Schießplatz Güstrow: Ermittlungen gegen Polizisten aus Bayern
28. April 2021Sie stehen unter Verdacht, Dienstmunition bei einem Schießtraining in Güstrow beiseite geschafft zu haben.
Ein Schießplatz bei Güstrow wird für die Polizei bundesweit immer mehr zum Problem: Weil dort SEK-Beamte Dienstmunition in die eigene Tasche gesteckt haben sollen, wird gegen immer mehr Polizisten ermittelt: jüngst in Sachsen, jetzt auch in Bayern.
Die Ermittlungen im Umfeld des privaten Schießplatzes „Großer Bockhorst“ bei Güstrow (Landkreis Rostock) ziehen immer weitere Kreise. Jetzt stehen zwei Polizisten einer Spezialeinheit aus Bayern unter Verdacht, Dienstmunition bei einem Schießtraining dort beiseite geschafft zu haben. Das bayerische Landeskriminalamt und die Generalstaatsanwaltschaft im Freistaat haben zwei Dienststellen in Augsburg und Nürnberg durchsuchen lassen, dort sind Polizei-Spezialeinheiten untergebracht. Außerdem hat es eine Razzia in einer Wohnung gegeben.
Kein Hinweis für rechtsextremistisches Motiv
Verdächtig sind zwei Polizisten der Spezialeinheiten. Sie sollen bei Schießübungen auf dem weitläufigen Schießplatz in Güstrow Dienstmunition unterschlagen haben. Um welche Größenordnung es sich handelt, teilten die Behörden nicht mit. Die Ermittlungen gegen die eigenen Kollegen führt die „Bayerische Zentralstelle für die Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET)“. Geprüft werde auch, ob weitere bayerische Beamte in vergleichbarer Weise Munition unterschlagen haben. Derzeit lägen keine Anhaltspunkte für einen rechtsextremistischen Hintergrund der Beschuldigten vor, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung von Landeskriminalamt und Generalstaatsanwaltschaft in Bayern.
Ermittlungen gegen Schießtrainer Frank T.
Auf dem Gelände trainierten jahrelange Polizei-Spezialeinheiten aus Deutschland und Europa. Gegen den Cheforganisator und privaten Schießtrainer Frank T. ermittelt die Rostocker Staatsanwaltschaft. Er wird in Verbindungen mit dem rechtsextremen Netzwerk Nordkreuz gebracht. Polizisten, die Nordkreuz-Mitglieder waren, trainierten bei ihm.
Weitere polizeiinterne Untersuchungen
Die Ermittlungen in Bayern gehören zu einer ganzen Kette von polizeiinternen Untersuchungen. Auslöser war das Verfahren gegen das Nordkreuz-Mitglied Marko G., einem Ex-SEK-Beamten aus der Nähe von Schwerin. Der wurde im Dezember 2019 unter anderem wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Über ihn kam die Staatsanwaltschaft auf Frank T. Der bestreitet jede Nähe zu Rechtsextremisten. Frank T. soll jedoch von den Deals mit Dienst-Munition profitiert haben. Die Ermittlungen gegen ihn und Marko. G. lösten bundesweit Aktivitäten der Staatsanwaltschaften aus: Ende März war bekannt geworden, dass Angehörige eines Spezialeinsatzkommandos aus Sachsen 2018 unerlaubt in Güstrow trainierten und dafür mit unterschlagener Dienstmunition bezahlt haben sollen. Der Kommandeur und drei Schießausbilder gelten als Hauptbeschuldigte. Sie wurden vom Dienst suspendiert.
Keine Schießübungen mehr in Güstrow
Die Schießtrainings der Polizei in Güstrow wurden im Mai 2019 beendet. Eine vom damaligen Innenminister Lorenz Caffier (CDU) eingesetzte Expertenkommission kam bei der Untersuchung des Nordkreuz-Komplexes zu dem Ergebnis, dass Polizeiübungen auf einem privaten Schießplatz problematisch seien. Unbeteiligte Dritte würden dabei unnötig viel Einblick in die Arbeitsweise der Spezialeinsatz-Kräfte bekommen. Die Kommission empfahl, in polizeieigenen Einrichtungen zu trainieren.
