Koalitionsverhandlungen in MV – Der neue Prima-Klima-Club?
4. November 2021Die Chemie stimmt, die Gespräche offenbar auf Augenhöhe: Bei den rot-roten Koalitionsverhandlungen in Mecklenburg-Vorpommern geht es harmonisch zu. Nur eine Sache sorgt für Unruhe.
Von Jette Studier, NDR
Symbolik können die beiden: Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und Linken-Spitzenkandidatin Simone Oldenburg betreten und verlassen ihren Verhandlungsort in Schwerin vor laufenden Kameras stets gemeinsam. Nach jeder Runde verkünden sie erneut: Die Gespräche liefen konstruktiv, man verhandle auf Augenhöhe, die Chemie stimme.
Politischen Beobachtern im Nordosten kommt das bekannt vor: Schon das erste rot-rote Bündnis des Landes, das SPD-Ministerpräsident Harald Ringstorff 1998 mit der damaligen PDS schmiedete, trug den Beinamen „Prima-Klima-Klub“, demonstrierte stets größtmögliche Harmonie. Dass die Neuauflage dieses Bündnisses mehr als 20 Jahre später noch scheitert, glaubt mittlerweile niemand mehr.
Keineswegs selbstverständlich
Schwesig, deren SPD bei der Landtagswahl fast 40 Prozent holte, hatte lange ein Geheimnis daraus gemacht, welcher Koalitionspartner ihr der liebste sei. Auch die CDU – immerhin seit 2006 Juniorpartner der Sozialdemokraten in Mecklenburg-Vorpommern – hätte gern wieder mitregiert. Ihre Zusammenarbeit mit Schwesig lief zuletzt relativ geräuschlos.
Dass die Sozialdemokraten nach den Sondierungen dann doch entschieden, Gespräche für ein rot-rotes Bündnis aufzunehmen, war deshalb keineswegs selbstverständlich – auch wenn die Linke in ihrer Oppositionsrolle in den Monaten vor der Wahl deutlich zahmer aufgetreten war.
„Reine Mogelpackung“
Als dickstes Brett in den Koalitionsgesprächen galt die Bildungspolitik. Das liegt vor allem an Linken-Verhandlungsführerin Oldenburg, die vor ihrer politischen Karriere lange selbst als Deutsch- und Geschichtslehrerin vor Klassen stand. Schon in der Opposition hatte die Linken-Fraktionschefin sich besonders mit Bildungsthemen zu profilieren versucht. Im Wahlkampf dann plakatierte ihre Partei das Versprechen „1000 neue Lehrer für MV. Machen wir.“
Geklappt hat das nicht ganz. Zwar verkündeten die Verhandlungsführerinnen zuletzt, sie würden 1000 Stellen besetzen. Allerdings sind diese nicht wirklich neu, sondern existieren teils schon befristet oder sind einfach bisher nicht besetzt. Eine „reine Mogelpackung“ sei das, meinte daraufhin der CDU-Landtagsabgeordnete Sebastian Ehlers – und lief sich schonmal in der neuen Oppositionsrolle warm.
Mehr Qualität statt großer Bettenburgen
Bei vielen anderen Projekten waren sich SPD und Linkspartei bereits in den Sondierungen einig. Beide Parteien hatten im Wahlkampf auf das Thema Löhne gesetzt, denn Mecklenburg-Vorpommern belegt hier im Bundesvergleich seit Langem den letzten Platz. Abhilfe soll nun ein neues Vergabegesetz schaffen: Öffentliche Aufträge bekommt damit künftig nur noch, wer seinen Mitarbeitern Tariflohn zahlt. Außerdem will Rot-Rot neue Weg im Tourismusland Mecklenburg-Vorpommern gehen: Mehr Qualität statt großer Bettenburgen lautet die Devise.
Der ausgedünnte Nahverkehr soll um ein Rufbus-System erweitert werden. Und: Bis 2040 soll Mecklenburg-Vorpommern klimaneutral werden. An der „schwarzen Null“ will die Koalition trotzdem auf jeden Fall festhalten.
Dass damit ein dramatischer Linksruck bevorsteht, fürchtet derzeit nur die AfD, die angesichts der Pläne vom „Weg in den Sozialismus“ spricht. Beobachter wie der Rostocker Politikwissenschaftler Jan Müller gehen viel mehr von einem „Weiter so“ aus.
Allenfalls „Akzentverschiebungen“ in den Bereichen Bildung und Soziales dürfte es geben, so Müller. Einen „Aufbruch 2030“ – wie SPD und Linke ihr Projekt nennen – sieht er nicht. Schließlich säßen die Sozialdemokraten seit 1998 in der Schweriner Staatskanzlei. Sie hätten jetzt nur den kleineren Koalitionspartner ausgetauscht.
Wer bekommt welches Ministerium?
Wer dem neuen rot-roten Kabinett angehören soll, darüber dringt bislang wenig nach außen. Als relativ sicher gilt einzig, dass Linken-Spitzenkandidatin Oldenburg wohl ins Bildungsministerium einziehen will. Die SPD dürfte angesichts ihres Wahlergebnisses aber auch kaum mehr als zwei Ministerien an den Koalitionspartner abgeben.
Für Diskussionen sorgt dabei ein Berliner Spitzenpolitiker, der gerade viel Zeit in Schwerin verbringt: Der gebürtige Vorpommer und Chef der Linken-Bundestagsfraktion Dietmar Bartsch sitzt für seine Partei mit am Verhandlungstisch. Das mag nicht völlig ungewöhnlich sein, sorgt aber dennoch für Spekulationen. Offiziell heißt es dazu selbstverständlich: Personalfragen würden erst ganz am Ende der Verhandlungen geklärt.
Die sollen nun zügig abgeschlossen werden. Wenn in den kommenden Tagen über die noch ausstehenden Themen Inneres und Soziales gesprochen wurde, könnten schon am 13. November die Parteitage von SPD und Linken abstimmen.
Schwesig und der Parteivorsitz
Als unwahrscheinlich gilt, dass Schwesig Richtung Berlin wechselt. Sie war zuletzt auch als SPD-Chefin gehandelt worden. Eine Kandidatur ausgeschlossen hatte sie bislang nicht. Aber im Wahlkampf hatte Schwesig stark auf das Image der „Landesmutter“ gesetzt. „Die Frau für MV“ wolle sie sein, versprachen die Wahlplakate. Ein Wechsel in den Bund würde deshalb wohl stark an ihrer Glaubwürdigkeit kratzen.