Dritte Dosis für Risikogruppen Auffrischungsimpfungen sollen bald kommen
1. August 2021Stand: 01.08.2021 16:50 Uhr
Für besondere Risikogruppen könnte es schon bald eine Corona-Auffrischungsimpfung geben. Entsprechende Pläne sollen am Montag auf der Konferenz der Gesundheitsminister von Bund und Ländern beschlossen werden.
Das Bundesgesundheitsministerium schlägt für bestimmte Gruppen mit besonderem Risiko für eine Corona-Infektion Auffrischimpfungen mit einem mRNA-Vakzin bereits ab September vor. Eine entsprechende Beschlussvorlage, die dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, soll bereits am Montag beim Treffen der Gesundheitsministerinnen- und minister von Bund und Ländern verabschiedet werden.
„Die Länder bieten im Sinne einer gesundheitlichen Vorsorge ab September 2021 mit mobilen Teams in Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen der Eingliederungshilfe und weiteren Einrichtungen mit vulnerablen Gruppen eine Auffrischimpfung an“, heißt es in der Vorlage. Menschen außerhalb solcher Einrichtungen sollen über ihre Haus- und Fachärztinnen und -ärzte Drittimpfungen wahrnehmen können. Außerdem soll allen schon vollständig geimpften Bürgerinnen und Bürgern, die mit AstraZeneca oder Johnson & Johnson geimpft wurden, eine weitere Impfung mit dem Vakzin von BioNTech angeboten werden.
Der Hintergrund: Erste Studienergebnisse wiesen darauf hin, dass es bei bestimmten Gruppen zu einem verminderten oder schnell nachlassenden Schutz nach einer Impfung kommen könne. Gemeint sind immungeschwächte Patientinnen und Patienten, sehr alte Menschen und Pflegebedürftige.
Studie zu Wirksamkeit BioNTech-Vakzin könnte lange schützen
Eine US-Studie gibt Hinweise darauf, dass der Impfstoff von BioNTech/Pfizer lange vor dem Coronavirus schützen könnte. Für die Immunreaktion wichtige B-Gedächtniszellen wurden noch drei Monate nach der Impfung nachgewiesen.
Der Impfstoff von BioNTech/Pfizer löst offenbar eine relativ langanhaltende starke Immunreaktion aus. US-Mediziner wiesen bei Geimpften noch drei Monate nach der zweiten Dosis sogenannte B-Gedächtniszellen des Immunsystems nach, wie sie im Fachblatt „Nature“ berichten. „Das belegt eine wirklich robuste Immunreaktion“, betont Co-Studienleiterin Rachel Presti von der Washington University School of Medicine in St. Louis.
Folge für Impfwirkung noch offen
Carsten Watzl vom Leibniz Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) stimmt dieser Einschätzung zu. „Das ist sehr erfreulich. Aber ob und wie weit sich daraus eine lang andauernde Immunität ableiten lässt, ist offen“, sagt der Immunologe, der nicht an der Arbeit beteiligt war, mit Blick auf die tatsächliche Schutzwirkung der Impfung.
Dass die mRNA-Impfungen mindestens sechs Monate lang zuverlässig vor der Erkrankung Covid-19 schützen, ist bekannt. Unklar ist dagegen, wie lange der Schutz darüber hinaus anhält. Um die immunologischen Prozesse zu klären, untersuchte das Team um die Infektiologin Presti und den Immunologen Ali Ellebedy gesunde Menschen nach den beiden im Abstand von drei Wochen verabreichten Impfdosen.
In den Wochen nach den Impfungen entnahmen die Forscher Menschen mehrmals Proben aus Lymphknoten der benachbarten Achselhöhle. Diese untersuchten sie auf sogenannte Keimzentren: Sie bilden die B-Gedächtniszellen der Körperabwehr und bauen im Fall einer Infektion rasch eine gezielte Abwehrreaktion auf. „Keimzentren sind der Schlüssel zu einer dauerhaften schützenden Immunreaktion. Dort wird unser Immungedächtnis gebildet“, erläutert Ellebedy.
