Anteil in einer Woche fast verdoppelt – BaWü meldet meiste Fälle, MeckPomm nur einen: Wo sich Delta-Mutation jetzt ausbreitet
18. Juni 2021Die Delta-Variante sorgte zunächst in Indien und dann in Großbritannien für einen drastischen Infektionsanstieg. Nun warnt SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach auch in Deutschland vor einer großflächigen Verbreitung im kommenden Herbst. FOCUS Online zeigt, wo es bereits Fälle gibt.
Karl Lauterbach ist sich sicher. „Ganz sicher“ sogar. Geht es nach dem SPD-Gesundheitsexperten, wird die Deltavariante des Coronavirus sich künftig auch in Deutschland ausbreiten. Er rechne damit, dass sie im Herbst wieder für mehr Ansteckungen in Deutschland sorgen wird, sagte er dem „rbb“ am Dienstagabend.
Ursprung und Ausbreitung
Die Variante B.1.617 wurde bereits im Oktober 2020 erstmals in Indien nachgewiesen. Experten gehen davon aus, dass insbesondere der Subtyp B.1.617.2 dort wesentlich zum katastrophalen Infektionsgeschehen beigetragen hat. Seit Beginn des Jahres 2021 stieg die Zahl der täglichen Neuinfektionen dort von rund 10.000 zwischenzeitlich auf über 400.000 an.
Auch in Großbritannien sorgt die Delta-Variante aktuell für einen erneuten Anstieg der Infektionszahlen und gefährdet somit Öffnungsschritte und den von Premier Johnson angestrebten „Freedom Day“. Dieser Tag sollte das Ende der Corona-Restriktionen einläuten und war für den 21. Juni angesetzt. Nun schnellte dort die Sieben-Tage-Inzidenz von unter 20 auf zuletzt rund 70 in die Höhe. Auch in den Krankenhäusern sind wieder mehr Corona-Patienten. Die Delta-Variante macht dort bereits über 90 Prozent der Fälle aus. „Im Herbst kann das für uns noch ein wichtiges Problem werden“, erklärt Lauterbach auf Twitter.
Inzwischen wurde die Variante in über 60 Ländern weltweit nachgewiesen, darunter auch Deutschland. Im Vereinigten Königreich wurde sie am 6. Mai zur Variant of Concern (VoC) erklärt, zur besorgniserregenden Variante. Am 11. Mai zog die WHO nach. Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) führt sie mittlerweile neben B.1.1.7, B.1.351 und P.1 als solche.
Verbreitung in Deutschland
Das RKI meldet wöchentlich, wie viel Prozent der Infektionen die unterschiedlichen Varianten ausmachen. In seinem „Bericht zu Virusvarianten von SARS-CoV-2 in Deutschland“ vom 16. Juni gibt es für die Kalenderwoche 22 (31. Mai bis 6. Juni) eine Rate von 6,2 Prozent an. Insgesamt 552 Fälle gehen demnach bislang nachweislich auf die Delta-Variante zurück, deutschlandweit macht die Variante bisher 0,8 Prozent aus.
In der Vorwoche lag der Anteil von B.1.617.2 noch bei 3,7 Prozent, damit hat er sich also nahezu verdoppelt.
Der Anteil von Delta an allen Varianten ist also noch relativ gering. Zum Vergleich: Die Alpha-Variante B.1.1.7 wurde bereits 47.904 mal nachgewiesen und machte in der Kalenderwoche 22 einen Anteil von 86,4 Prozent aus. Insgesamt liegt ihr Anteil bei 66,5 Prozent.
Zuletzt sorgte die Variante in Dresden für größere Ausbrüche. Wie die Stadt am Dienstag mitteilte, wurde Delta an einer Grundschule, einer Oberschule und einer Kita nachgewiesen. Zurückzuführen sind die Fälle den Angaben zufolge auf drei Kinder einer Familie, die positiv getestet wurden und jeweils verschiedene Einrichtungen besuchten. Spezifische PCR-Tests bestätigten den Verdacht auf die Variante.
Auch das Dresdner Studentenwohnheim hatte unlängst für Aufsehen gesorgt, weil es nach dem Tod eines an Covid-19 erkrankten jungen Indien-Rückkehrers vorübergehend komplett unter Quarantäne gestellt wurde. Auch hier handelt es sich vermutlich um B.1.617.2. In dem Hochhaus sei die Nachverfolgung aber deutlich unübersichtlich als bei einer Familie, hieß es.
Weitere Bundesländer meldeten in der vergangenen Woche Infektionen mit der Delta-Variante. Laut aktuellem RKI-Bericht verzeichnete mittlerweile alle Länder mindestens einen Fall. Am wenigsten Infektionen mit Delta meldet Mecklenburg-Vorpommmern, am meisten Baden-Württemberg.
