Jobabbau auf MV-Werften – Die Ersten müssen gehen
2. Juli 2021Jetzt wird es ernst: Auf den MV-Werften hat der angekündigte Job-Abbau begonnen. Das Unternehmen hat die ersten der insgesamt 650 Mitarbeiter, die in eine Transfergesellschaft wechseln sollen, informiert.
Noch am Wochenende lag Feierlaune in der Luft: Auf der MV-Werft in Stralsund taufte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) das Luxus-Expeditionsschiff „Crystal Endeavour“. Die Regierungschefin sprach von einem Zeichen des Aufbruchs. Bei vielen Werftarbeitern folgt in dieser Woche aber Katerstimmung. Sie haben eine Art „Kündigung light“ bekommen.
Stralsund am stärksten betroffen
Jetzt herrscht bedrückende Klarheit. Denn jetzt steht fest, wer zuerst geht. Betroffen ist vor allem der Standort Stralsund: Hier müssen 300 Beschäftigte in eine Transfergesellschaft wechseln, in Rostock sind es 220 und in Wismar etwa 100. Zwei bis drei Wochen haben die Betroffenen jetzt Zeit, sich für den Übergang in die drei Betriebe zur Weiterqualifizierung zu entscheiden. Beginn ist am 1. August. Die Transfergesellschaften bieten Beschäftigung und Bezahlung bis Ende Februar 2022 – also sieben Monate lang. Ausgezahlt werden bis zu 85 Prozent des letzten Netto-Lohns. Für den Rest der Belegschaft, etwa 2.000 Menschen, soll bis Ende des Jahres das Kurzarbeitergeld weiter gezahlt werden.
Ohne neue Aufträge weiterer Stellenabbau
Das Vorhaben ist Teil des Sanierungsplans für die angeschlagenen MV-Werften. Die Corona-Krise hat sie wegen der Flaute in ihrem Kerngeschäft – dem Bau von Kreuzfahrtschiffen – schon im Frühjahr 2020 in schweres Fahrwasser gebracht. Der Jobabbau war Voraussetzung für die Hilfen aus dem Corona-Rettungsschirm des Bundes – rund 300 Millionen Euro sind an die MV-Werften geflossen. In dem jetzt im Intranet der MV-Werften veröffentlichten Sozial-Tarifvertrag sind die weiteren Schritte aufgezeigt und die sehen auf den ersten Blick ungünstig aus: Gibt es bis zum Jahresende keine neue Aufträge für die MV-Werften, sollen zum 1. Februar mehr als 1.000 Beschäftigte in die Transfergesellschaften wechseln, in einem Jahr – am 1. Juli – die dann verbliebenen Beschäftigten – jeweils nur für vier Monate.
Wadan-Personalentwickler erneut zuständig
Insgesamt sind rund 60 Millionen Euro für die Transfergesellschaften vorgesehen. Ihre Hauptaufgabe ist die Qualifizierung und Weitervermittlung in andere Jobs, nicht unbedingt die Rückkehr an die Werft-Standorte. Federführend in den drei Gesellschaften ist „ein alter Bekannter“: Oliver Fieber, Chef der Agentur für Struktur und Personalentwicklung, hat bereits nach der Pleite der Wadan-Werften 2009 versucht, Perspektiven zu geben. Fieber und sein Team sind jetzt wieder gefordert.
Endgültiges Aus nach der „Global 1“
Für die Werften sind die nächsten Wochen und Monate entscheidend. „Wir brauchen neue Aufträge, bis auf Lippenbekenntnisse haben wir nichts Handfestes“, sagte der Bevollmächtigte der IG-Metall, Stefan Schad, auf Anfrage des NDR. Die Gewerkschaft will ihre Mitglieder heute Nachmittag über den aktuellen Stand der Dinge aufklären. In der kommenden Woche sind dann Informationen des Unternehmens über die weiteren Schritte und Details zu den Transfergesellschaften geplant. Die Hoffnung ist gedämpft: Mit der für den kommenden Sommer geplanten Auslieferung der „Global 1“ in Wismar könnte ein Schlusskapitel der MV-Werften eingeläutet werden. In dem Sozial-Tarifvertrag heißt es: „Sollte ein der reduzierten Kapazität der MV-Werften entsprechender beschäftigungswirksamer Anschlussauftrag nicht spätestens bis zum 31.12.2021 zustande kommen, ist seitens der MV-Werften nach derzeitigem Stand im zweiten Schritt die Einstellung ihres operativen Betriebs in Aussicht genommen.“ Heißt übersetzt: Die Standorte würden im kommenden Jahr nach und nach dichtmachen.
Finanzierung und Weiterbau der „Global 2“ völlig offen
Kurzfristige Rettung bietet vorerst nur die „Global 2“. Mit dem Bau des Kreuzfahrtschiffs ist bereits begonnen worden, wegen der Pandemie sind die Arbeiten allerdings abgebrochen worden. Die Finanzierung für die Endfertigung ist längst nicht gesichert – hierfür sind weitere Staatskredite nötig. Angesichts der bevorstehenden Wahlen in Bund und Land könnten die Werften durchs Raster fallen. Nach dem Urnengang im September stehen in Berlin und Schwerin Regierungsneubildungen an. Die komplizierte Absicherung eines Groß-Auftrags für ein Unternehmen, das vom Mutterkonzern Genting aus Hongkong geführt wird, steht da möglicherweise nicht ganz oben auf der politischen Agenda. „Uns läuft die Zeit davon“, so Gewerkschafter Schad.