B-Zellen nach zwölf Wochen
Von zehn Teilnehmern analysierten die Forscher Proben, die noch zwölf Wochen nach der zweiten Impfdosis entnommen wurden. Bei acht von ihnen fanden sie Keimzentren mit auf den Erreger abzielenden B-Zellen, wie sie im Fachblatt „Nature“ berichten. „Das ist ein gutes Zeichen“, sagt Watzl. „Die Studie bietet einen einzigartigen Einblick in die Prozesse in den Lymphknoten.“
Zusätzlich analysierten die Forscher mehrfach Blutproben von 41 Geimpften, von denen acht zuvor bereits eine Sars-CoV-2-Infektion durchgemacht hatten. Die Antikörper-Konzentration erreichten ihren Höhepunkt generell eine Woche nach der zweiten Impfung und die Antikörper waren gegen sämtliche drei untersuchten Corona-Varianten wirksam: einen ursprünglichen Typ, die in Großbritannien entdeckte Alpha-Variante und die in Südafrika nachgewiesene Beta-Variante. Die Delta-Variante spielte in der Studie keine Rolle.
Jene Geimpfte, die vorher mit dem Erreger infiziert gewesen waren, hatten noch höhere Werte als die übrigen Teilnehmer. „Wenn man schon einmal infiziert war und dann geimpft wird, bekommen die Antikörper-Werte einen Schub“, erläutert Co-Autorin Jane O’Halloran. „Die Impfung hat eindeutig einen zusätzlichen Nutzen, daher empfehlen wir sie auch Menschen, die Covid-19 hatten.“
Moderna zeigt Immunantwort bei Delta
In Bezug auf die Delta-Variante meldet auch der US-Pharmakonzern Moderna, dass ihr Impfstoff auch eine Immunantwort gegen diese Variante zeige. Labor-Untersuchungen mit Blut von Geimpften hätten den Effekt zudem bei mehreren anderen Varianten gezeigt, teilte das Unternehmen am in Cambridge mit. Es habe bei Delta nur eine „geringfügige Reduktion der neutralisierenden Titer“ gegeben. Die Titer zeigen an, wie gut man vor einer Infektion geschützt ist.
Die Untersuchungen basierten auf Blutproben von acht Teilnehmern, entnommen eine Woche nach der zweiten Impfdosis. Die Ergebnisse zum Moderna-Impfstoff sind allerdings noch nicht von anderen Wissenschaftlern geprüft worden. Eine nachweisbare Immunantwort bei einem Geimpften ist nicht zwingend gleichbedeutend mit einem tatsächlichen Schutz vor einer Infektion.
Impfangebot auch für Kinder und Jugendliche
Geplant sind außerdem Impfangebote für Zwölf- bis 17-Jährige. Sie sollen ab sofort die Vakzine von BioNTech und Moderna in Impfzentren erhalten können, aber auch durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie im Rahmen der Impfung von Angehörigen in Betrieben. „Für die Gruppe der jungen Erwachsenen in Universitäten, Berufsschulen und Schulen machen die Länder strukturierte, niedrigschwellige Angebote an den jeweiligen Lernorten“, heißt es in der Beschlussvorlage.
Politik umgeht die STIKO
Die Ministerinnen und Minister umgehen damit die Ständige Impfkommission (STIKO), die Impfungen für Jugendliche bisher nicht generell empfiehlt, sondern auf Risikofälle begrenzt. Allerdings rät sie auch nicht direkt von Impfungen ab. Andere Behörden, etwa die EU-Arzneimittelbehörde EMA, haben die Impfstoffe für Jugendliche bereits zugelassen – entsprechend hoch ist der politische Druck auf die STIKO. Bund und Länder begründen ihren Vorstoß nun auch damit, dass die Impfung der Kinder und Jugendlichen „maßgeblich zu einem sichereren Start in den Lehr- und Lernbetrieb nach den Sommerferien beitragen“ könne.
Aktuell liegt die Quote der Erstimpfungen in Deutschland insgesamt bei rund 62 Prozent der Bevölkerung, gut 52 Prozent sind vollständig geimpft. Bei den unter 18-Jährigen haben etwa 20 Prozent mindestens eine Impfung erhalten und knapp zehn Prozent einen vollständigen Impfschutz.