Von Walsleben-Schied: „Ein ganz klares Ja, Hansa steigt auf!“
13. Mai 2021Hansa Rostock ist ganz nah dran an der Rückkehr in die Zweite Liga – genau zehn Jahre nach dem letztmaligen Aufstieg ins deutsche Unterhaus. Großen Anteil daran hatte seinerzeit Marcel Schied, der seit seiner Heirat von Walsleben-Schied heißt. Im Interview spricht der 37-Jährige über Mannschaftsgeist, Partys an der Autobahnraststätte und im Stadion sowie Fehler, die sich nicht wiederholen dürfen.
Herr von Walsleben-Schied, das Wichtigste zuerst: Macht Hansa an den beiden letzten Spieltagen der Saison die Zweitliga-Rückkehr perfekt?
Marcel von Walsleben-Schied: Ein ganz klares Ja! Und ich hoffe, dass Hansa den Aufstieg schon an diesem Wochenende schafft. Aber dafür muss ja auch die Konkurrenz mitspielen.
Sie haben schon im November im NDR Sportclub gesagt, dass Sie Ihrem Ex-Club den Aufstieg zutrauen. Was hat Sie so optimistisch gestimmt? Schließlich wäre es nicht das erste Mal, dass Hansa eine gute Ausgangslage aus der Hand gibt.
Von Walsleben-Schied: Ich hatte einfach das Gefühl, dass es diesmal passt und die Neuzugänge einschlagen.
Wer sind für Sie die Protagonisten des Erfolgs?
Von Walsleben-Schied: Torhüter Kolke rettet die Punkte, vorne macht Verhoek auf einmal die Tore und Bahn verwandelt die Elfmeter. Jedes Team braucht drei, vier Stützen. Aber es gibt auch immer Spieler, bei denen nicht jeder sofort sieht, wie wichtig sie für das Team sind. Bei uns war das 2011 Rechtsverteidiger Peter Schyrba. Der hat die Mannschaft zusammengehalten. Im aktuellen Kader ist Löhmannsröben ein richtiger Typ, der vielleicht in den letzten Jahren gefehlt hat.
Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht Trainer Jens Härtel?
Von Walsleben-Schied: Härtel hat schon in Magdeburg bewiesen, dass er es kann. In der letzten Saison hat er in Rostock eine Mannschaft geformt. Das Trainerteam macht gute Arbeit und zieht seine Philosophie durch. Härtel lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, auch als es zuletzt immer mal Spitz auf Knopf stand.
Trainer und Spieler stehen ständig im Rampenlicht. Wie beurteilen Sie die Arbeit von Manager Martin Pieckenhagen?
Von Walsleben-Schied: Natürlich hat er mit den Spielertransfers Anteil am Erfolg. Aber fast noch wichtiger war, dass er – nicht zuletzt in der vergangenen Saison – Härtel in Ruhe weiterarbeiten lassen hat, als es mal nicht so gut lief.
Sie haben 2007 mit Hansa den Bundesliga-Aufstieg gefeiert und waren auch 2011 dabei, als der Aufstieg in die Zweite Liga gelang. Welche Party hat bei Ihnen mehr Eindruck hinterlassen?
Von Walsleben-Schied: 2007 sind wir an einem Sonntag aufgestiegen, es war recht heiß. Wir haben schon viel im Stadion gefeiert, aber der Empfang auf dem Rathausplatz war mega. Tausende Leute waren auf dem Neuen Markt – einfach überragend. An einem Sonntag konnte man abends zwar nicht mehr so viel machen, aber das war nach der langen Party und den Temperaturen für den einen oder anderen wohl auch ganz gut (lacht).
Als wir 2011 morgens vom Spiel aus München zurück nach Rostock gekommen sind, wurden wir mit Bengalos von den Fans empfangen. Und dann sind wir mitten in der Saison auch noch mit der ganzen Mannschaft für drei Tage zum Feiern nach Mallorca geflogen. Beide Jahre hatten etwas für sich. Ich wünsche es dem Team heute einfach, dass es mit dem Aufstieg klappt. Auch wenn die Party in diesen Tagen sicher anders aussehen wird.
Dass Sie aufgestiegen sind, haben Sie 2011 auf der Fahrt zum Spiel nach München (0:0) erfahren. War die Feier an der Autobahn-Raststätte ein besonders intimer und schöner Moment, weil eben einmal nicht die breite Öffentlichkeit dabei war?
