MV-Wahl: So lief die TV-Runde mit AfD, Linken, FDP und Grünen

MV-Wahl: So lief die TV-Runde mit AfD, Linken, FDP und Grünen

14. September 2021 Aus Von mvp-web
Stand: 14.09.2021 21:29 Uhr

Vor dem TV-Duell zwischen den beiden MV-Landtagswahl-Spitzenkandidaten von SPD und CDU, Manuela Schwesig und Michael Sack, sind im NDR Landesfunkhaus in Schwerin die vier Spitzen der anderen Parteien mit Aussicht auf Einzug in den Landtag zu einer TV-Runde zusammengekommen.

Horst Förster für den erkrankten Nikolaus Kramer (AfD), Simone Oldenburg (Die Linke), René Domke (FDP) und Anne Shepley (Grüne) lieferten sich stellenweise einen offenen Schlagabtausch.

von Henning Strüber, NDR.de

Moderiert von Susanne Stichler und Thilo Tautz diskutierten die Spitzenkandiaten über die Themen, die laut Umfragen in Mecklenburg-Vorpommern ganz oben auf der Agenda stehen: Bildung, Wirtschaft, Arbeitsplätze und Mobilität. Doch eröffnet wurde die Runde mit der aktuellen Diskussion über eine – auch indirekte – Impfpflicht in der Corona-Pandemie. Hier waren sich die Vertreter der Parteien im Wesentlichen einig: Aufklärung sei besser als Zwang. Es müsse darum gehen, mobile Impfangebote zu den Menschen zu bringen, meinte Shepley. Auch Oldenburg erteilte restriktiven Maßnahmen eine Absage: „Aufklärung ist immer noch der bessere Weg als irgendein Zwang durch die Hintertür.“ Gegen solche führte Förster verfassungsrechtliche Bedenken an.

Corona: 2G stößt auf Skepsis

Domke sprach sich dafür aus, die Infektionszahlen durch großflächiges und kostenfreies Testen zu drücken. Auch die 2G-Regel – also Zutritt nur noch für Genesene und Geimpfte – stieß in der Runde überwiegend auf Skepsis. „Wenn Sie auch als Geimpfter weiter infektiös sind, dann müssen wir schon beide gleichstellen. Wir können es nicht riskieren, dass wir die Gesellschaft spalten“, sagte Domke.

Bildung: Keine Patentrezepte gegen Personalmangel in Schulen und Kitas

Das Thema Bildung brennt den Menschen im Bundesland laut der aktuellen Umfrage von infratest-dimap am meisten unter den Nägeln. Bis 2030 müssen im Nordosten 7.000 Lehrerstellen neu besetzt werden. In den Kitas und Krippen ist das Betreuungsangebot zwar kostenlos, aber beim Personalschlüssel ist Mecklenburg-Vorpommern Schlusslicht. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Was also tun gegen den Mangel? Dass es kein sofort wirkendes Allheilmittel gebe, war Konsens in der Runde. Schon in der Vergangenheit seien Weichen – etwa bei der Bedarfsplanung – falsch gestellt worden. „Man hat sich versündigt an der nachfolgenden Generation“, so Domke.

Lehrer aus anderen Bundesländern zurückholen?

Es gelte, „jetzt Maßnahmen zu ergreifen, die natürlich erst in acht oder zehn Jahren wirken. „Kurzfristig will Domke auf Rückholaktionen von Lehrern aus anderen Bundesländern setzen, in denen die Arbeitsbedingungen besser seien. Ein Patentrezept hat auch Förster nicht parat: „Es ist eine Situation, die mit dem derzeitigen Personal nur überbrückt werden kann – mit besten Anstrengungen.“ Wer im öffentlichen Dienst sei, müsse auch ein starkes Pflichtgefühl haben und „eventuell auch mal mehr arbeiten“, so Förster. „Eine kurzfristige Lösung wird es nicht geben.“

Oldenburg: Bedingungen für Lehrer müssen besser werden

Oldenburg sieht den Schlüssel hingegen in attraktiveren Arbeitsbedingungen: „Wenn ich die Arbeitsbedingungen nicht verbessere, werden immer weniger Lehrer den Weg nach Mecklenburg-Vorpommern suchen.“ Konkret gehe es „um den ganzen Blumenstrauß“, so Oldenburg: weniger Wochenstunden, Qualifizierungsmaßnahmen für arbeitslose Lehrer, von denen es 300 bis 400 im Land gebe und ein verkürztes Referendariat von zwölf statt 18 Monaten sowie bessere Unterrichtsbedingungen. „Dass wir mehr Lehrkräfte brauchen, ist völlig klar“, sagte Shepley. Für sie ist die Lehrerausbildung ein entscheidender Hebel. „Wir brauchen eine Ausbildung für das Lehramt, die praxisorientiert ist“, sagte die Grünen-Spitzenkandidatin mit Blick auf die hohe Abbrecherquote von rund 80 Prozent unter den Lehramtsstudenten.

