Steigende Infektionszahlen Mehr Rufe nach schärferen Corona-Regeln
6. November 2021Bundesweite Einführung der 2G-Regel, 3G am Arbeitsplatz oder Rückkehr zu kostenlosen Tests? Die Forderungen nach einer Verschärfung der Corona-Regeln mehren sich. Die Sieben-Tage-Inzidenz steigt indes auf 183,7.
Angesichts steigender Infektionszahlen werden die Rufe nach einer Verschärfung der Corona-Regeln lauter. Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sprach sich für eine deutliche Ausweitung der 2G-Regel aus.
Bundesweit solle nur noch Geimpften oder Genesenen der Besuch von Restaurants, Veranstaltungen oder Kinos erlaubt sein. Notfalls seien sogar Lockdown-Maßnahmen für Ungeimpfte notwendig: „Wenn es darum geht, die stationäre Versorgung zu sichern, finde ich das gerechtfertigt. Schließlich sind es derzeit vor allem die Ungeimpften, die mit schweren Covid-Verläufen in den Kliniken behandelt werden müssen“, so Reinhardt weiter.
Lauterbach für Ausweitung von 2G
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte, die 2G-Regel solle „am besten in allen Bereichen greifen, die nicht wie Lebensmittelgeschäfte oder Drogerien zum täglichen Bedarf gehören“. Ähnlich äußerte sich der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy.
Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit warnte hingegen davor, die Wirkung von 2G-Regeln zu überschätzen. 2G gebe eine „Scheinsicherheit“, sagte Schmidt-Chanasit im Deutschlandfunk. Auch Geimpfte könnten sich infizieren und das Virus übertragen, auch wenn die Wahrscheinlichkeit geringer sei. Wenn man wirklich Sicherheit wolle, helfe nur 1G weiter – also alle zu testen, egal ob geimpft, ungeimpft oder genesen.
In Deutschland setzt ab Montag als erstes Bundesland Sachsen die 2G-Regel in Teilen des öffentlichen Lebens flächendeckend und verpflichtend um. Damit haben nur noch Genesene und Geimpfte Zutritt etwa zur Innengastronomie, zu Diskotheken oder Freizeit- und Kultureinrichtungen. Österreich hatte am Freitag im Kampf gegen die vierte Corona-Welle beschlossen, eine bundesweite 2G-Regel einzuführen.
3G-Regel am Arbeitsplatz?
Zudem müsse Reinhardt zufolge der Arbeitsplatz sicherer werden. „Das heißt: geimpft, genesen oder getestet“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Er forderte die Politik bundesweit zum Handeln auf. „Wir brauchen jetzt klare Regeln, um die Infektionsketten zu durchbrechen.“
Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder forderte schärfere Regeln am Arbeitsplatz: „Es braucht verpflichtend 3G am Arbeitsplatz in ganz Deutschland“, sagte der CSU-Chef den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Und die Arbeitgeber müssen das Recht haben, zu fragen, ob die Angestellten geimpft sind oder einen Test gemacht haben.“ In manchen Corona-Hotspots im Freistaat wird auch die 2G-Regel schon angewendet. Bayern zählt zu den Bundesländern mit den höchsten Corona-Inzidenzen.
Sachsen führt flächendeckend 2G ein wegen steigender Corona-Neuinfektionen: Ein bundesweites Modell?
Mehr Tests auch für Geimpfte?
Die Amtsärzte in Deutschland dringen indes auf eine deutliche Ausweitung der Covid-Schnelltests bei Geimpften. „Je höher die Inzidenzen jetzt werden, desto notwendiger ist es, dass grundsätzlich neben den Ungeimpften auch Geimpfte getestet werden“, sagte die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Sie verwies darauf, dass Impfen und Testen völlig unterschiedliche Dinge seien und plädierte dafür, „die bisherige faktische Gleichstellung von Geimpften, Genesenen und Getesteten in Form der 3G-Regel“ grundsätzlich zu überdenken.
Auch der Einzelhandel und die Gastronomie forderten Bund und Länder zur raschen Wiedereinführung kostenloser Schnelltests auf. „Corona-Tests müssen wieder kostenlos möglich sein, ansonsten ist das Risiko einfach zu hoch, dass viele die Kosten scheuen und mit unerkannten Infektionen andere Menschen anstecken“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes HDE, Stefan Genth, der „Augsburger Allgemeinen“. Auch die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, Ingrid Hartges, forderte die erneute Kostenübernahme von Schnelltests durch den Bund.
Söder für mehr Tests und Booster-Impfungen
Seit dem 11. Oktober können sich viele Menschen in Deutschland nicht mehr kostenlos auf das Coronavirus testen lassen. Dies wurde damit begründet, dass für eine Vielzahl Impfangebote bereitgestellt worden sind. In seinem Forderungskatalog für die nächste Ministerpräsidentenkonferenz plädiert Söder nun dafür, Corona-Schnelltests „in größerem Umfang wieder kostenlos“ anzubieten.
Auch eine Ausweitung der Booster-Impfungen auf die Gesamtbevölkerung empfiehlt er und erhöht damit den Druck auf die Ständige Impfkommission. „Eine Auffrischung muss für jeden möglich sein, der sie braucht und will“, so Söder. „Es würde helfen, wenn sich die Ständige Impfkommission zu einer allgemeinen Booster-Empfehlung durchringt.“
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern hatten gestern bereist beschlossen, dass Auffrischungsimpfungen allen zur Verfügung stehen sollen. „Boostern nach sechs Monaten sollte die Regel werden, nicht die Ausnahme“, sagte der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Die Impfkommission empfiehlt solche Auffrischungsimpfungen bislang aber nur für bestimmte Personengruppen.
Inzidenz steigt auf 183,7
Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz ist indes erneut deutlich angestiegen. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche am Samstag mit 183,7 an. Am Vortag hatte der Wert bei 169,95 gelegen, vor einer Woche bei 145,1, vor einem Monat bei 62,3. Die Gesundheitsämter meldeten binnen eines Tages 34.002 Neuinfektionen.
Am Vortag hatte die Zahl der Neuinfektionen mit 37.120 einen Rekordwert seit Beginn der Pandemie erreicht. Vor einer Woche hatte der Wert bei 21.543 Ansteckungen gelegen. Deutschlandweit wurden nach den neuen Angaben binnen 24 Stunden 142 Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 90 Todesfälle. Die Zahl der in Kliniken aufgenommenen Corona-Patienten je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen – den für eine mögliche Verschärfung der Corona-Beschränkungen wichtigsten Parameter – gab das RKI am Freitag mit 3,91 an (Donnerstag: 3,73).