Eilmeldung Bundestag beschließt Corona-„Notbremse“

Eilmeldung Bundestag beschließt Corona-„Notbremse“

21. April 2021 Aus Von mvp-web

Stand: 21.04.2021 16:03 Uhr

Der Bundestag hat die bundesweit einheitliche Corona-„Notbremse“ beschlossen. Der Bund kann damit seine Befugnisse deutlich ausweiten. Die Opposition kritisierte das auch in der Bundestagsdebatte scharf.

Trotz umfassender Kritik der Opposition hat der Bundestag mehrheitlich Änderungen im Infektionsschutzgesetz beschlossen und damit die gesetzliche Basis für die Umsetzung der „Bundesnotbremse“ geschaffen.

Die „Notbremse“ sieht bundesweit einheitliche Verschärfungen der Corona-Maßnahmen vor, sobald bestimmte Inzidenzwerte erreicht werden. Überschreitet die Sieben-Tage-Inzidenz 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, sollen nächtliche Ausgangssperren in Kraft treten. Bei einem Wert bis zu 150 dürfen Geschäfte ihren Kunden noch das Einkaufen per Terminvergabe anbieten – vorausgesetzt, die Kunden lassen sich vorher testen. Und ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 müssen die Schulen wieder zum Distanzunterricht zurückkehren.

Nach Kritik abgemildert

Die Pläne für die bundesweit einheitliche „Notbremse“ hatte die Bundesregierung bereits vor etwa zweieinhalb Wochen erstmals vorgestellt – damals mit teils noch strikteren Regelungen. Die nächtliche Ausgangssperre sollte beispielsweise schon ab 21 Uhr statt wie jetzt ab 22 Uhr gelten und nicht systemrelevante Geschäfte ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 komplett schließen.

Doch die Kritik an diesen strengen Auflagen war zu groß, also wurde nochmals nachgearbeitet. Die nun etwas mildere Variante der „Bundesnotbremse“ muss morgen noch vom Bundesrat abgesegnet werden. Sollte auch die Länderkammer zustimmen, sollen die Regelungen vorerst bis Ende Juni gelten.

Zahlreiche Einwände von Oppositionsparteien

Die „Bundesnotbremse“ bleibt aber nach wie vor umstritten. In der Bundestagsdebatte übte vor allem die Opposition heftige Kritik an den Maßnahmen. Die FDP stört sich vor allem an der geplanten nächtlichen Ausgangssperre. Sie sei kein „geeignetes Mittel“, um die Pandemie einzudämmen, betonte die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus. Die Maßnahmen „schränken nur in unzulässiger Weise die Grundrechte ein und treiben die Menschen in den privaten Bereich“. Die Partei droht aus diesem Grund, eine Verfassungsbeschwerde gegen die „Bundesnotbremse“ einzureichen.

Für die Linkspartei lassen die Änderungen im Infektionsschutzgesetz noch zu viele Lücken, gerade im Hinblick auf Unternehmen. Die würden nicht stark genug in die Pflicht genommen, betonte die Fraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali. Die Arbeit im Homeoffice müsse stärker kontrolliert werden. Zudem sei es nicht ausreichend, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten zwar Corona-Tests anbieten müssten, den Arbeitnehmern es aber freistehe, diese auch wahrzunehmen.

Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink hatte die Regelungen als „zu halbherzig“ kritisiert.

Grundsätzliche Kritik an der „Notbremse“ kam von der AfD. Aus Sicht von Fraktionschef Alexander Gauland stellt die „Notbremse“ einen „Angriff auf die Freiheitsrechte, den Föderalismus wie den gesunden Menschenverstand“ dar sowie eine „Missachtung der Grundrechte“.

Stand: 21.04.2021 15:45 Uhr

Der Bundestag hat die bundesweit einheitliche Corona-„Notbremse“ beschlossen. Durch Änderungen am Infektionsschutzgesetz erhält der Bund die Befugnis, Kontaktbeschränkungen und Schließungen anzuordnen.

14:46:20

Heute stimmt der Bundestag über die bundesweite Corona-„Notbremse“ ab. Für eine möglichst breite Zustimmung wurde der Entwurf in einigen Punkten abgeschwächt, einer wurde verschärft. Eine Übersicht.

Ausgangssperren

Wie bisher geplant soll es in Gebieten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 100 nächtliche Ausgangssperren bis 5.00 Uhr morgens geben. Jedoch soll diese nun erst ab 22.00 Uhr beginnen, statt wie im Kabinettsbeschluss ursprünglich vorgesehen um 21.00 Uhr. Zudem bleibt nun zwischen 22.00 und 24.00 Uhr die „im Freien stattfindende körperliche Bewegung alleine“ erlaubt, also zum Beispiel Joggen ohne Begleitung. Die Ausnahmen für Wege von und zur Arbeit oder andere gewichtige Gründe – wie beispielsweise die Versorgung von Tieren – bleiben bestehen.

