News zur Corona-Pandemie: Zahl der Intensivpatienten steigt sprunghaft an – Lauterbach fordert flächendeckend 2G ab Herbst
4. September 2021Die Zahl der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen steigt sprunghaft an, wie die Daten aus dem DIVI-Intensivregister zeigen. Im Vergleich zum Vortag gibt es am Samstag 41 mehr Intensivfälle, insgesamt sind liegen damit 1.258 Menschen auf der Intensivstation.
Davon werden aktuell 625 Menschen beatmet. Der Anteil belegter Intensivbetten bleibt weiter bei mehr als 83 Prozent. Als Pandemie-Indikator ist die Statistik aber wenig aussagekräftig, da sich Verschiebungen im Infektionsgeschehen erst mit mehrwöchiger Verzögerung in der Intensivbettenbelegung zeigen.
Lauterbach fordert 2G ab Herbst – dann sei ein Lockdown nicht notwendig
Angesichts wieder steigender Infektionszahlen hat der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach striktere Corona-Maßnahmen ab Herbst gefordert. „Wenn die Zahlen weiter so steigen, müssen wir vermehrt 2G einführen – je früher, desto besser“, sagte er dem Portal „Business Insider“ mit Bezug auf Geimpfte oder Genesene. Nur so sei es möglich, die Infektionskurve zu senken.
„Einen weiteren Lockdown halte ich nicht für notwendig“, sagte Lauterbach weiter. „Die einzige Frage ist, wann und wo kommt 2G. Anders kriegt man die Zahlen nicht nach unten.“ Besonders bei Clubs, Restaurants und Kneipen müssten die Vorgaben strenger werden.
Auch der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen sagte dem Portal, angesichts der steigenden Zahl an Patienten in den Kliniken und auf den Intensivstationen seien „flächendeckend 2G-Maßnahmen“ nötig, um die Fallzahlen und die Hospitalisierungsrate zu drücken. Das wäre indes vermeidbar gewesen, wenn im Sommer die 3G-Regeln konsequent umgesetzt worden wären, fuhr er fort.
„Bis heute ist 3G eine politische Fiktion, die kaum effektiv kontrolliert wird“, kritisierte Dahmen. „So lässt sich die vierte Welle nicht bremsen.“ Deutschlandweit müssten 3G-Regeln für alle Indoor-Aktivitäten bis zu einem Schwellenwert der Inzidenz von 50 gelten. „Darüber gilt 2G.“ Das müsse auch kontrolliert werden.
Intensivmediziner warnen vor schwerer Corona-Welle für Klinken im Herbst
Die deutschen Intensivmediziner warnen angesichts der kaum steigenden Corona-Impfquote vor einer neuerlichen Belastungsprobe für die Klinken im Herbst. „Wenn wir bis Oktober nicht die Impfquote deutlich nach oben bringen, bekommen wir im Herbst einen richtig starken Anstieg der Coronafälle auf den Intensivstationen“, sagte der der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin, Christian Karagiannidis der „Augsburger Allgemeinen“ (Samstagausgabe). Im September sei die Lage trotz rasch steigender Zahlen im Griff. „Bauchschmerzen bereitet uns die Zeit ab Oktober, November – wenn sich das Leben stark in die Innenräume verlagert und wieder die Heizung angehen.“
„Der Unterschied einer zehn Prozent höherer oder niedrigerer Impfquote ist bei der Auswirkung auf die Intensivstationen enorm“, sagte der Leiter des DIVI-Intensivregisters. Bei einer Impfquote von 80 Prozent gibt es doppelt so viele Gefährdete wie bei einer Impfquote von 90 Prozent, bei einer Impfquote von 70 Prozent dreimal so viele.
„Deshalb hilft uns an den Intensivstationen eine zehn Prozent höhere Impfquote unheimlich viel“, rief Karagiannidis zu mehr Impfungen auf. Nicht-Geimpfte könnten angesichts der Delta-Variante nicht mehr auf einen Schutz durch eine Herdenimmunität bauen. „Das heißt am Ende, man ist entweder geimpft oder man macht früher oder später die Infektion durch“, sagte der Notfallmediziner. „Die Delta-Variante führt nach heutigen Erkenntnissen dazu, dass die Nicht-Geimpften deutlich schneller im Krankenhaus landen als bei früheren Wellen“, warnte er.
Für die Intensivstationen habe durch die Delta-Variante schon jetzt eine neue Phase der Pandemie begonnen: „Der Altersdurchschnitt unserer Corona-Patienten auf den Intensivstationen ist deutlich jünger geworden“, berichtete Karagiannidis. „An meiner Klinik sehen wie anders als früher viele Patienten im Alter zwischen 20 und 40 auf der Intensivstation“, erklärte der Leiter des Beatmungszentrums der Lungenklinik Köln-Merheim.
Weit mehr als die Hälfte der Patienten sei unter 60 Jahre alt. „Und wir hören von fast allen Kliniken, dass jetzt Patienten kommen, die keine oder kaum nennenswerte Vorerkrankungen hatten“, sagte er. „Deshalb erleben wir mit der Delta-Variante tatsächlich eine neue Phase der Pandemie auf den Intensivstationen.“ Jedoch sei nur ein Prozent der Intensivpatienten jünger als 18 Jahre, unter einem Dutzend Fälle seien auch drei Kinder.
Die Frage ob, die Regeln für Geimpfte, Getestete und Genesene einen Lockdown verhindern könnten sei offen. „Tatsächlich wäre es sinnvoll, eher früher als zu spät auf 2G zu setzen, damit wir nicht mit einem riesen Rucksack an Infektionen in den Oktober und November marschieren“, sagte Karagiannidis. Weitreichende Freiheiten für Geimpfte seien dabei aber kein Problem. „Man kann es auch aus Sicht der Intensivmedizin rechtfertigen, dass man den Geimpften viel mehr Freiheit gibt“, betonte er. „Die Geimpften landen so gut wie nicht auf der Intensivstation. Bei den wenigen Prozent handelt es sich in der Regel um Menschen mit geschwächten Immunsystem und entsprechenden Vorerkrankungen.“ Problematisch sei jedoch, sich auf Testen zu verlassen. „Die Schnelltests sind zu ungenau und unentdeckte Infektionen wirken sich bei der Delta-Variante noch viel riskanter aus, als in der Vergangenheit. Jeder unentdeckte Infizierte kann in seinem Umfeld noch viel mehr Menschen anstecken.“
Spahn schließt Impfpflicht für Pflegekräfte weiter aus, aber betont: „Wer sich nicht impfen lässt, kann nicht mehr mit Schwerstkranken arbeiten“
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schließt eine Impfpflicht für Ärzte und Pflegekräfte weiter aus. „Wir haben versprochen, dass es keine Impfpflicht geben wird, für wen auch immer“, sagte Spahn dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Dabei bleibe es. Sich impfen zu lassen, bleibe eine freie Entscheidung.
„Aber wer sich zum Beispiel als Pflegekraft nicht impfen lassen will, kann nicht erwarten, dass er dann noch in engstem Kontakt mit schwerstkranken Menschen arbeiten kann. Wir wissen doch, wie brutal Corona in den Pflegeheimen gewütet hat“, sagte Spahn.