Virus allein ist nicht schuld! Kein Organ bleibt verschont: Yale-Forscher zeigen, dass Covid-19 auch Leber schädigt
17. August 2020Lunge, Herz, Nieren und jetzt auch die Leber – Sars-CoV-2 und seine Folgen attackieren den gesamten Organismus.
Der negative Effekt auf das Entgiftungsorgan ist größer als bisher vermutet. Er hängt aber stark mit einer Vorerkrankung zusammen.
Medizinern, die schwer erkrankte Covid-19-Patienten behandelten, erkannten bald nach der Entdeckung des neuen Coronavirus, dass sie es mit mehr als einer Lungenerkrankung zu tun haben.
Das Virus selbst greift neben dem Atemorgan auch das Herz an, die körpereigene Abwehr kann fatale Entzündungsgeschehen in Gang setzen, die intensivmedizinische Behandlung von Covid-19 mit schwerem Verlauf ist mit schädigenden Nebenwirkungen verbunden. Und selbst wenn die Krankheit überwunden ist, leiden viele Betroffen noch lange untere den zerstörerischen Folgen.
Dass auch die Leber, das Entgiftungszentrum des Körpers, nicht ungeschoren davon kommt, war naheliegend. Allerdings hat jetzt eine im Fachmagazin „Hepatology“ veröffentlichte Studie gezeigt, dass die Leberschäden durch Covid-19 gravierender sind als bisher vermutet.
Schlechte Leberwerte schon vor der Corona-Infektion
Forscher am Liver Center der Universität Yale in New Haven analysierten die Leberwerte von 1827 Patienten, die zwischen dem 14. März und dem 23. April mit Covid-19 in dortige Krankenhäuser eingeliefert wurden. Zum Vergleich zogen sie die entsprechenden Messwerte chinesischer Covid-19-Patienten heran. Das Team um Joseph Lim suchte nach zwei bestimmten Enzymen, die eine geschädigte Leber in den Blutkreislauf abgibt.
Dabei stellten sie fest, dass die Patienten in den USA sehr viel häufiger schlechte Leberwerte hatten als die chinesischen Pendants. Während rund 15 Prozent der Chinesen auffällige Werte zeigten, wiesen 42 beziehungsweise 67 Prozent der Amerikaner solche bei der Aufnahme im Krankenhaus auf, je nachdem auf welches getestet wurde. Während des Klinikaufenthalts stieg der Anteil auf 62 und 83 Prozent.
Woher die Diskrepanz der Leberwerte zwischen China und den USA stammt, können die Forscher nicht wirklich erklären. „Wir können nur spekulieren, dass die US-Patienten vielleicht mehr Vorerkrankungen der Leber hatten, etwa durch hohen Alkoholkonsum oder eine nicht-alkoholisch bedingte Fettleber“, sagt Joseph Lim.
Fettleber als Risikofaktor für schweren Covid-19-Verlauf
Die Fettleber ohne Alkoholbeteiligung ist mit starkem Übergewicht, hohem Blutdruck, hohen Cholesterinwerten und Diabetes verbunden – alles Risikofaktoren für einen schweren Covid-19-Verlauf. Und laut National Institutes of Health (NIH) sollen 30 bis 40 Prozent der erwachsenen US-Bürger eine solche Lebererkrankung haben.
Bei einem Viertel der Covid-19-Patienten entdeckten die Forscher in deren medizinischen Unterlagen anormale Leberwerte, die weit vor der Sars-CoV-2-Infektion festgestellt wurden.
Egal, ob die schlechten Leberwerte schon vor der Erkrankung vorhanden waren oder sich erst während des Krankenhausaufenthalts entwickelten, für die Betroffenen bedeuteten sie einen schwereren Krankheitsverlauf. Die Patienten landeten öfter auf der Intensivstation, mussten öfter beatmet werden und überlebten Covid-19 seltener.
Obwohl Leberzellen ACE2-Rezeptoren tragen, über die sich das Coronavirus Zugang in gesunde Zellen verschafft, glauben die Forscher nicht, dass Sars-CoV-2 die Leber direkt angreift. Sie gehen vielmehr davon aus, dass die größten Leberschäden durch Entzündungsgeschehen anderswo im Körper verursacht werden, vor allem im Gallengang.
Schädigt die Therapie von Covid-19 die Leber?
Und schließlich hätten auch Medikamente, die während der Covid-19-Erkrankung gegeben wurden, eine leberschädigende Nebenwirkung. Das treffe vor allem auf den Wirkstoff Tocilizumab zu, einem entzündungshemmenden Antikörper, der eigentlich zur Behandlung rheumatischer Arthritis entwickelt wurde. Er sollte bei Covid-19-Patienten den gefürchteten Zytokinsturm verhindern oder abmildern, einer überschießenden Immunantwort des Körpers auf die Infektion.
Da die Studie keine Klarheit darüber verschaffen konnte, ob in erster Linie Vorschäden, die Erkrankung oder gar die Therapie die Leber von Covid-19-Patienten in Mitleidenschaft zogen, wollen die Leberexperten weitere klinische und labortechnische Studien auf den Weg bringen.
Die Frage nach dem Effekt von Covid-19 auf die Leber ist noch nicht beantwortet.