Ladenhüter Astrazeneca? Was die Bundesländer jetzt mit den übrigen Dosen machen

4. März 2021 Aus Von mvp-web

15:17:03

Millionen Astrazeneca-Dosen könnten bald auf Halde liegen, wenn die Länder nicht schnell das Impftempo hochfahren. Nun gibt es positive Signale – und einige Erklärungen für den schleppenden Start. Alle Bundesländer in der Übersicht.

In den Bundesländern wächst nach dem zögerlichen Start die Hoffnung auf einen schnellen Abbau des Astrazeneca-Impfstaus. Mehrere Länder rechnen mit einem deutlichen Hochfahren der Impfungen mit dem britisch-schwedischen Vakzin, wie eine Abfrage von FOCUS Online ergab. Bis zuletzt hatte nur ein kleiner Teil der gelieferten Dosen den Weg in die Oberarme der Menschen gefunden. Die Gründe dafür sind teils überraschend.

Zwei Millionen Impfdosen könnten bald ablaufen

Insgesamt fast 3,2 Millionen Dosen des Astrazeneca-Impfstoffs sollen bis Donnerstag an die Länder geliefert sein, wie aus Angaben des Bundesgesundheitsministeriums hervorgeht. Bis einschließlich Montag sind nach Zahlen des Robert Koch-Instituts (RKI) jedoch lediglich 514.000 Dosen verabreicht worden.

Verglichen mit den Impfstoffmengen ist das Impftempo noch sehr überschaubar: Am Montag wurden rund 59.000 Menschen mit Astrazeneca geimpft, über die beiden Wochenend-Tage waren es rund 91.000. Klar ist: Bleibt es bei dem Tempo, könnten bis Ende der Woche über zwei Millionen Dosen auf Halde liegen.

Mehr Berufsgruppen, weniger Vorbehalte

In mehreren Bundesländern werden bereits Impftermine für die zweite Prioritätsgruppe vergeben, andere planen das – und somit könnten zusätzlich Millionen von Menschen bald ein Recht auf eine Astrazeneca-Impfung haben.

Und die Vorbehalte scheinen zu schwinden: Bundesländer wie etwa Brandenburg, Thüringen und Baden-Württemberg verzeichneten zuletzt eine stärkere Terminnachfrage. Zuvor hatten viele Länder bereits die Kapazitäten in den Impfzentren hochgefahren.

Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) hofft zudem auf den raschen Einsatz des Astrazeneca-Mittels bei Menschen über 65. Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hatte am Freitagabend im ZDF eine aktualisierte Empfehlung zu dem Impfstoff „sehr bald“ angekündigt. Er berief sich auf neue internationale Daten zu dessen Wirksamkeit bei über 65-Jährigen.

Nicht nur Imageproblem ist schuld

Dennoch liegt noch stapelweise Impfstoff im Kühlschrank. Zuletzt hatte es geheißen, das Astrazeneca-Vakzin habe ein Imageproblem und werde deswegen so zögerlich verabreicht. Die Erfahrungen aus den Ländern zeigen: Das ist nur ein Teil der Wahrheit.

In Schleswig-Holstein etwa musste zunächst die Buchungssoftware umgestellt werden, um Astrazeneca in großem Stil in den Impfzentren einsetzen zu können. In Nordrhein-Westfalen wurde das Impftempo in Krankenhäusern zuletzt bewusst gedrosselt, weil teilweise Mitarbeiter nach der Impfung kurzzeitig ausgefallen waren.

Die Impftermine wurden daher über einen längeren Zeitraum gestreckt – damit nicht zu viele Mitarbeiter gleichzeitig mit Impfreaktionen ausfallen. Und Baden-Württemberg begründete die niedrigen Impfzahlen mit einer statistischen Verzögerung: Impfungen in den Krankenhäusern werden demnach erst verspätet in den Impfzentren statistisch erfasst.

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Seibert, hatte sich jüngst gegen den Eindruck verwehrt, dass Impfstoff einfach ungenutzt rumliege. So könne Impfstoff erst relativ frisch geliefert sein, für eine zweite Impfung zurückgehalten werden oder noch nicht verimpft, aber für bestimmte Impfungen vorgesehen sein.

„Heillos überfordert“

Nach Ansicht des Sozialverbands „VdK“ sollten die Länder dennoch Tempo machen. „Der Impfstoff ist da, verkommt aber teils in den Impfzentren“, sagte Präsidentin Verena Bentele. Beim Verband meldeten sich immer mehr Mitglieder, die chronisch krank oder behindert seien und sich impfen lassen wollten, aber verzweifelt auf Termine warteten.

Der „VdK“ monierte, dass der Bund das Verfahren den Ländern und Landräten überlasse. Diese seien offensichtlich „heillos überfordert“, Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen ausfindig zu machen.

Mecklenburg-Vorpommern

Im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern geht es bei den Impfungen zumindest in kleinen Schritten voran. Im Nordosten können künftig deutlich mehr Menschen als bisher eine Impfung gegen das Coronavirus bekommen. Das Kabinett gab am Dienstag (2. März)  den Astrazeneca-Impfstoff für Menschen der Prioritätsgrupe 2 frei.

Noch in dieser Woche kämen Impfteams der Landkreise in Kitas, Grund- und Förderschulen, um die Beschäftigten dort zu impfen, erklärte Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU).

Nächste Woche könnten dann alle unter 65-Jährigen, die der Prioritätsgruppe zwei zugeordnet sind, über das landesweite Callcenter Impftermine vereinbaren. Zu dieser Gruppe gehören den Angaben zufolge unter anderem Haus- und Fachärzte und ihre Personal sowie chronisch Kranke. Das Personal im Callcenter soll dazu aufgestockt werden.

Die Nachfrage nach dem Astrazeneca-Impfstoff war in der Prioritätsgruppe 1 bei Pflegekräften bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Viele Impfdosen blieben liegen. Aus den Kommunen wurde daraufhin die Forderung laut, weiteren Gruppen eine Impfung zu ermöglichen. Minister Glawe erwartet in den nächsten Tagen weitere 30.000 Dosen des Astrazeneca-Impfstoffs in Mecklenburg-Vorpommern.