Ermittlungen gegen Güstrower Schießtrainer ziehen Kreise
Die Ermittlungen gegen den Schießplatzbetreiber und Waffenhändler Frank T. aus der Nähe von Güstrow (Landkreis Rostock) haben jetzt auch in Sachsen zu Konsequenzen geführt.
Die General-Staatsanwaltschaft Dresden wirft 17 Polizisten des mobilen Einsatzkommandos Verstöße gegen das Waffengesetz, Diebstahl und Bestechlichkeit vor. Vier Hauptbeschuldigte – ebenfalls Spezialkräfte der sächsischen Polizei – sollen Ende 2018 insgesamt 7.000 Schuss Dienst-Munition gestohlen haben und diese als Bezahlung bei einem privaten Schießtraining auf dem Gelände bei Güstrow genutzt haben – an dem Training nahmen 13 weitere Beamte teil – es gab am Dienstag umfangreiche Durchsuchungen.
Ursprung sind Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Schwerin
Das Verfahren gegen die Polizisten in Sachsen leitet sich aus Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Schwerin gegen Frank T. ab. Die Ermittlungen gegen den 53-Jährigen laufen seit knapp einem halben Jahr, sie gründen sich auf das Verfahren gegen Marco G. Der ehemalige Kopf der mutmaßlich rechtsextremen Nordkreuz-Gruppe und Ex-SEK-Polizist wurde im Dezember 2019 wegen unerlaubten Waffen- und Kriegswaffenbesitzes zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Marco G. trainierte regelmäßig auf dem Schießplatz der Baltic Shooters von Frank T.
Verbindung zwischen Baltic Shooters und Nordkreuz
Der Landkreis Rostock prüft bereits seit einiger Zeit, ob Frank T. die Lizenz zum Waffenverkauf entzogen werden kann, die Zuverlässigkeitsprüfung sei noch nicht abgeschlossen, hieß es von der unteren Waffenbehörde. Der Ausgang des Verfahrens sei offen. Auslöser seien im vergangenen November Hinweise des Schweriner Innenministeriums gewesen, teilte ein Sprecher des Landkreises auf NDR-Anfrage mit. Das Innenministerium hatte den Vertrag der Firma Baltic Shooters im Mai 2019 gekündigt – zu der Zeit seien Verbindungen zwischem Frank T. und dem rechtsextremen Netzwerk Nordkreuz bekannt geworden, hieß es.
Staatsanwaltschaft Rostock ermittelt gegen Frank T.
Die Ermittlungen gegen Frank T. laufen inzwischen bei der Staatsanwaltschaft Rostock. Die Vorgänge in Sachsen könnten ihn laut Ermittlerkreisen belasten. Möglicherweise habe er die Beamten zum Diebstahl angestiftet. Wenn nicht, könnte die Annahme der Munition als Bezahlung für die Schießtrainings auch den Tatbestand der Hehlerei erfüllen. Beides müsse geprüft werden.
Frank T. bestreitet Nähe zu Rechtsextremisten
Auf dem Schießplatz bei Güstrow hatten über Jahre hinweg Spezialkräfte der Polizei aus mehreren Bundesländern trainiert. Im vergangenen November trat der langjährige Innenminister Lorenz Caffier (CDU) zurück, nachdem bekannt wurde, dass er bei Frank T. eine Pistole gekauft hatte. Frank T. hatte eine Nähe zu Rechtsextremisten stets bestritten. Auf der Internetseite seines Waffenhandels heißt es: „Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Sie gegen das friedliche Zusammenleben in Deutschland hetzen oder verfassungfeindliche Symbole tragen, wird ein lebenslanges Hausverbot ausgesprochen sowie das Schießen verwehrt!“