Bis zur Kalenderwoche 23 (07.06. bis 13.06.) verteilen sich die Infektionen mit B.1.617.2 deutschlandweit wie folgt:
- Baden Württemberg: 132 Fälle
- Bayern: 103 Fälle
- Berlin: 68 Fälle
- Brandenburg: 11 Fälle
- Bremen: 8 Fälle
- Hamburg: 24 Fälle
- Hessen: 48 Fälle
- Mecklenburg-Vorpommern: 1 Fälle
- Niedersachsen: 15 Fälle
- Nordrhein Westfalen: 110 Fälle
- Rheinland-Pfalz: 21 Fälle
- Saarland: 2 Fälle
- Sachsen: 21 Fälle
- Sachsen-Anhalt: 9 Fälle
- Schleswig-Holstein: 11 Fälle
- Thüringen: 5 Fälle
Weltweite Verbreitung
Aus der Variante haben sich neben B.1.617.2 zwei weitere Subtypen herausgebildet. Diese sind laut dem Portal „Cov-Lineages“ weltweit unterschiedlich stark verbreitet. Unter den „global report investigating novel coronavirus haplotypes“ verfolgt das Portal die Verbreitung der Varianten. Dabei handelt es sich um ein Forschungsprojekt, an dem unter anderem Wissenschaftler der Universitäten Edinburgh und Oxford beteiligt sind.
B.1.617.1 (Kappa), tritt vor allem auf in:
- Indien: 65 Prozent
- UK: 10 Prozent
- USA: 8 Prozent
- Irland: 3 Prozent
- Deutschland: 3 Prozent
B.1.617.2 (Delta), tritt vor allem auf in:
- UK: 73 Prozent
- Indien: 12 Prozent
- USA: 6 Prozent
- Deutschland: 2 Prozent
- Singapur: 1 Prozent
B.1.617.3, tritt vor allem auf in:
- Indien: 81 Prozent
- Malawi: 9 Prozent
- UK: 5 Prozent
- USA: 2 Prozent
- Russland: 1 Prozent
Hinweis: Die Prozentangaben beziehen sich auf den Anteil der Variante nach Ländern. Hier wird nicht angegeben, wie viel Prozent die Variante im jeweiligen Land ausmacht. Die übrigen Anteile verteilen sich auf weitere Länder.
Impfwirkung
Das Robert-Koch-Institut führt weltweit sogenannte Neutralisationstests durch, um die Wirksamkeit einer wichtigen Komponente der Immunantwort (neutralisierende Antikörper) gegen B.1.617.2 laborexperimentell zu bewerten. „Erste vorläufige Ergebnisse deuten darauf hin, dass derzeitige Impfungen etwas besser vor einer Infektion mit B.1.1.7 als einer mit B.1.617.2 schützen“, erklärt das Institut in einem Bericht. „Vorläufige Ergebnisse zur Übertragbarkeit von B.1.617.2 in England deuten darauf hin, dass die Variante B.1.617.2 zudem leichter übertragbar ist als beispielsweise die Variante B.1.1.7.“ Dazu wurden für die verschiedenen Virusvarianten die beobachteten Übertragungen verglichen
Die Variante sei deutlich ansteckender, führe zu einem schwereren Verlauf und sei zum Teil resistent gegen die Erstimpfung, erklärte auch Gesundheitsexperte Lauterbach. „Aber ich hoffe, dass dann bei uns eben schon so viele doppelt geimpft sein werden, dass es keine so große Welle mehr gibt.“
Vor diesem Hintergrund fordert er, auch Kindern ein Impfangebot zu machen. „Gerade bei der Delta-Variante haben wir in England gesehen, dass von den infizierten Kindern ein Prozent so schwer erkranken, dass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen. Das ist keine Kleinigkeit.“
Symptome
Riskant ist Delta auch deshalb, weil die Variante offenbar etwas andere Symptome verursacht als bisher bekannt. Kopfschmerzen, laufende Nase und raue Kehle wurden zuletzt in einer britischen App zur Überwachung von Corona-Symptomen gemeldet
Fieber gehört zwar immer noch dazu, nicht aber der Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn. Das bedeute, dass sich Covid-19 für einige jüngere Menschen stärker wie eine einfache Erkältung anfühle, sagte Studienleiter Tim Spector vom King’s College London.
Immerhin: Eine neue Studie der Oxford-Universität zeigt, dass die Saisonalität der Delta-Variante deutlich ausgeprägter sein könnte als ursprünglich angenommen: Im Sommer sei das Risiko, sich damit anzustecken, viel geringer, so Lauterbach.