten sie zunächst im Süden Afrikas entdeckt.
Wie verbreitet ist Omikron in Deutschland?
In Deutschland wurde die Virusvariante Ende November 2021 zuerst in Bayern und in Hessen bei mehreren Reise-Rückkehrern aus Südafrika nachgewiesen. Im Norden meldete Niedersachsen am 3. Dezember 2021 den ersten Omikron-Nachweis. In der Folgezeit wurde die Virusvariante auch in den anderen norddeutschen Bundesländern bestätigt. Seit dem 23. Dezember ist die Omikron-Variante bei den Neuinfektionen in Schleswig-Holstein dominant, seit Anfang Januar auch in Niedersachsen und Hamburg. In der zweiten Kalenderwoche 2022 wurden laut Meldedaten aus den Bundesländern 89 Prozent der auf Varianten untersuchten Corona-Nachweise Omikron zugeordnet. Das geht aus dem Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) vom 20. Januar hervor. Laut RKI-Übersicht vom 20. Januar 2022 wurden seit Mitte November bundesweit 248.045 Infektionen mit der neuen Virusvariante gemeldet.
Ist Omikron ansteckender als bisherige Varianten?
Zu Übertragbarkeit, Schweregrad von Erkrankungen und Auswirkungen auf die Immunabwehr gibt es aufgrund fehlender Daten noch Unsicherheiten. Nach bisherigen Erkenntnissen gilt die neue Mutante als hoch ansteckend. Eine dänische Studie aus dem Dezember 2021 zeigt, dass es bei Omikron eine höhere Ansteckungsrate als bei der Delta-Variante gibt.
Der Expertenrat der Bundesregierung warnte vor einer neuen Dimension im Pandemiegeschehen. Die Variante infiziere in kürzester Zeit deutlich mehr Menschen und beziehe auch Genesene und Geimpfte stärker in das Infektionsgeschehen ein. Damit droht eine Gefahr für die kritische Infrastruktur wie Strom- und Wasserversorgung, aber auch bei Feuerwehr, Polizei und in Kliniken, wenn dort mehrere Mitarbeitende krankheitsbedingt gleichzeitig ausfallen. „Momentan ist das Risiko, dass man sich infiziert, für uns alle höher als es jemals war“, sagte Virologin Sandra Ciesek am 18. Januar im Podcast Coronavirus-Update.
Ist Omikron gefährlicher als bisherige Varianten?
Nach Angaben einer Krankenhausgruppe in Pretoria wurden bei hospitalisierten Patienten in Südafrika zunächst mildere Verläufe beobachtet. Für Ungeimpfte sei die neue Variante aber nicht harmlos, warnt der Virologe Christian Drosten. Neben Hinweisen auf milde Verläufe gibt es auch Anhaltspunkte für Reinfektionen. Ein Preprint aus Südafrika legt nahe, dass die Reinfektionsquote mit dem Auftauchen von Omikron um das 2,5-Fache angestiegen ist.
Laut einer Ende Dezember veröffentlichten Untersuchung der UK Health Security Agency ist bei einer Omikron-Infektion das statistische Risiko, im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, etwa ein Drittel so hoch wie bei einer Ansteckung mit der Delta-Variante. Laut Virologin Ciesek fehlen aber noch Daten zu Long Covid und zu PIMS, einem Entzündungssyndrom, das erst Wochen nach einer Coronavirus-Infektion vor allem bei Kindern entstehen kann. Ciesek warnte davor, sich vorsätzlich mit Omikron anzustecken.
Sind Geimpfte vor einem schweren Verlauf geschützt?
Das Robert Koch-Institut (RKI) hat seine Risikobewertung wegen der Omikron-Variante verschärft. Für zweifach Geimpfte und Genesene werde die Gefahr einer Ansteckung nun als „hoch“ angesehen, teilte das RKI am 20. Dezember 2021 mit. Für Geimpfte mit Auffrischimpfung schätzt das Institut die Gefährdung hingegen als „moderat“ ein. Report 50 vom Imperial College London stützt diese Annahme. Bei Menschen mit Booster-Impfung reduziert sich danach die Wahrscheinlichkeit einer Hospitalisierung sogar um 63 Prozent. „Was also richtig schützt gegen Omikron, ist eine Dreifach-Impfung“, sagt Virologe Drosten.
