Pfizer, Moderna, Astrazeneca: Großer Liefer-Überblick zeigt: Spahns Impfversprechen könnte noch in Erfüllung gehen
7. April 202116:02:10
Die Impf-Kampagne hat vor gut einem Monat begonnen, Corona-Vakzine sind in Deutschland weiterhin Mangelware. Das könnte sich bald ändern: Eine Analyse der Lieferpläne des Bundesgesundheitsministeriums zeigt, dass bis Ende Juni gut 52 Millionen Deutsche geimpft sein könnten – vorausgesetzt, es kommt nicht wieder etwas dazwischen.
Die Impf-Kampagne gegen das Coronavirus kommt in Deutschland nur schleppend voran – und das, obwohl Deutschland eigentlich genügend Impfstoff bestellt hat. 255 Millionen Dosen orderte die Bundesregierung bisher über die EU bei fünf verschiedenen Herstellern. Weitere 55 Millionen wurden zusätzlich auf eigene Rechnung bestellt. Insgesamt rechnet die Regierung mit 323 Millionen Impfdosen bis Ende 2021.
Doch bereits mit etwas mehr als der Hälfte der bestellten Dosen ließen sich alle Menschen in Deutschland gegen das Coronavirus impfen.
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Impfstoff-Mangel in Deutschland: Probleme bei der Produktion breiten Spahn sorgen
Der Grund für den derzeitigen Impfstoffmangel liegt somit hauptsächlich in den beschränkten Produktionskapazitäten der Hersteller. Von der Europäischen Arzneimittelbehörde zugelassen sind derzeit nur die Vakzine der Firmen Biontech/Pfizer, Moderna und Astrazeneca – alle drei kämpfen in Europa mit Produktionsproblemen.
Spahn rechnet mit ansteigender Produktion bei den Herstellern
Mit Blick auf die kommenden Monate gab die Regierung am Montag erstmals Einblick in ihre noch sehr vagen Planungen. Nach 18,3 Millionen Impfdosen im laufenden ersten Quartal könnten demnach laut einer aktuellen Schätzung im zweiten Quartal voraussichtlich 77,1 Millionen Dosen und im dritten Quartal 126,6 Millionen Dosen verschiedener Hersteller folgen. Im vierten Quartal könnten es dann weitere 100,2 Millionen Dosen sein.
Doch welcher Impfstoff-Hersteller liefert voraussichtlich wann – und welche Auswirkungen hat das auf die Impfquote in Deutschland?
Biontech/Pfizer
Lieferplan: 1. Quartal: 10,9 Millionen Dosen, Q2: 40,2 Millionen, Q3: 34,7 Millionen, Q4: 13,5 Millionen
Beim Präparat von Biontech/Pfizer handelt es sich um einen sogenannten mRNA-Impfstoff. Die mRNA wird künstlich im Labor hergestellt und enthält eine präzise Bauanleitung für erregerspezifische Antigene. Das sind die für den jeweiligen Erreger typischen Eiweißstoffe, die eine Immunreaktion im Körper provozieren und gegen das Virus immun machen. Werden beiden Impfdosen in einem Abstand von drei Wochen verabreicht, verspricht der Hersteller eine Wirksamkeit von 95 Prozent. Gelagert wird das Präparat bei -70 Grad Celsius, was gerade im Bereich der Logistik eine Herausforderung darstellt.
Allein im Februar plant das Unternehmen aus Mainz mit seinem amerikanischen Produktionspartner etwas mehr als 3,2 Millionen Dosen nach Deutschland zu liefern.
Höhere Produktionsmengen sollen zudem durch das neue Werk in Marburg erreicht werden. Dort soll es möglich sein, bis zu 750 Millionen Impfstoffdosen im Jahr zu produzieren: Ein Großteil davon dürfte an die EU gehen.
Wie das „ZDF“ unter Berufung auf Regierungskreise berichtet, plant die Regierung für das erste Quartal 2021 mit insgesamt 10,9 Millionen Biontech-Dosen. 40,2 Millionen sollen es in Q2, 34,7 Millionen in Q3 und wieder 13,5 Millionen in Q4 sein.
