Merkel vor Bundespressekonferenz „Umso freier werden wir wieder sein“

Merkel vor Bundespressekonferenz „Umso freier werden wir wieder sein“

23. Juli 2021 Aus Von mvp-web

Stand: 22.07.2021 12:49 Uhr

In ihrer letzten Bundespressekonferenz hat die Kanzlerin weitere Anstrengungen beim Impfen angemahnt und vor einer Verschlechterung der Corona-Lage gewarnt. In puncto Klimaschutz räumte Merkel Versäumnisse ein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihren letzten Auftritt vor der Hauptstadtpresse für einen eindringlichen Appell für mehr Impfungen gegen das Coronavirus genutzt. „Je mehr Menschen geimpft sind, umso freier werden wir wieder sein“, sagte die Kanzlerin. Sie warnte vor einer erneuten Verschlechterung der Lage angesichts der wieder exponentiell wachsenden Infektionszahlen. Auch diejenigen, die noch zögerten, sollten bedenken: „Jede Impfung ist ein kleiner Schritt zu mehr Schutz für alle“, sagte Merkel weiter. „Jede Impfung zählt.“

Letzte Sommer-Pressekonferenz von Kanzlerin Merkel

Nils Crauser, ARD Berlin, tagesschau 16:00 Uhr, 22.7.2021

Gleichzeitig lobte Merkel die deutsche Impfkampagne. Man hätte im internationalen Vergleich ein schnelles Impftempo vorgelegt. Es sei völlig richtig gewesen, Impfstoff nur im EU-Rahmen zu bestellen. „Insgesamt würde ich sagen, es gibt viele Länder, die da einen schwierigeren Stand haben.“

Appell des Einzelhandels „Impfen, impfen, impfen“

Nur wenn sich genügend Menschen impfen lassen, könne dauerhaft mehr Normalität beim Einkaufen einkehren.

Angesichts der steigenden Corona-Zahlen stellte die Kanzlerin in Aussicht, die nächste Ministerpräsidentenkonferenz zur Corona-Pandemie vorzuziehen. Sie werde sich Bitten von Regierungschefs der Länder nicht verschließen. Man könne die Gespräche etwa mit der Ende Juli, Anfang August angedachten Ministerpräsidentenkonferenz zur Bewältigung der Flutkosten verbinden, sagt sie.

Versäumnisse beim Klimaschutz

Im Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe schwor Merkel auf eine gemeinsame Kraftanstrengung zur Bewältigung der Folgen in den betroffenen Gebieten ein. „Wir werden zur Behebung all dieser Schäden einen langen Atem brauchen“, sagte die Kanzlerin. Es gebe schreckliche Verwüstungen durch das Hochwasser, Deutschland trauere um 170 Tote. Ziel sei eine gemeinsame Finanzierung der Flutschäden, sagte Merkel.

Nach der Flutkatastrophe Umweltverbände fordern Umdenken bei Wiederaufbau

Umweltverbände haben gefordert, den Wiederaufbau in den Hochwassergebieten an die Klimakrise anzupassen.

Beim Thema Klimaschutz räumte die Kanzlerin Versäumnisse ein. Gemessen an dem Ziel, den weltweiten Klimaanstieg bis auf zwei Grad zu begrenzen, sei während ihrer Kanzlerschaft „nicht ausreichend viel passiert“. Deshalb müsse das Tempo angezogen werden. Merkel betonte zugleich ihren persönlichen Einsatz für den Kampf gegen die Erderwärmung. „Ich bin der Meinung, dass ich sehr viel Kraft für den Klimaschutz aufgewandt habe“, sagte sie.

„Und trotzdem bin ich ja mit wissenschaftlichem Verstand ausreichend ausgerüstet, um zu sehen, dass die objektiven Gegebenheiten erfordern, dass man in dem Tempo nicht weiter machen kann, sondern schneller werden muss.“ Die Kanzlerin verwies zugleich darauf hin, dass es weltweit großen Widerstand gegen einen effizienten Klimaschutz gebe – etwa bei der Umsetzung des Kyoto-Protokolls von 1997. „Ich habe viele Enttäuschungen erlebt damals“, sagte Merkel. Sie habe „sehr, sehr viel Kraft in ihrem politischen Leben dafür eingesetzt, Mehrheiten dafür zu finden, „dass wir wenigstens diesen Weg gehen konnten“. Dies habe eigentlich ihre „gesamte politische Arbeit geprägt“.

Merkel begrüßt Einigung im Gasstreit mit den USA

Die Einigung mit den USA im Streit um die Gaspipeline Nord Stream 2 bezeichnete Merkel als guten Schritt. Dennoch gab sie zu bedenken, dass dadurch nicht alle Differenzen überwunden seien, zumal die Einigung nur mit der US-Regierung bestehe, noch nicht aber mit dem US-Kongress. Im Kongress gibt es viele kritische Stimmen zu der Pipeline, die unter der Umgehung der Ukraine Erdgas von Russland nach Deutschland bringen soll. „Die russische Seite hat mir gesagt, dass sie Energie nicht als Waffe einsetzen will“, fügte sie hinzu. „Wir sind nicht wehrlos.“ Merkel verwies darauf, dass notfalls auch Sanktionen gegen Russland verhängt werden könnten, sollte der Status der Ukraine als Gastransitland in Gefahr geraten.

Mit Blick auf Deutschlands Zukunft im internationalen Vergleich sagte Merkel, das Land müsse sich anstrengen, um bei Investitionen etwa mit den USA mithalten zu können. Dazu müsse die Forschungsquote auf 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung gesteigert werden. Vor große Herausforderungen sieht die scheidende Kanzlerin Deutschland bei den Themen Modernisierung und Zukunftstechnologien. „Wir sind ein starkes Land, aber wir haben an einigen Stellen wirklich zu tun, um den hohen Standard, den wir haben, auch aufrechtzuerhalten.“