Shepley bringt Alltagshelferinnen für Kitas ins Gespräch

Beim Erziehermangel in Kitas brachte Shepley neben einer besseren Bezahlung die sogenannten Alltagshelferinnen ins Gespräch. Dies sei eine Chance für Quereinsteiger, in den Beruf zu kommen. Die Alltagshelferinnen könnten nicht-pädagogische Tätigkeiten wie Essen verteilen und An- und Umziehen der Kinder übernehmen. Oldenburg verwies darauf, dass es solche Alltagshelferinnen schon seit anderthalb Jahren in den Kitas im Land gebe. „Wir brauchen eine Erzieher-Bedarfsplanung. Die haben wir nicht“, so Oldenburg.

Wirtschaft: Kontroverse um Erneuerbare-Energien-Ausbau

Kontrovers diskutiert wurde beim Thema Wirtschaft. Hier wurden die unterschiedlichen grundsätzlichen Haltungen der Parteien deutlich – etwa wenn es um erneuerbare Energien, deren Ausbau und den Mangel an Stromtrassen sowie Speichertechnologien für erneuerbare Energie ging. Während Shepley sich für einen forcierten Ausbau der Erneuerbaren aussprach, plädierten Domke und Oldenburg für eine stärkere Verzahnung der Technologien und den Energie-Mix. „Ich brauche doch die Speicherkapazitäten, die ich in Mecklenburg-Vorpommern nicht habe. Was nützt es, wenn ich die Windkraft ausbaue und gleichzeitig die Speicherkapazitäten nicht mit ausbaue. Wir haben so viele Windräder, die stillstehen“, so Oldenburg.

Förster will über Wiedereinstieg in AKW diskutieren

Förster mahnte mehr Realismus in der Debatte an, die häufig von „Fantasien der Politik“ geprägt sei. Der AfD-Vertreter räumte ein, dass es einen Klimawandel gebe und dass daran auch der Mensch seinen Anteil habe, aber der Atomausstieg sei ein großer Fehler gewesen, so Förster. Über einen Wiedereinstieg in die Kernenergie müsse „nachgedacht“ werden. Das rief Shepley auf den Plan. Es dürfe keine Hinhalte-Taktiken mehr geben, denn es drohe nicht weniger als die Klimakatastrophe. „Wir müssen für die zukünftigen Generationen das Leben sichern. Und das können wir nur, wenn wir aus der Kohle aussteigen, wenn wir aus Atom rausgehen und wenn wir auch kein Gas mehr machen.“ Domke warf ein, dass ein Verlust der Akzeptanz für die Energiewende bei den Bürgern drohe, wenn die Strompreise immer weiter stiegen.

Weitere Werftenhilfen? Geteilte Meinungen

Fester in der Landespolitik verankert war die Diskussion wieder, als es um die kriselnden Werften im Nordosten ging. An den Werften hängen mittelbar mehr als 20.000 Arbeitsplätze im Land. Diese werden jedoch teuer erkauft, weil das Land schon seit Jahrzehnten die im Umbruch befindliche Industrie unterstützt. Nach dem Willen von Oldenburg und den Linken soll es auch künftig dabei bleiben: „Wir haben viel zu wenig Industriearbeitsplätze.“ Aber die Werften müssten sich technologisch breiter aufstellen, so Oldenburg. Auch Shepley befürwortet – finanzielle – Anstrengungen der Politik, um den drohenden Arbeitsplatzverlust abzuwenden. „Wir können nicht einfach sagen: Der Markt regelt das.“ Aber es sei mehr technologische Innovation nötig – speziell bei alternativen Antriebstechniken. „Wir können Weltmarktführer werden, aber wir brauchen ein Konzept“, sagte Shepley. Langfristig müsse die Politik einen Rahmen schaffen, um einen Transformationsprozess in innovative, nachhaltige Wirtschaftsformen auch für mittlere und kleinere Unternehmen möglich zu machen.

Domke: Geld statt in Werften lieber in nachhaltigen Strukturwandel stecken

Domke und Förster stehen staatlicher Unterstützung hingegen kritischer gegenüber. „Wenn eine Unterstützung des Staates, weil der Markt an der Stelle brutal ist, nicht nachhaltig wirkt, dann hat man im Grunde Recht, wenn man mutig ist und sagt: Dann werfen wir da nicht dem verlorenen Geld noch anderes hinterher“, sagte Förster. Und was passiert mit den Jobs? „Das wird man sehen“, so Förster. Domke meinte zu den Wirtschaftshilfen für die maritime Wirtschaft, dass man das Geld in einen nachhaltigen Strukturwandel hätte stecken sollen. „Wir müssen über Antriebstechniken reden.“

Streit beim Thema Mobilität

Auch beim Thema Mobilität prallten unterschiedliche Meinungen aufeinander. Oldenburg, Domke und Förster drückten ihre Skepsis aus, dass es gelingen kann, jedes kleine Dorf in kurzen Takten an den ÖPNV anzuschließen, wie es die Grünen am liebsten umsetzen würden. Es gelte stattdessen, die Balance zu finden zwischen Automobilität, Bahn- und Busverkehr. Der Ausbau des Anrufbus-Systems, den es schon in einigen Landkreisen gebe, sei ein Ansatz. „Es wird nie so sein, dass wir auf das Auto verzichten müssen und verzichten können“, sagte Oldenburg. In jeder Region müssten Busse regelmäßig verkehren, hielt Shepley dagegen.