Nimmt man die bisherige Strategie der Bundesregierung als Grundlage, wonach sowohl Erst- als auch Zweitimpfung wie empfohlen durchgeführt werden sollen, könnten bis Mitte des Jahres somit 25,5 Millionen Menschen in Deutschland mit einem Biontech-Impfstoff vor dem Virus geschützt werden.
Moderna
Lieferplan: 1. Quartal: 1,8 Millionen Dosen, Q2: 6,4 Millionen, Q3: 26,7 Millionen, Q4: 44,9 Millionen
Auch der Impfstoff des US-Herstellers Moderna basiert auf der mRNA-Technologie, eine zweifache Impfung ist demnach ebenso notwendig. Seit der Zulassung des Impfstoffes in Europa am 6. Januar lieferte das Unternehmen bisher gerade einmal 153.600 Impfdosen nach Deutschland. Bis Mitte des Monats rechnet das Bundesgesundheitsministerium mit weiteren 182.400 Dosen und damit 43.200 weniger als angekündigt. Die kleinere Charge werde jedoch durch eine höhere Biontech-Lieferung zur selben Zeit kompensiert, heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium.
In den kommenden Monaten spielt das Moderna-Vakzin, mit seiner Wirksamkeit von 95 Prozent, im Impfplan des BMG eine vergleichsweise kleine Rolle. Mit den laut „ZDF“ 8,2 Millionen eingeplanten Dosen bis Ende Juni würden sich nur etwas mehr als vier Millionen Bürger immunisieren lassen. Ähnlich wie das Biontech/Pfizer-Vakzin muss auch der Moderna-Impfstoff zudem tiefgekühlt werden, was eine Verabreichung über ambulante Einrichtungen nahezu ausschließt.
Astrazeneca
Lieferplan: 1. Quartal: 5,6 Millionen Dosen, Q2: 16,9 Millionen, Q3: 33,8 Millionen, Q4: 0 Millionen
Zwischen dem britischen Impfstoff-Hersteller und der EU entbrannte in der vergangenen Woche ein offenerer Streit, nachdem das Unternehmen bekannt gab, im ersten Quartal deutlich weniger als die anvisierten 80 Millionen Dosen zu liefern. Stand jetzt, kann die EU gerade einmal mit der Hälfte der Menge planen. Welche Auswirkungen das auf die Lieferpläne Deutschlands hat, ist noch unklar. Zugelassen wurde das Präparat in Europa am vergangenen Freitag.
Der Covid-19-Impfstoff Astrazenecas stimuliert die natürlichen Abwehrkräfte des Körpers. Er bewirkt, dass der Körper seinen eigenen Schutz, also Antikörper gegen das Virus erzeugt. Anders als bei Biontech oder Moderna handelt es sich dabei nicht um einen mRNA-, sondern einen deutlich stabileren Vektor-Impfstoff, der bei Kühlschranktemperatur mehr als sechs Monate aufbewahrt werden kann. Auf eine aufwendige Kühlkette kann hier also verzichtet werden. Der Hersteller selbst geht von einer Wirksamkeit von 70 Prozent aus.
Unklarheit herrscht jedoch bei der Wirksamkeit des Impfstoffes für Menschen über 65 Jahren. Obwohl die europäische Arzneimittel Behörde das Vakzin freigab, empfiehlt die ständige Impfkommission in Deutschland, das Mittel nur bei entsprechend jüngeren Bevölkerungsgruppen (18-64 Jahre) einzusetzen. Gesundheitsminister Spahn erklärte, die Impfverordnung zu überarbeiten. Man werde zwar generell an einer Priorisierung festhalten, aber die „Alterskomponente“ für den Astrazeneca-Impfstoff aufgreifen. „Die Grundreihenfolge bleibt, aber wir gehen sie zusätzlich altersgestaffelt an“, sagte der Minister am Samstag bei einer Online-Veranstaltung in Berlin.
Trotz aller Ungereimtheiten rechnet das BMG bis 17. Februar mit etwas mehr als 1,5 Millionen Impfdosen von Astrazeneca, bis Ende des zweiten Quartals sollen es nach Informationen des „ZDF“ 22,5 Millionen sein. Da auch hier zwei Wirkstoffgaben notwendig sind, könnten bis Mitte des Jahres somit 11,25 Millionen geimpft werden.