Von Walsleben-Schied: Das war schön und komisch zugleich. Wir hatten noch hunderte Kilometer auf der Autobahn vor uns. Unser Trainer (Peter Vollmann, d.Red.) hat uns erlaubt Bier zu trinken – aber jeder nur eins! Wir sind uns alle in die Arme gefallen. Auch wenn wir als Zweitliga-Absteiger in die Saison gegangen sind, hatte uns den Aufstieg niemand zugetraut. Aber deshalb hätten wir natürlich umso lieber mit unseren Fans gefeiert.
Und wie schmeckt so ein Aufstiegsbier? Bei den Feierlichkeiten vor zehn Jahren wurden Sie mit einem riesigen Bierglas gefilmt.
Von Walsleben-Schied: Eigentlich bin ich ja nie ein Biertrinker gewesen. Das habe ich erst nach der Profikarriere beim Amateurfußball zu schätzen gelernt, wenn da nach dem Spiel ein Kasten in die Kabine gestellt wurde. Aber nach den heißen Temperaturen war ich einfach froh, etwas Kaltes zu trinken zu bekommen (lacht). Wir hatten uns den Aufstieg einfach verdient.
Sie kommen aus dem Nachwuchs des Clubs – sind deswegen die Erfolge mit den Hansa-Profis noch eine Spur schöner gewesen?
Von Walsleben-Schied: Ich hatte als 15-Jähriger einige Angebote – und mit Hansa vorher gar keine Berührungspunkte gehabt. Aber als ich mir das Hansa-Internat angesehen habe, war ich sofort Feuer und Flamme. Mit Andreas Zachhuber hatte ich dann einen extremen Förderer und bin in Rostock zum Profi geworden. Ich werde nicht vergessen, wie 25.000 Fans im Ostseestadion meinen Namen gerufen und meine Einwechslung gefordert haben. Da war ich gerade mal 18. Aber es ging nicht immer nur bergauf. Mit Hansa abzusteigen, war auch besonders bitter.
Auch wenn die TuS Dassendorf in meinen vier Jahren zu so etwas wie meiner zweiten Heimat geworden ist, bleibt Hansa mein Verein. Da kommt auch kein anderer Club mehr dazwischen. Die Stadt Rostock an sich ist schon mega, dazu der Verein und diese Fans. Sie merken schon, bei Hansa komme ich ins Schwärmen…
Sie sprechen es an: Auf den Aufstieg 2011 folgte 2012 der direkte Wiederabstieg. Kann Hansa aus der Geschichte lernen, damit es – falls der Aufstieg wirklich gelingt – nicht gleich wieder runtergeht?
Von Walsleben-Schied: Es ist ganz schwierig, bei der Kaderzusammenstellung die richtige Mischung zu finden. Ich habe es damals in Osnabrück miterlebt. Da standen im ersten Spiel nach dem Aufstieg auf einmal acht Neuzugänge in der Startelf. Hansa muss sich sicher punktuell verstärken, aber ich traue der Mannschaft die Zweite Liga zu. Wer in die Zweite Liga aufsteigt, kann auch da spielen. Fehlende Erfahrung kann auch von Vorteil sein, wenn die Spieler darauf brennen, sich eine Klasse höher zu beweisen. Und ich hoffe, dass Härtel weiter in Ruhe arbeiten kann. Wenn Hansa aufsteigt, wird der Trainer auch in der Zweiten Liga Erfolg haben.
Sie haben zuletzt in Hamburg auf Amateurplätzen gekickt, arbeiten als Bürokaufmann und sind junger Vater. Wie weit weg ist da der große Fußballzirkus?
Von Walsleben-Schied: Nach dem Abgang von Kai Bülow im Sommer ist kein Spieler mehr bei Hansa, mit dem ich zusammengespielt habe. Wenn meine Tochter gerade schläft oder mit Mama unterwegs ist, gucke ich mir sehr gern die Hansa-Spiele an. Aber ansonsten schaue ich später schnell nach den Ergebnissen. Die Prioritäten haben sich allgemein verschoben, deshalb habe ich zum 31. Dezember auch die Fußballschuhe an den Nagel gehängt.
Ihr Ex-Club feiert womöglich den größten Erfolg seit zehn Jahren, und Sie beenden Ihre Karriere. Ist also der Weg frei, Hansa-Fan zu sein?
Von Walsleben-Schied: (lacht) Ich werde mir sicher das eine oder andere Spiel im Stadion ansehen, wenn es wieder möglich ist. Am liebsten natürlich in der Zweiten Liga. Ich würde mich riesig freuen, wenn Hansa es schafft.
Das Interview führte Florian Neuhauss