„Coronavirus-Update“: Ohne Lockdown durch Herbst und Winter?

27. August 2020 Aus Von mvp-web

Die Sommerpause des Podcasts „Coronavirus-Update“ mit dem Virologen Christian Drosten neigt sich dem Ende entgegen:

Ab dem 1. September ist er wieder da und bekommt Unterstützung von Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum in Frankfurt am Main. Sie ist eine der vier Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen in der dritten und letzten Sonderausgabe des Podcasts.

Wie kommen wir ohne Lockdown durch Herbst und Winter? Die Infektionszahlen steigen in Deutschland und Europa seit einigen Wochen wieder an. Was bedeuten die Zahlen? Und wie kann eine weitere Ausbreitung verhindert werden? Diese Fragen diskutiert NDR Info Redakteurin Anja Martini auch mit Professor Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts Berlin, Professorin Ania Muntau, Leiterin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Hamburger UKE sowie Professor Martin Kriegel von der Technischen Universität Berlin.

Gezielte Teststrategien

Trotz des Anstiegs der Zahlen sei die Lage in den Krankenhäusern zurzeit „noch sehr entspannt“, erklärt Sandra Ciesek. Das liege unter anderem daran, dass viele Jüngere erkrankten. Es müsse jetzt genau beobachtet werden, „wie sich die Situation weiterentwickelt“. Die bisherigen PCR-Tests hätten den Nachteil, dass sie auch viele Menschen mit einer geringen Viruslast herausfiltern, die gar nicht mehr infektiös seien. „Bei Schulen müssen wir einen anderen Weg gehen: Antigen-Tests“. Diese funktionierten ähnlich wie Schwangerschaftstest, die jeder zu Hause machen kann. In Frankfurt gibt es derzeit Pläne, dazu eine Studie mit Lehrern durchzuführen – mit einem noch nicht zugelassenen Test.

„Das Verhalten der Menschen ist der entscheidende Punkt“

„Der Umgang von uns mit diesem Virus, der wird ganz entscheidend den weiteren Fortgang der Pandemie bestimmen“, sagt RKI-Präsident Lothar Wieler. Man müsse es schaffen, die Übertragungswege gut zu kontrollieren. Für ihn sei es nicht so relevant, ob es jetzt 1.000, 2.000 oder 10.000 Fälle gebe, sondern jeder einzelne Mitmensch. „Wenn jeder sich entsprechend verhält, kann er dazu beitragen, dass diese Krankheit sich nicht weiterverbreitet.“ Die AHA-Regeln (Abstand – Hygiene – Alltagsmasken) könnten einen gegenseitigen Schutz in einem hohen Maße garantieren. In den Schulen sollte der Unterricht in festen Gruppen mit festen Lehrern stattfinden, nicht in einem normalen Regel-Unterricht. Im Falle einer Infektion seien dann weniger Schüler und Lehrer betroffen.

„Wichtige Elemente des Lebens aufrechterhalten“

„Unsere Aufgabe ist es jetzt, auf der einen Seite Bildung, Gesundheitsvorsorge, psychosoziale Kontakte für die Kinder und Jugendlichen sicherzustellen, aber auch gleichzeitig den Infektionsschutz zu gewährleisten“, sagt Ania Muntau vom UKE. Dafür müssten die entscheidenden Player tragfähige Konzepte entwickeln. „Je mehr wir wissen und verstehen, desto spezifischer können wir uns vorbereiten und die Menschen schützen.“ Auch dürften Eltern die Erkrankung gegenüber den Kindern nicht verharmlosen, um sie nicht zu belasten. Man könne Kindern und Jugendlichen erklären, warum sie vorsichtig sein sollten.

Für gute Luftqualität sorgen

Das Risiko in Räumen hänge von zwei Dingen ab, erläutert Martin Kriegel von der TU Berlin: dem Lüften und der Aufenthaltsdauer. „Wenn wir für gute Luftqualität sorgen und die Aufenthaltsdauer so kurz wie möglich halten, dann ist uns auf jeden Fall sehr geholfen.“ Doch Schulen und Klassenräume „sind nicht gerade günstige Orte“. Das Problem von schlecht gelüfteten Klassenräumen sei seit 130 Jahren bekannt, doch „wenn es dann zu Neubauten von Schulen kommt, dann baut man sie wieder ohne Lüftungsanlage“. Jetzt sei es ein rein praktisches Problem, schnell Tausende von Schulen nachzurüsten.

Stand: 27.08.2020 11:58 Uhr