Schulen

Die vielfach als zu hoch kritisierte Schwelle für das Ende des Präsenzunterrichts in Schulen ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 200 wurde im Zuge der Beratungen herabgesetzt. Nun ist schon ab einer Inzidenz von 100 Wechselunterricht vorgeschrieben, ab einem Wert von 165 wird nur noch Distanzunterricht erlaubt. Es bleibt bei einer Testpflicht für Schülerinnen und Schüler.

Arbeitswelt

Es bleibt dabei, dass die Homeofficepflicht, die bisher per Verordnung geregelt ist, nunmehr im Infektionsschutzgesetz verankert wird. Demnach müssen Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber den Beschäftigten „im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten“ anbieten, diese in der eigenen Wohnung auszuführen, „wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen“.

Die Beschäftigten müssen dieses Angebot annehmen, „soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen“. Die Vorgabe gilt unabhängig von der Sieben-Tage-Inzidenz. Wenn kein Homeoffice möglich ist, muss in den Betrieben getestet werden.

Einzelhandel

Vorgesehen war zunächst, dass der Einzelhandel bei einer Sieben-Tage-Inzidenz über 100 schließen muss. Ausnahmen sollte es nur für Läden des täglichen Bedarfs wie etwa Supermärkte geben. Nun soll jedoch bei einer Inzidenz zwischen 100 und 150 noch der Besuch aller anderen Einzelhandelsgeschäfte nach vorheriger Terminbuchung möglich sein.

Voraussetzung für das Shoppen mit Termin ist unter anderem ein negativer Corona-Test. Unabhängig von der Inzidenz soll zudem „die Abholung vorbestellter Waren in Ladengeschäften“ zulässig sein.

Kindersport

Bei einer Sieben-Tage-Inzidenz über 100 sollte Sport laut der ursprünglichen Kabinettsfassung in der Regel nur noch „allein, zu zweit oder mit den Angehörigen des eigenen Hausstands“ erlaubt sein. Nun ist aber eine Ausnahme für Kinder unter 14 Jahren geplant: Sie sollen „in Gruppen von höchstens fünf Kindern“ gemeinsam Sport treiben dürfen.

Beerdigungen

Im Gesetzentwurf war zunächst vorgesehen, dass bei einer Inzidenz ab 100 für Trauerfeiern nur noch 15 Personen zusammenkommen dürfen. Die erlaubte Teilnehmerzahl wurde nun auf 30 verdoppelt.

Zoos

Bisher war vorgesehen, dass Zoos und botanische Gärten ab einer Inzidenz von 100 schließen müssen. Nun sollen die Außenbereiche solcher Einrichtungen grundsätzlich weiter öffnen können, wenn „angemessene Schutz- und Hygienekonzepte“ eingehalten werden. Außerdem müssen Besucherinnen und Besucher ab dem Alter von sechs Jahren einen negativen Corona-Test vorweisen.

Fußpflege

Analog zu Friseurbetrieben sollen nun auch Fußpflegerinnen und Fußpfleger auch bei Inzidenzen über 100 weiterhin ihre Kundinnen und Kunden empfangen dürfen.

Öffentlicher Nahverkehr

Zunächst war geplant, dass nicht nur Fahrgäste eine FFP2-Maske tragen müssen, sondern auch „das Kontroll- und Servicepersonal, soweit es in Kontakt mit Fahrgästen kommt“. In der geänderten Fassung ist jetzt aber vorgesehen, dass das Personal stattdessen auch eine OP-Maske verwenden darf.

Verordnungen

Rechtsverordnungen des Bundes für zusätzliche Eindämmungsmaßnahmen sollen nun nur noch mit aktiver Zustimmung des Bundestags möglich sein. Zuvor war geplant gewesen, dass nach Verstreichen einer bestimmten Frist die Zustimmung des Parlaments als erteilt gilt.

Zudem darf die Bundesregierung „Erleichterungen oder Ausnahmen von Geboten und Verboten“ für Menschen erlassen, „bei denen von einer Immunisierung gegen das Coronavirus Sars-CoV-2 auszugehen ist“ – in erster Linie also vollständig Geimpfte. Auch für Menschen mit negativem Corona-Test soll es in bestimmten Fällen Ausnahmen geben können.

Laufzeit

Das Gesetz soll nur so lange gelten, wie der Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite feststellt. Und dafür wurde nun auch noch eine konkrete Frist eingefügt: „längstens jedoch bis zum Ablauf des 30. Juni 2021“.