Corona-Chefberater rät Schwesig von Sputnik V ab

Corona-Chefberater rät Schwesig von Sputnik V ab

3. August 2021 Aus Von mvp-web
Stand: 03.08.2021 17:10 Uhr

Noch im April setzte die Landesregierung auf den russischen Impfstoff Sputnik V – jetzt erklärte der Corona-Chefberater der Ministerpräsidentin, er würde das Vakzin nicht verimpfen – doch die Vorverhandlungen mit Russland laufen weiter.

von Stefan Ludmann, NDR 1 Radio MV

Manchmal laufen Pressekonferenzen ganz anders als geplant: Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatte sich nach der Kabinettssitzung am Dienstag eigentlich vorgenommen, über die Corona-Lage und die Bedeutung der Impfungen zu informieren. Als Unterstützung hatte sie ihren Corona-Chefberater, den Rostocker Infektionsmediziner Prof. Emil Reisinger mit in die Landespressekonferenz gebracht. Reisinger allerdings sorgte mit überraschend klaren Worte für eine Überraschung.

Schwesig will Impftempo erhöhen

Zunächst lief alles nach Plan: Die Regierungschefin begrüßte die Entscheidung von Bund und Länder, jetzt auch 12- bis 17-Jährigen ein Impfangebot zu machen. Für Eltern und Kinder in Mecklenburg-Vorpommern ändere sich ohnehin nichts, die freiwillige Impfung sei bei Hausärzten und in den meisten Impfzentren schon jetzt möglich. Wichtig sei, das Impftempo bei den 18- bis 59-Jährigen zu erhöhen. In der Altersgruppe sei die Impfquote noch zu niedrig – anders als bei den Älteren. Schwesig will da mehr Druck machen, zum Beispiel soll es Impfangebote beim nächsten Heimspiel des FC Hansa Rostock geben.

Reisingers Wort hat Gewicht

Auch Reisinger machte noch einmal klar, wie wichtig das Impfen im Kampf gegen eine mögliche vierte Welle sei – vor allem mit den MRNA-Impfstoffen von BionTech-Pfizer oder Moderna. Auf die Frage, was er denn vom russischen Impfstoff Sputnik V halte, wurde Reisinger deutlich: „Die Impfung mit Sputnik würde ich nicht empfehlen“, sagte Reisinger frei heraus. Sein Wort hat Gewicht, er ist in allen wichtigen Corona-Runden dabei. Der gebürtige Österreicher hat – wie man so sagt – das Ohr der Ministerpräsidentin. Sie saß bei seiner Aussage direkt neben ihm.

Genügend Impfstoff verfügbar

Noch im April hatte sich Schwesig für den russischen Impfstoff ausgesprochen und eigentlich will sie ihn noch immer nach Mecklenburg-Vorpommern holen. Reisinger ging trotzdem auf Distanz zu den Plänen der Landesregierung: „Aus rein medizinischer Sicht würde ich Sputnik derzeit in Mecklenburg-Vorpommern nicht verimpfen und ich sehe auch keine Notwendigkeit, dass wir auf Sputnik zurückgreifen.“ Denn mittlerweile ist genügend Impfstoff verfügbar, die Politik hat ihr Versprechen eingelöst, bis Ende des Sommers jedem ein Impfangebot zu machen. Mecklenburg-Vorpommern erwägt sogar, bis zu 40.000 nicht benötigte Dosen von Astra-Zeneca und Johnson&Johnson an den Bund zurückzugeben. Was passiert jetzt also mit Sputnik V für Mecklenburg-Vorpommern? Auf diese Frage reagierte die Ministerpräsidentin eher schmallippig. „Ich gehe davon aus, dass uns Herr Gesundheitsminister Glawe entsprechend zu gegebener Zeit einen Vorschlag unterbreiten wird.“

Kaufoption auf eine Million Dosen

Im April klang das alles noch ganz anders. Da wollte Schwesig ihren Gesundheitsminister Harry Glawe (CDU) nicht allein den Vorstoß für Sputnik V öffentlichkeitswirksam verkaufen lassen. Sie selbst verkündete einen Vorschlag auf eine sogenannte Kauf-Option. Eine Million Dosen wollte sich das Land sichern – für bis zu 10 Millionen Euro. Schwesig hatte schon an den russischen Industrieminister geschrieben und lobte nach einer Kabinettssitzung den Impfstoff aus Russland: „Jeder Impfstoff, der gut ist und wirkt, ist ein guter Impfstoff, den wir brauchen. Und es ist nicht entscheidend, woher der Impfstoff kommt.“ Schwesig kündigte Vorverträge mit der russischen Seite an.

Anwaltskosten von bis zu 140.000 Euro

Seit Wochen ist die Berliner Anwaltskanzlei Luther damit beschäftigt, im Auftrag des Landes diese Sputnik-V-Vorverträge vorzubereiten. Die Verhandlung kosten den Steuerzahler schon jetzt Geld. 140.000 Euro stehen allein für die Vertragsabwicklung bereit. Ob man diese Vorbereitungen jetzt nicht stoppen sollte, wurde Reisinger gefragt, und der gab sich diplomatisch: „Bestellvorgänge sind politische Entscheidung, da erlauben Sie mir, mich nicht zu äußern.“ Äußern müssen sich möglicherweise andere: Noch im April hatten Glawe und Schwesig Mecklenburg-Vorpommern als Produktionsstandort von Sputnik V ins Spiel gebracht. Davon ist keine Rede mehr – auch weil Sputnik V trotz der Vorschuss-Lorbeeren aus Schwerin noch immer keine EU-Zulassung bekommen hat.