Zwischenfazit: Allein mit den bisher zugelassenen Impfstoffen können bis Ende Juni 40,9 Millionen Menschen in Deutschland mit Impfstoff versorgt werden (81,8 Millionen Dosen). Weitere Zulassungen für die Impfstoffe der Firmen Curevac sowie Johnson&Johnson könnten die Impf-Kampagne zusätzlich beschleunigen.
Johnson&Johnson
Lieferplan: 1. Quartal: 0 Millionen Dosen, Q2: 10,1 Millionen, Q3: 22 Millionen, Q4: 4,8 Millionen
Auf dem Impfstoff des US-Pharmaunternehmens ruhen große Hoffnungen, muss er doch nur einmal verabreicht werden, was bei einer breiten Anwendung helfen würde.
Sorge bereitet jedoch die Wirksamkeit. Laut einem Zwischenbericht des Herstellers zu seiner Phase-III-Studie mit rund 44.000 Probanden zeige der Wirkstoff bei einfacher Verabreichung nur einen Schutz von 66 Prozent. Einen Zulassungsantrag des US-Herstellers erwartet die Europäische Arzneimittelbehörde bereits in der kommenden Woche.
Von den insgesamt 37,5 Millionen bestellten Dosen erwartet das BMG laut „ZDF“ 10,1 Millionen für das zweite Quartal. Gemeinsam mit den bereits zugelassenen Präparaten könnten in Deutschland Ende Juni somit mehr als die Hälfte (51 Millionen) aller Bürger geimpft sein.
Curevac
Lieferplan: 1. Quartal: 0 Millionen Dosen, Q2: 3,5 Millionen, Q3: 9,4 Millionen, Q4: 11,7 Millionen
Vor wenigen Monaten galt das Tübinger Unternehmen noch als aussichtsreichster Kandidat für eine schnelle Marktzulassung seines Corona-Impfstoffes. Nun aber könnte Curevac erst als Fünfter ins Ziel kommen. Das Unternehmen rechnet mit einer Zulassung im zweiten Quartal. Ob schon im zweiten Quartal Impfstoff produziert werden kann, bleibt abzuwarten.
Mut macht jedoch die Ansage des Pharmariesen Bayer, Curevac bei der Produktion zu unterstützen. Beide Firmen gaben am Montag bekannt, dass sie eine bereits Anfang Januar geschlossene Kooperation erweitert haben. „Eine Prüfung der eigenen Möglichkeiten habe ergeben, „dass wir über die erforderlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten verfügen, den mRNA-basierten Impfstoff von Curevac herstellen zu können“, sagte Bayer-Vorstand Stefan Oelrich
Das Präparat wird von Curevac derzeit noch entwickelt. Es basiert wie die Impfstoffe von Biontech und Moderna auf mRNA-Technologie und muss somit auch zweimal verabreicht werden. Wenn die weiteren Entwicklungs- und Zulassungsschritte planmäßig verlaufen, könnte es ab diesem Sommer gespritzt werden – dann zunächst mit Dosen, die nicht von Bayer gefertigt wurden.
Fazit
Rechnet man mit den 3,5 Millionen Curevac-Dosen, die das BMG offenbar für das 2. Quartal einplant, könnten dadurch weitere 1,25 Millionen Personen in Deutschland bis Ende Juni eine Impfung erhalten. Die Zahl der vollständig Geimpften in Deutschland könnte dadurch auf 52,25 Millionen steigen. Zwar wäre das Ziel der Herdenimmunität damit noch nicht erreicht, die Entlastung für das Gesundheitssystem und die Gesellschaft jedoch deutlich spürbar.
Das Versprechen von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), jedem Bürger bis Ende des Sommers ein Impf-Angebot machen zu machen, könnte indes tatsächlich im dritten Quartal erreicht werden. Immer vorausgesetzt unerwartete Rückschläge bei der Zulassung neuer Impfstoffe oder weitere Produktionsengpässe bleiben aus.