Debatte in der Union „Wir haben die Wahl verloren. Punkt“
28. September 2021Nach der krachenden Wahlniederlage ist Armin Laschet angezählt – auch in der eigenen Partei. Vor der konstituierenden Sitzung der Unionsfraktion wächst die Kritik, die Rufe nach einem personellen Neuanfang werden lauter.
Die Verluste bei der Bundestagswahl waren historisch, trotzdem ist Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet willens zu regieren. Doch innerhalb der CDU wächst der Widerstand gegen Laschets Kurs. „Wir sollten jetzt demütig und respektvoll den Wählerwillen annehmen, mit Anstand und Haltung. Es war Veränderung gewollt“, sagte Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann.
Die Union habe „keinen Anspruch auf Regierungsverantwortung“, unterstrich Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Junge-Union-Chef Tilman Kuban sagte: „Wir haben die Wahl verloren. Punkt.“ Der klare Auftrag liege bei SPD, Grünen und FDP.
Es brodelt in der Union
Die scheidende Landesvorsitzende der CDU in Rheinland-Pfalz, Julia Klöckner, hält dagegen eine Beteiligung der CDU an einer kommenden Bundesregierung für möglich. Zwar müsse sich die Union nach 16 Jahren mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin neu finden, sagte sie im SWR, „man kann sich aber auch in der Regierung erneuern.“
Offensichtlich sei die CDU nicht am Zug, weil sie die Nase nicht vorne habe, „aber wir stehen sehr klar zu Gesprächen bereit. Man kann sich ja nicht abducken und sagen: Jetzt machen wir nur noch Selbsttherapie und Selbstbeschäftigung. Das wäre, glaube ich, einer so starken und regierungserfahrenen Partei wie der CDU gar nicht würdig.“
In der Union brodelt es, vereinzelt werden auch Rufe nach Laschets Rückzug laut. Heute kommen die neuen Fraktionen von SPD, Union, Grünen und Linken zu ersten Beratungen zusammen. Bei der konstituierenden Sitzung der stark geschrumpften Unionsfraktion könnten bereits erste Weichen gestellt werden.
Streit um Neuwahl des Fraktionschefs
Auf der Tagesordnung steht auch die Neuwahl des Fraktionschefs, die für politischen Zündstoff sorgen könnte. Laschet hatte am Montag angekündigt, er wolle gemeinsam mit CSU-Chef Markus Söder vorschlagen, dass der bisherige Vorsitzende Ralph Brinkhaus „in der Phase dieser Koalitionsverhandlungen“ Fraktionschef bleiben soll. Dies sorgte für Unmut bei Brinkhaus, der sich wie üblich für ein Jahr wählen lassen wollte. Für diesen Fall fürchten Mitglieder der CDU-Führung Kampfkandidaturen um den Posten. Hintergrund: Sollte es Laschet nicht gelingen, eine Jamaika-Koalition zu bilden und die Union in der Opposition landen, wäre der Posten des Fraktionsvorsitzenden einer der mächtigsten in der Union.
CDU-Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen plädierte dafür, die Fraktionsführung erst später zu bestimmen. Über das Wahlergebnis müsse erst einmal diskutiert werden, bevor sofort personal- und machtpolitisch Pflöcke eingeschlagen würden, sagte er in der ARD. „Erstens haben wir keinen Konsens in dieser Personalie, und zweitens wissen wir nicht, ob wir den Oppositionsführer oder den Vorsitzenden der größten Regierungsfraktion wählen. Das sind sehr unterschiedliche politische Aufgaben.“
In die gleiche Kerbe schlug auch Hamburgs CDU-Chef Christoph Ploß. Die Frage, wer Fraktionsvorsitzender werde, könne erst abschließend beantwortet werden, wenn klar sei, ob man die Opposition anführe, oder in einer Jamaika-Koalition regiere, sagte Ploß im ARD-Morgenmagazin.
Die CDU in „existenzieller Gefahr“
Sowohl Ploß als auch Röttgen forderten außerdem eine Rundum-Erneuerung der Partei. „Es braucht eine personelle Erneuerung. Wir haben sehr viel gute jüngere Leute, die jetzt auch in die vordere Reihe gehören“, so Ploß.
Röttgen sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, die „ganze Breite der Partei muss verstehen, dass das jetzt ansteht“, Die CDU sei in „existenzieller Gefahr“, ihren Status als Volkspartei zu verlieren. Von sofortigen personellen Veränderungen riet Röttgen allerdings ab: „Wir können doch nicht parallel zu Verhandlungen über eine Regierung einen eigenen internen Wettbewerb in Gang setzen. Das würde sich nicht miteinander vertragen“. Mit Blick auf Laschet sagte er, dieser sei der gewählte Parteivorsitzende und der gemeinsame Kanzlerkandidat. „Diese Entscheidungen stehen, bis andere getroffen werden.“
Auch Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther warnte seine Partei vor einer Personaldebatte zum jetzigen Zeitpunkt. Diese Diskussion müsse geführt werden, „wenn wir wissen, dass ein Jamaika-Bündnis keine Chance hat“, sagte Günther den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Nach einem solchen Wahlergebnis dürfe es allerdings kein „Weiter so“ geben, betonte der Ministerpräsident. „Wenn die Gespräche scheitern, dann werden wir uns genau über diese Fragen unterhalten: Über die personelle Aufstellung der Partei und die Frage, wie es jetzt weitergeht.“
Altmaier fordert personelle Neuaufstellung
Wirtschaftsminister Peter Altmaier forderte dagegen eine zügige personelle Neuaufstellung seiner Partei. Er hätte sich einen klaren Regierungsauftrag für die Union gewünscht, sagt Altmaier der „Rheinischen Post“. „Das ist jetzt schwieriger. Deshalb müssen wir zügig über die inhaltliche und personelle Aufstellung der CDU für die Zukunft sprechen.“ Die Union habe viele Wechselwähler verloren. „Das muss dann auch unser weiteres Verhalten und unsere Aufstellung für die kommende Zeit bestimmen. Wir müssen das Signal der Bürgerinnen und Bürger hören.“ Seiner Partei empfahl Altmaier eine „Portion Demut“.
Angesprochen auf seine Unterstützung für CSU-Chef Markus Söder als Kanzlerkandidat antwortet der Minister: „Ich habe meine Position damals deutlich gemacht. Sowohl im Bundesvorstand als auch gegenüber Armin Laschet. Es ist nicht schön, wenn man am Ende sieht, dass die eigenen Befürchtungen von der Realität noch übertroffen wurden.“
Laschet hatte vor der Wahl erklärt, er gehe „ohne Rückfahrkarte“ nach Berlin – auch wenn er nicht Kanzler werde. Es wird erwartet, dass er bis zur konstituierenden Sitzung des Bundestags am 26. Oktober Ministerpräsident in NRW bleibt. Die Landes-CDU will bis Ende der nächsten Woche die Weichen für die Nachfolge stellen.