Inzidenz liegt über 1500! Krankenhäuser in Salzburg bereiten Triage vor

Inzidenz liegt über 1500! Krankenhäuser in Salzburg bereiten Triage vor

16. November 2021 Aus Von mvp-web

Die Krankenhaus-Versorgung im österreichischen Bundesland Salzburg steht wegen angespannten Corona-Lage auf der Kippe.

Die Salzburger Landeskliniken gaben am Dienstag bekannt, dass ein Triage-Team zusammengestellt werde, weil die Behandlung aller Patienten nach geltenden Standards schon bald nicht mehr garantiert werden könne. Triage bedeutet, dass Mediziner aufgrund von knappen Ressourcen entscheiden müssen, wem sie zuerst helfen. Laut dem Sprecher der Kliniken soll das Team künftig darüber beraten, wer noch intensivmedizinisch behandelt werden kann und wer nicht.

In Reaktion auf den Hilferuf des Klinikbetreibers mit seinen vier Krankenhäusern kündigte Salzburgs Landeschef Wilfried Haslauer (ÖVP) Entlastungsmaßnahmen an. „Die Situation ist besorgniserregend“, sagte er während einer Pressekonferenz. Unter anderem sollen manche Corona-Patienten in Zentren für medizinische Rehabilitation untergebracht werden. Außerdem wurde die Bevölkerung aufgefordert, sich bereits vier Monate nach der zweiten Corona-Impfung eine dritten Injektion als Auffrischung zu holen. Laut Haslauer sind mehr als ein Drittel aller neu Infizierten doppelt geimpft.

Salzburg verzeichnet derzeit mit mehr als 1500 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern die höchste Sieben-Tage-Inzidenz unter den österreichischen Bundesländern. Knapp dahinter folgt Oberösterreich mit einem Wert von mehr als 1400. Österreichs Intensivmediziner forderten deshalb am Dienstag einen kurzen Lockdown für die Gesamtbevölkerung in diesen zwei Regionen. Die Situation sei „sehr, sehr angespannt“, sagte Walter Hasibeder, der Präsident des Berufsverbandes ÖGARI.

Die konservative ÖVP von Bundeskanzler Alexander Schallenberg hat sich in den vergangenen Tagen vehement gegen den Vorstoß von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) gestellt, bundesweit nächtliche Ausgangsbeschränkungen einzuführen. Stattdessen setzt die konservative Kanzlerpartei auf den Lockdown für Ungeimpfte, der seit Montag in Österreich in Kraft ist. Mückstein will am Mittwoch die Lage neu bewerten.

Intensivmediziner zu Ungeimpften: „An Irrationalität nicht zu fassen“

15.52 Uhr: Der Jenaer Intensivmediziner Michael Bauer hat die fehlende Impfbereitschaft vieler Menschen scharf kritisiert. „Für alle Leute, die ihren Individualismus hier ausleben, machen wir Dinge, für die das Gesundheitssystem nicht vorgesehen ist“, sagte der Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Universitätsklinikum Jena am Dienstag. Wenn teils Betten gesperrt werden müssten, um sie für Covid-Patienten frei zu halten, gehe das nur auf dem Rücken von Patienten, die andere Diagnosen haben. Von derzeit 17 Covid-Patienten auf seiner Intensivstation habe nur einer einen echten Impfdurchbruch, und auch da lägen weitere Erkrankungen vor.

Bauer warnte, dass die Situation sich ähnlich zuspitzen könnte wie im vergangenen Winter. Damals seien Thüringer Patienten teils bis nach Schleswig-Holstein geflogen worden. Auch jetzt sei die Situation in den Nachbar-Bundesländern angespannt, eine Verteilung über das sogenannte „Kleeblatt-System“ sei schwierig. Thüringen bildet mit Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin ein „Kleeblatt“, innerhalb dessen bei Überlastungen Patienten in ein anderes Bundesland verlegt werden können. Allerdings ist die Lage in den anderen „Kleebatt“-Länden ähnlich angespannt wie in Thüringen.

„Es ist mir komplett schleierhaft, warum das mit einer solchen Gelassenheit zur Kenntnis genommen wird“, sagte Bauer, der auch für die landesweite Koordinierung der Intensivbetten zuständig ist. Dass Menschen in Kauf nähmen, notfalls in einem Hubschrauber auf dem Bauch liegend nach Schleswig-Holstein geflogen zu werden, sei „an Irrationalität nicht mehr zu fassen“.

Zudem sei es schwierig, die Moral beim Personal auf den Stationen aufrecht zu erhalten. „Das Personal ist es leid. Das sind alles Leute, die einfach es besser wissen oder es ignorieren. Und das ist schwer erträglich, für die, die das monatelang mitmachen.“ Das sei eine Situation, die er in 30 Jahren Intensivmedizin noch nie erlebt habe.