Omikron dürfte die erste Abwehrlinie des Immunsystems, die Antikörper, überwinden können. Das Immunsystem Geimpfter hat aber noch weitere Mittel, sich zur Wehr zu setzen wie zum Beispiel die T-Zell-Antwort.
Wie wirken die aktuellen Impfstoffe gegen eine Infektion?
Hersteller Biontech/Pfizer wertete zwei Impfstoff-Dosen als nicht ausreichenden Schutz vor einer Infektion. Eine Studie aus Großbritannien ergab, dass die Wirksamkeit gegen eine symptomatische Infektion mit Omikron 15 Wochen nach der zweiten Dosis Biontech auf 34 Prozent sinkt. Menschen, die mit zwei Dosen des AstraZeneca-Präparats geimpft worden waren, hatten keinen Schutz mehr vor symptomatischer Infektion. Zwei Wochen nach einer Booster-Impfung stieg die Effektivität bei beiden Präparaten auf über 70 Prozent.
Auch eine Auffrischdosis mit Moderna erhöht die Immunabwehr des Körpers deutlich. Im Vergleich zu einer Zweifach-Impfung sei der neutralisierende Antikörperspiegel nach einem Booster um das rund 37-fache gestiegen, so das Unternehmen. Laut einer dänische Studie (Dezember 2021) senkt eine dritte Impfdosis signifikant das Risiko, sich mit Omikron anzustecken. Laut WHO-Europadirektor Hans Kluge bieten zugelassene Impfstoffe weiter guten Schutz vor ernsthaften Erkrankungen und Tod.
Reicht der Booster als Schutz vor Omikron?
Mit der – meist – dritten Impfung können Antikörperspiegel zwar wieder angehoben werden, trotzdem sind bereits Omikron-Fälle bei dreifach Geimpften bekannt. Die Virologin Sandra Ciesek von der Uniklinik Frankfurt warnte daher, dass eine Konzentration auf die Booster-Kampagne nicht reichen werde, auch weil der Schutz wieder nachlasse. Dennoch sei der Wert der Booster-Impfung hoch, sagte der Virologe Christian Drosten im NDR Corona-Podcast. „Die doppelte Impfung wird für die Verbreitungskontrolle wahrscheinlich weniger beitragen bei Omikron. Da sind wir ziemlich ungeschützt“, sagte Drosten. „Aber die Dreifach-Impfung macht den Unterschied.“ Die Impfung ist erst nach drei Dosen vollständig, so wie zum Beispiel die Impfung gegen Polio oder Tetanus auch. Außerdem: Dreifach Geimpfte geben das Virus untereinander seltener weiter.
Welche Maßnahmen wirken gegen Omikron?
Die Welle flachhalten: Das ist das Motto, das viele Wissenschaftler und die WHO ausgeben. Auf die Kombination von Maßnahmen komme es an. Das Impfen allein werde kein Land aus dieser Krise bringen. Es brauche zusätzlich etwa Masken, Abstand, Lüften, Handhygiene. Mehrere Experten halten an Omikron angepasste Impfstoffe für nötig.
Wann ist mit angepassten Impfstoffen zu rechnen, die besser gegen Omikron wirken?
Die Impfstoffhersteller Biontech und Moderna arbeiten nach eigenen Angaben bereits an der Entwicklung angepasster mRNA-Vakzine. Sie werden vermutlich frühestens im zweiten Quartal 2022 zur Verfügung stehen. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) rechnet bis spätestens Juni mit einem Update. Der Zulassungsprozess habe bereits begonnen, sagte PEI-Präsident Klaus Cichutek am 10. Januar.
Könnte die Virusvariante die Wirkung von Medikamenten gegen Sars-CoV-2 beeinträchtigen?
Bei monoklonalen Antikörpern, die als frühe Therapie bei einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf eingesetzt werden, könnte das der Fall sein. Die künstlich hergestellten Eiweiße sollen Coronaviren am Eintritt in die menschliche Zelle hindern. Doch genau diesen Antikörpern kann Omikron offenbar ausweichen. Die gute Nachricht: An den Angriffspunkten der kürzlich entwickelten antiviralen Medikamente Molnupiravir und Paxlovid wurde bislang nur eine Mutation identifiziert; sie würden wohl weiter wirken.
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