Frankreich meldet Fallzahl-Explosion – warum das ein Warnsignal für uns ist
11. September 2020
In Frankreich steigt die Anzahl der Corona-Infizierten weiter – am Donnerstag auf einen Rekordwert von 9843 neuen Infektionen binnen 24 Stunden. Dies sei die höchste Zahl in Frankreich seit Beginn der Pandemie, teilte das Gesundheitsamt mit. Das bisherige Maximum war Anfang September mit rund 9000 neu erfassten Fällen innerhalb eines Tages vermeldet worden. Seither pendelten die Zahlen regelmäßig auf ähnlich hohem Niveau. Im Frühjahr lag das Maximum bei rund 7500 erfassten Fällen innerhalb von 24 Stunden.
Viele Ärzte befürchten jetzt, dass die explodierenden Fallzahlen spätestens im Herbst zu überlasteten Intensivstationen führen könnten. Im März war das zu Hochzeiten der Pandemie in vielen Regionen Frankreichs bereits der Fall gewesen. Vor allem in den Gegenden, die das Auswärtige Amt auch heute bereits als Risikogebiete in Frankreich ausweist. Dazu zählen die Regionen:
- Île-de-France mit der Hauptstadt Paris
- Provence-Alpes-Côte-d’Azur
- Auvergne-Rhône-Alpes
- Occitanie
- Nouvelle-Aquitaine
- Corse (die Insel Korsika)
Vor nicht notwendigen, touristischen Reisen in diese Regionen warnt das Auswärtige Amt. Die Infektionszahlen sind hier – schon wieder – besonders hoch. Warum das so ist, lässt sich bisher nicht eindeutig sagen.
Inkonsequenter Umgang mit Corona-Regeln und Tourismus als wahrscheinliche Gründe
Virologen gehen aber davon aus, dass in den besonders stark betroffenen Gebieten Abstands- und Hygieneregeln in den vergangenen Monaten eher lasch gehandhabt worden sein müssen. Viele der Regionen sind klassische Urlaubsgebiete. Gerade im Urlaub nehmen es viele nicht ganz so genau mit den Corona-Regeln wie zuhause, mutmaßen Experten.
„Überall, wo Massentourismus stattfindet, ist eine größere Gefährdung vorhanden“, erklärt Helmut Fickenscher, Professor für Virologie und Leiter des Instituts für Infektionsmedizin an der Kieler Universität, bei RTL. „So eine starke Fallzahlvermehrung muss auf Unachtsamkeit und Distanzlosigkeit beruhen. Das ist völlig offensichtlich.“
Drosten vermutet „mehr Restinfektionsmasse“ in Frankreich
Christian Drosten nennt im Coronavirus-Podcast noch einen weiteren möglichen Grund für die besonders stark steigenden Zahlen in dem südeuropäischen Land: „Ein wahrscheinlich hinreichender Grund ist, dass in Frankreich einfach viel mehr Infektionstätigkeit war während der ersten Welle“, erklärt er. „Der französische Lockdown war aggressiver als unserer, aber möglicherweise ist da im Hintergrund mehr an Restinfektionsmasse übriggeblieben als bei uns. Das können wir nicht skalieren, niemand kann das quantifizieren. Aber es wäre eine Erklärung für das, was wir jetzt beobachten.“
Konkret bedeutet das: Drosten geht davon aus, dass sich trotz des Lockdowns in Frankreich zu Beginn der Pandemie mehr Menschen mit dem Coronavirus angesteckt haben als angenommen. Ihre Infektionen liefen oft symptomlos ab und wurden so nicht bemerkt. Sie liefen unterhalb des Corona-Radars der Gesundheitsämter. Über die Zeit bildeten sich so immer neue Infektionscluster – inzwischen offenbar so viele, dass die einzelnen Infektionsketten nicht mehr nachvollziehbar sind und die Fallzahlen explodieren.
Was Deutschland aus Frankreichs Fallzahlen lernen kann
Vom Vorwurf, die französische Regierung und Kliniken hätten beim Krisen-Management versagt, hält der Berliner Charité-Virologe nichts. Er erklärt: „Ich glaube nicht, dass irgendjemand in Frankreich etwas falsch gemacht hat.“
Effekte wie dieser sind für den Einzelnen nicht unbedingt nachvollziehbar und auch nicht zu beeinflussen. Abstand zu halten und sich an die Hygienemaßnahmen zu halten aber schon. Frankreich scheint der lapidare Umgang mancher jetzt zum Verhängnis zu werden. Für Deutschland werten das viele als Warnsignal – dafür, was auch uns droht, wenn sich zu viele Menschen nicht ausreichend an die erlernten Regeln zur Eindämmung der Pandemie halten.