In Thüringen waren am Dienstag laut Divi-Register 181 Intensivbetten und damit mehr als jedes Vierte mit Covid-19-Patienten belegt – zu Monatsbeginn waren es noch 69. Der Höchststand hatte Ende April bei etwas über 220 gelegen. Prognosen gehen davon aus, dass bis Ende des Monats 300 Covid-Betten belegt sein könnten. Landesweit waren am Dienstag 61,5 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Geringer war die Impfquote nur in Brandenburg und Sachsen.

Bericht: Regierung rechnet mit deutlich mehr Intensivpatienten

15.43 Uhr: Die Bundesregierung rechnet für die kommenden Wochen laut einem Medienbericht bundesweit mit einer deutlich höheren Zahl von Corona-Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen. Das „Handelsblatt“ berief sich am Dienstag auf einen vertraulichen Lagebericht des Corona-Krisenstabs des Bundesinnenministeriums und des Bundesgesundheitsministeriums, der dem Blatt demnach vorliegt. Engpässe werden demnach besonders in Thüringen befürchtet.

Dort könnte sich die Auslastung der Intensivbetten mit Corona-Patienten bis Anfang Dezember mehr als verdreifachen, heißt es laut „Handelsblatt“ in dem auf diesen Dienstag datierten Bericht. Die Prognose geht demnach von einem gleichbleibenden regionalen Pandemiegeschehen aus.

Nach Stand vom 9. November sei etwa jedes fünfte Intensivbett in Thüringen mit Covid-19-Patientinnen und -Patienten belegt gewesen, hieß es. Bis zum 7. Dezember werde die Auslastung der Intensivbetten auf voraussichtlich 70 Prozent steigen.

Für Bayern sagt die Prognose, die vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern etwa vom Robert-Koch-Institut (RKI) erstellt wurde, demnach für Anfang Dezember eine Auslastung der Intensivbetten von 56 Prozent voraus. Dahinter folgen dem Bericht zufolge Sachsen (41 Prozent), Baden-Württemberg (32 Prozent) und Brandenburg (30 Prozent).

Insgesamt werde in allen Bundesländern von einer steigenden Tendenz ausgegangen. Ausgenommen sei nur Bremen. „Bereits eine Covid-19-bedingte Auslastung über 25 Prozent (…) kann sich in kritische Bereiche bewegen, da Intensivbetten auch für die Behandlung anderer Erkrankungen benötigt werden“, zitiert das „Handelsblatt“ weiter aus dem Bericht.

NRW führt flächendeckend 2G bei Freizeitaktivitäten ein

14.40 Uhr: Wegen stark steigender Corona-Zahlen sollen in Nordrhein-Westfalen im Freizeitbereich Zugangsbeschränkungen für Erwachsene eingeführt werden, die nicht geimpft oder genesen sind. Das hat Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in Düsseldorf angekündigt. In besonders sensiblen Bereichen soll sogar 2G plus gelten – also aktuelle Tests auch für Geimpfte und Genesene. Dies betreffe unter anderem Karnevalssitzungen, sagte Wüst.

In dieser Woche beraten zahlreiche weitere Spitzengremien im Bund und im Land über die angespannte Corona-Lage: An diesem Mittwoch unterrichtet Wüst den NRW-Landtag in einer Sondersitzung über seinen Corona-Kurs. Am Donnerstag beraten die Ministerpräsidenten der Länder gemeinsam mit der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) über ein einheitliches Vorgehen. NRW hat den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK). Ebenfalls am Donnerstag stimmt der Bundestag über eine Reform des Infektionsschutzgesetzes ab. Für Freitag ist dazu eine Sondersitzung des Bundesrates geplant.

Wüst hatte sich bereits in der vergangenen Woche dafür ausgesprochen, dass Bund und Länder sich bei der MPK möglichst auf einen gemeinsamen „Fahrplan für die Wintermonate“ verständigen. Dazu sollte aus seiner Sicht eine 2G-Regelung im Freizeitbereich gehören sowie eine 3G-Regelung am Arbeitsplatz. „3G“ steht für geimpft, genesen, getestet.

Vom kleinen Regierungspartner in der NRW-Koalition, der FDP, war zunächst Kritik an den Plänen laut geworden. Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD) forderte Wüst daraufhin auf, sich in dieser „bedrohlichen Situation“ durchzusetzen und von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen.

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Dienstag ist in NRW die Zahl der innerhalb von sieben Tagen gemeldeten Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner erneut deutlich gestiegen. Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz betrug demnach 176,6 (Montag: 167,0). NRW lag damit allerdings weiterhin deutlich unter dem für das ganze Bundesgebiet berechneten Wert von 312,4.