Nord Stream 2: Emotionale Debatte im Bundestag

18. September 2020 Aus Von mvp-web
Zwischen Pipeline-Gegnern wie Annalena Baerbock (Grüne, unten) und -Befürwortern wie Manuela Schwesig (SPD) entspann sich im Bundestag eine kontroverse Debatte.

Seit Wochen schon sorgt die fast fertige Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 für Streit zwischen vielen Beteiligten – vor allem zwischen Russland und den USA. Heute hat der Bundestag über das Projekt beraten – genauer gesagt über zwei Anträge von den Bündnis90/Grünen und der AfD. Das umstrittene Energieprojekt löste eine emotionale Debatte aus, die von zahlreichen Zwischenrufen geprägt war.

„Nord Stream 2 spaltet Europa“

Grünen-Chefin Anna-Lema Baerbock machte gleich klar, worum es den Grünen in ihrem Antrag geht: „Diese Gaspipeline Nord Stream 2 spaltet Europa.“ Die Pipeline sei nicht durchgenehmigt, sagte Baerbock, die Bundesregierung unterstütze mit dem Großprojekt indirekt die russische Regierung. Deshalb formulierte Baerbock eine eineutige Forderung an die Bundesregierung: „Entziehen Sie dieser Pipeline endlich Ihre politische Unterstützung. Jetzt ist der Momen gekommen, Farbe zu bekennen.“

CDU: Nord-Stream-Ausstieg als „Rohrkrepierer“

Die Union will dagegen an der Pipeline festhalten: Der Abgeordnete Jens Koeppen sagte in Richtung der Grünen: „Zehn Milliarden Euro sind in die Trasse geflossen. 97 Prozent sind fertig. Soll das jetzt alles auf dem Meeresgrund der Ostsee vergammeln – das Material, die Investitionen, die Steuergelder? Ich glaube, hier müssen Sie nochmal überlegen.“ Die Grünen seien „energiepolitische Helden“, so Koeppen. Es gebe ja bereits eine erste Ostseepipeline, ein Ausstieg aus der zweiten sei ein „Rohrkrepierer“.

AfD: Strom würde fehlen

Die AfD hatte ebenfalls einen Antrag gestellt. Sie will ebenfalls an der Erdgaspipeline festhalten. Diese Energie werde in Deutschland dringend benötigt, so die Meinung des AfD-Abgeordneten Rainer Kraft. „Durch den geplanten Ausstieg aus der Kern- und Kohleenergie werden bis 2022 in Deutschland Kraftwerkskapazitäten abgebaut, die im letzten Jahr noch etwa 80 Terawattstunden Strom für den Wirtschaftsstandort Deutschland geliefert haben – planbar, zuverlässig und preiswert. Dieser Strom wird fehlen.“

Schwesig vermisst Sachlichkeit bei Grünen

Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), wandte sich vor allem an die Grünen und ihre Ausstiegsforderung: Sie wünsche sich von den Grünen eines, „dass Sie jetzt kommen und mit einem Satz hier im Bundestag ohne Begründung dieses Projekt stoppen wollen – für eine Partei, die gerne in Regierungsverantwortung will, würde ich mir mehr Anspruch wünschen in der Sachlichkeit und Differenzierung.“

USA-Drohung gegen Mukran ist „ungeheuerlich“

Das Gas sei eine Übergangstechnologie hin zu einer sauberen Energiepolitik, so Schwesig. Dazu sei die Pipeline wichtig. An die Grünen-Abgeordnete Claudia Müller gerichtet, sagte Schwesig: „Dass die USA den kleinen Hafen Mukran zum Spielball von Weltpolitik macht und dort Geschäftsführung und Mitarbeiter bedroht, obwohl die nichts Unrechtes getan haben – dass diese Drohung von einer befreundeten Nation möglich ist, ist ungeheuerlich. Da würde ich von Ihnen Unterstützung erwarten für die Bürger und Bürgerinnen in unserem Bundesland.“

Streit zwischen Linken und Grünen

Auch aus der Linksfraktion kam Kritik an der Grünen-Forderung nach einem Ausstieg aus dem Pipelineprojekt. Damit machten sich die Grünen zu Lobbyisten für teures und dreckiges Fracking-Gas aus den USA, sagte der Linken-Abgeordnete Dietmar Bartsch. „Sie legen faktisch einen Antrag vor, der eins zu eins die US-Sanktionen durchsetzen will.“ Nord Stream 2 liege im europäischen und im deutschen Interesse. „Deutschland entscheidet souverän über seine Energiepolitik“, so Bartsch. Dies kritisierte wiederum Grünen-Außenexperte Jürgen Trittin scharf. Ein Vertreter der Linken stelle sich öffentlich unter dem Beifall der AfD hin und erkläre, Deutschland entscheide souverän über seine Energiepolitik. „Energiepolitik ist im Gemeinsamen Binnenmarkt europäisch, das solltest du gelernt haben“, so Trittin an Bartsch gewandt.

Am Ende der knapp einstündigen Debatte überwies der Bundestag den Antrag der Grünen in den Wirtschaftsausschuss. Damit gab es erwartungsgemäß keine Entscheidung darüber, ob Deutschland aus dem Projekt aussteigt oder nicht.

Stand: 18.09.2020 15:35 Uhr  – NDR 1 Radio MV