Prognose von Statistikerin: Rekord-Inzidenz schon in vier Wochen? Was passiert, wenn wir Corona weiter laufen lassen

Prognose von Statistikerin: Rekord-Inzidenz schon in vier Wochen? Was passiert, wenn wir Corona weiter laufen lassen

27. Oktober 2021 Aus Von mvp-web

Die Corona-Zahlen in Deutschland steigen wieder. Von Dienstag auf Mittwoch fällt der Sprung besonders krass aus: Nach etwas mehr als 10.000 Infektionen gestern meldet das Robert-Koch-Institut heute mehr als 23.000 neue Fälle. Eine Statistikerin gibt den Vier-Wochen-Ausblick.

Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz ist deutlich angestiegen. Das Robert Koch-Institut (RKI) gibt die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Mittwoch mit 118 an. Zum Vergleich: Am Vortag hatte der Wert bei 113 gelegen, vor einer Woche bei 80,4. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 23.212 Corona-Neuinfektionen.

Ebenfalls wieder steigend: die Zahl der gemeldeten Todesfälle in Zusammenhang mit Covid-19. Innerhalb von 24 Stunden verzeichnet das RKI am Mittwoch 114 Todesfälle. Vor einer Woche waren es noch 92 Todesfälle gewesen. Den für eine mögliche Verschärfung der Corona-Beschränkungen wichtigsten Parameter – die Hospitalisierungsrate – gibt das RKI mit 3,07 an. Der bisherige Höchstwert lag um die Weihnachtszeit bei rund 15,5.

Statistikerin gibt Ausblick für den November

Damit ist die Inzidenz in Deutschland den siebzehnten Tag in Folge gestiegen. Was das für die kommenden Wochen bedeutet? FOCUS Online hat bei Statistikerin Katharina Schüller nachgefragt. Lassen wir Corona mit den aktuell geltenen Regelungen weiter laufen und bleibt die Reproduktionszahl bei 1,1, liegt die Inzidenz in vier Wochen demnach bereits bei 172 – und damit weiterhin deutlich oberhalb des Niveaus des Vorjahres. 2020 meldete das RKI zum 27. November eine Sieben-Tage-Inzidenz von 142.

Bei einem angenommenen R-Wert von 1,16 wie vergangene Woche könnte die Inzidenz bis dahin sogar auf bis zu 235 steigen, erklärt die Vorständin der Deutschen Statistischen Gesellschaft. Das wäre höher als jeder Wert, den das RKI in der Pandemie bisher für Deutschland angegeben hat. Der bisherige Rekord stammt vom 22. Dezember 2020. Damals lag die deutsche Sieben-Tage-Inzidenz bei 198.

Die Prognose setze jedoch voraus, dass die Reproduktionszahl in den vier Wochen konstant bleibt, betont Schüller. „Das heißt, dass es weder zu einer stärkeren Ausbreitung kommt, wie zum Beispiel durch nachlassenden Impfschutz oder aggressivere Varianten, noch zu einer stärkeren Eindämmung, zum Beispiel durch die Verschärfung der Maßnahmen.“

Warum die Zahlen gerade stark steigen

Hinter den steigenden Zahlen stecken mehrere Gründe. Grundsätzlich erinnern Experten seit Wochen daran, dass die Herbst-Welle kommen wird. „Das zunehmende und sich weiterverbreitende Gefühl, dass die Pandemie bereits vorbei sei, finde ich unangebracht“, mahnte Epidemiologe Ralf Reintjes von der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften schon Anfang Oktober auf Nachfrage von FOCUS Online.

Von einer zunehmenden Sorglosigkeit im Umgang mit dem Virus, das Infektionen befördert, berichtet auch das Landratsamt Miesbach in einer Stellungnahme. Der Kreis südlich von München zählt aktuell zu den größten Corona-Hotspots des Landes.

Demnach hielten sich viele Bürger inzwischen „…mutwillig oder aus Nachlässigkeit nicht mehr an die Schutzmaßnahmen wie das Tragen einer Maske und Abstandsregeln“. Diese Aussage bezieht sich zwar auf den Landkreis Miesbach, doch auch anderswo in der Republik ist die Konsequenz, mit der etwa die AHA-Regeln umgesetzt werden, zuletzt zurückgegangen.

Allein aufgrund der Jahreszeit sind steigende Zahlen zu erwarten

Mit den kühleren Temperaturen fühlt sich das Coronavirus zudem sehr wohl, die Menschen sich draußen zunehmend unwohl. Immer mehr Aktivitäten verlagern sich daher nach drinnen. Dort ist bekanntermaßen das Infektionsrisiko deutlich höher als an der frischen Luft – insbesondere dann, wenn viele Menschen auf engem Raum sind und schlecht gelüftet ist.

Auch Ferien und Reiserückkehrer spielen eine Rolle

Auch die Herbstferien in vielen Bundesländern dürften eine Rolle für die steigenden Zahlen spielen. Vor allem in Schleswig-Holstein, wo die Ferien seit eineinhalb Wochen vorbei sind, melden die Behörden in den Urlaubsorten stark anziehende Inzidenzen. Werden zudem speziell die Schulkinder wieder regelmäßig getestet, kommen ansonsten unbemerkte Infektionen dazu.

Im Landkreis Miesbach sieht man die deutlich später endenden Sommerferien in Bayern als Einflussfaktor. Die Ferien begannen Ende Juli und zogen sich bis in die dritte September-Woche hinein, als andere Bundesländer schon längst wieder den Schulbetrieb aufgenommen haben. Der Schwung an positiven Reiserückkehrer sei also erst spät gekommen und es hätte „keine Erholungsphase“ vor dem Herbst mit seinem nasskalten Grippewetter gegeben, schreibt das Landratsamt.

Zahlen steigen zur Wochenmitte sehr oft

Ein weiterer Faktor, der zur Erklärung des enormen Anstiegs der Fälle am Mittwoch beiträgt: Es ist üblich, dass die Fallzahlen zur Wochenmitte steigen. Typisch für die RKI-Werte ist, dass sie sonntags und montags meist die tiefsten Werte erreichen. Von dienstags bis samstags steigen die Zahlen in der Regel wieder.

Ein Grund für diesen wöchentlichen Knick kann darin liegen, dass einige, vor allem kleinere Gesundheitsämter, an Wochenenden nicht besetzt sind und somit keine Daten an die Gesundheitsbehörde und wiederum an das RKI übermitteln. Zudem melden die Behörden die Daten teilweise zu unterschiedlichen Zeiten und an Wochenenden erst am kommenden Tag. Das kann sich – durch den Meldeverzug des Verfahrens – in den vom RKI aufgeführten Meldezahlen von Sonntag und Montag niederschlagen.