FAQ Neue Corona-Variante – Was weiß man über B.1.1.529?

FAQ Neue Corona-Variante – Was weiß man über B.1.1.529?

26. November 2021 Aus Von mvp-web

Die in Südafrika entdeckte Coronavirus-Variante könnte noch ansteckender sein als die Delta-Variante. Was unterscheidet sie von den bisherigen Varianten und wie gefährlich ist sie? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Veronika Simon, SWR

Wo ist die Variante bisher aufgetaucht?

Das erste Mal nachgewiesen wurde die Variante B.1.1.529 vor kurzem in Botswana. Seitdem scheint sie sich vor allem in Südafrika verbreitet zu haben, besonders viele Fälle wurden in der Provinz Gauteng nachgewiesen. In Hongkong wurde die Virusvariante allerdings auch bei Menschen gefunden, die aus Südafrika eingereist waren. In Israel wurde die Virusvariante bei einer Person nachgewiesen, die aus Malawi zurückgekehrt war. Auch in Europa gibt es mittlerweile einen ersten bestätigten Fall: Sie wurde nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Belgien bei einem Reisenden festgestellt, der zuvor in Ägypten gewesen war-

Viele Länder, darunter auch Deutschland, schränken jetzt die Einreise aus Südafrika ein, um die Verbreitung der Virusvariante einzudämmen.

Wieso ist die Sorge so groß?

Die Wissenschaftlerin Susan Hopkins vom Imperial College in London bezeichnet die neue Variante als „die besorgniserregendste, die wir je gesehen haben.“ Der Grund: In den vergangenen Wochen waren die Infektionszahlen in Südafrika auf einem relativ niedrigen Niveau, doch vor allem in der Provinz Gauteng stiegen die Fallzahlen in kurzer Zeit sehr stark an. Durch Sequenzierungen wurde klar: Fast alle Proben aus dieser Region stammten von einer neuen Variante, B.1.1.529 genannt.

Hartmut Hengel, Leiter der Virologie am Uniklinikum Freiburg, nimmt diese Virusvariante sehr ernst, warnt jedoch vor Alarmismus: „Offenbar hat sich diese Virusvariante in Südafrika schneller verbreitet als die Delta-Variante. Aber es gibt noch keine wissenschaftliche Publikation zu der Ausbreitung, noch sind diese Einschätzungen sehr vorläufig.“

Wie in Europa war auch in Südafrika die Delta-Variante vorherrschend. Sie gilt als deutlich ansteckender als alle vorherigen Varianten des Coronavirus.

Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe „Evolution von Viren und Bakterien“ an der Universität Basel, erklärt, es sei durchaus vorstellbar, dass die Variante sehr übertragbar sei. „Die Variante scheint sich in Südafrika gegen Delta durchzusetzen. Allerdings sind in Südafrika die Fallzahlen derzeit recht niedrig, was die Interpretation erschwert. Unter welchen Bedingungen sich diese Variante schneller überträgt als Delta, ist im Moment nicht klar. Die nächsten Tage werden hier hoffentlich mehr Antworten liefern.“ Die Variante sei unerwartet gekommen, die Kombination an Mutationen in ihrem Genom sind laut dem Forscher „bemerkenswert“.

Südafrika Neue Variante mit vielen Mutationen

Forscher in Südafrika haben eine neue Corona-Variante identifiziert – sie weise viele Mutationen auf.

Wie unterscheidet sich die Variante von den anderen?

Mit Sorge schauen Fachleute vor allem auf die genetischen Veränderungen des Virus. Denn die neue Variante unterscheidet sich deutlich von den bisherigen: Es wurden allein mehr als 30 Mutationen am Spike-Protein auf der Oberfläche des Virus ausgemacht. Das Spike-Protein spielt eine wichtige Rolle, damit das Virus in die menschlichen Zellen eindringen und sie so infizieren kann. Mutationen am Spike-Protein machten bereits die Delta-Variante ansteckender.

Ein weiteres Problem: Durch die aktuell zugelassenen Impfstoffe wird das Immunsystem darauf trainiert, das Spike-Protein zu erkennen. Wenn sich dieses Protein jedoch stark verändert, könnte das die Wirksamkeit der Impfungen reduzieren.

Wie gefährlich  ist die Variante?

Noch ist es zu früh, um sichere Aussagen über die neue Variante zu treffen, erklärt der Virologe Hengel: „Das ist sicher ein sehr auffälliges Virus. Aber insgesamt ist das wissenschaftliche Wissen um diese Variante noch sehr gering.“ Noch können Fachleute nicht sicher sagen, ob die Variante wirklich ansteckender ist als zum Beispiel die Delta-Variante. Dafür ist die Datenlage noch zu dünn, auch wenn einiges darauf hindeutet.

Auch der Berliner Virologe Christian Drosten sieht noch viele offene Fragen. So sei unklar, ob die Variante tatsächlich ansteckender ist oder ob ein anderer Faktor Grund für die momentan beobachtete Ausbreitung ist. „Für eine veränderte Krankheitsschwere gibt es derzeit keine Hinweise“, so Drosten.

Die Genom-Veränderungen bei dem Erreger wiesen darauf hin, dass die Virusvariante sich der Immunabwehr entziehen könnte. „Veränderungen im Genom sind aber allein nicht ausreichend, um von einer besorgniserregenden Situation zu sprechen“, erklärte Drosten. Zusätzlich müsse klar sein, dass das Virus sich schneller verbreite oder andere veränderte Eigenschaften habe, beispielsweise einen schwereren Krankheitsverlauf. Die Bewertung der Variante sei noch nicht abgeschlossen.

Unklar ist zudem, ob die Impfungen weiterhin effektiv gegen diese Variante schützen. Richard Neher von der Universität Basel, geht jedoch davon aus, dass auch gegen diese Variante ein Impfschutz bestehen wird, da die Impfstoffe gegen alle bisherigen Varianten effizient sind. „Gerade die T-Zell-Antwort sollte gegenüber den Veränderungen robust sein. Allerdings ist es durchaus vorstellbar, dass es vermehrt zu Durchbruchsinfektionen kommt, sodass eine dritte Dosis umso wichtiger wird.“

Wissenschaftler besorgt Neue Corona-Variante in Südafrika entdeckt

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Der Impfstoffhersteller BioNTech kündigte bereits an, zu prüfen, ob der aktuelle Wirkstoff auch bei der neuen Variante ausreichend schütze. Falls nicht, habe man bereits Vorbereitungen getroffen, um innerhalb kurzer Zeit einen angepassten Impfstoff auf den Markt zu bringen.

Virologe Hengel warnt vor voreiligen Schlüssen: „Man muss das Virus ernst nehmen. Aber man muss auch sagen: Wir wissen noch sehr wenig. Und nicht alle Virus-Varianten, die von der WHO als „besorgniserregend“ eingestuft worden sind, haben uns in Deutschland schwer zu schaffen gemacht“. Wichtig sei jetzt, bei der Impfkampagne nicht nachzulassen, so Hengel.

Auch andere Experten fordern neben der genauen Beobachtung der Ausbreitung des Virus weitere Anstrengungen, um die Impfquote in betroffenen Ländern wie Südafrika deutlich zu heben.