Geflügelpestfall in Putenmaststall in Dersekow

Geflügelpestfall in Putenmaststall in Dersekow

29. Dezember 2021 Aus Von mvp-web
Stand: 29.12.2021 14:09 Uhr

In Klein Zastrow bei Dersekow (Landkreis Vorpommern-Greifswald) ist die Geflügelpest in einem Putenmaststall ausgebrochen. Betroffen sind 32.000 Tiere. Es ist der zweite Ausbruch in einer gewerblichen Tierhaltung innerhalb weniger Tage.

Erst über die Weihnachtsfeiertage hatte es zwei Fälle von Geflügelpest gegeben. In einem privaten Puten-Bestand im Kreis Ludwigslust-Parchim mussten deshalb 14 Tiere getötet werden. Bei einem großen Betrieb in Jürgenshagen (Landkreis Rostock) seien am Weihnachtssonntag etwa 20.700 Puten gekeult worden. Laut Umweltministerium war das notwendig, weil das Geflügelpest-Virus H5N1 äußerst aggressiv und ansteckend ist.


Der Nachweis des Geflügelpest-Erregers in Mecklenburg-Vorpommern bereitet nicht nur den Geflügelhaltern Sorgen. Viele Verbraucher und Tierhalter fragen sich, wie sie sich und ihr Haustier vor dem Erreger schützen können. Wie gefährlich ist das hochansteckende Influenza-A-Virus für Tiere und Menschen?

Vogelgrippe oder Geflügelpest – was ist der Unterschied?

Vögel können – ähnlich wie Menschen – an Grippe erkranken. Der Vogelgrippe-Erreger kommt vor allem bei Wasservögeln vor. „Diese Viren gehören zum Ökosystem Wildvogel“, so die Erklärung von Thomas C. Mettenleiter vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI). Das Virus kann sich genetisch verändern. Aus den eigentlich harmlosen Influenza-Viren kann ein hochpathogenes (stark krankmachendes) Virus werden. Der Begriff Geflügelpest bezieht sich auf die hochpathogenen Influenza-Viren der Typen H5 und H7 und den entsprechenden Subtypen. „Der Name Geflügelpest bedeutet, dass es eine Seuche ist“, sagt Mettenleiter. Der Begriff steht also für einen schweren Verlauf der Vogelgrippe mit vielen Todesfällen.

Woher kommt das Virus?

Das Virus wurde nach Auskunft des Friedrich-Loeffler-Instituts erstmals Anfang 2014 in Südkorea bei Geflügel und Wildvögeln nachgewiesen. Dort habe es diverse Ausbrüche gegeben, mehrere Millionen Vögel seien sicherheitshalber getötet worden. Im Zuge der Ausbrüche seien infizierte Wildenten entdeckt worden, die aber weniger stark erkranken. Das Virus tauchte auch in China und Japan auf. Zuletzt wurden aus mehreren europäischen Ländern Geflügelpest-Fälle gemeldet.

Wie bricht die Tierseuche aus?

In der Regel über wildlebende Vögel, vor allem über Wasservögel. Meist beginnt alles im Herbst, während des Vogelzuges. Auch Greifvögel können sich infizieren, wenn sie Aas erkrankter Tiere fressen.

Woran erkennt man kranke Tiere?

Kranke Hühner leiden laut Friedrich-Loeffler-Institut unter anderem an Teilnahms- und Appetitlosigkeit, Durchfall, geringerer Legeleistung und Störungen des zentralen Nervensystems, was sich an einer unnormalen Kopfhaltung und Gleichgewichtsstörungen zeigt. Außerdem können Hühner ein stumpfes, gesträubtes Federkleid und Ödeme am Kopf bekommen. Bei Enten und Gänsen zeigt die Erkrankung zunächst keine Symptome.

Welche Vorsichtsmaßnahmen werden empfohlen?

Um eine weitere Ausbreitung der Vogelgrippe zu verhindern, empfiehlt das Friedrich-Loeffler-Institut unter anderem, nur Mitarbeiter in Schutzkleidung in die Ställe zu lassen und am Eingang Wannen oder Matten zur Desinfektion aufzustellen, um eine Übertragung des Virus über die Schuhe zu vermeiden. Außerdem empfiehlt das FLI, die Freilandhaltung einzuschränken. Wildvögel sollten nicht an Futter und Wasser von Nutzgeflügel gelangen. In Regionen mit besonders hoher Wildvogeldichte empfiehlt das Bundesforschungsinstitut eine Stallpflicht. Unter Umständen muss ein Bestand komplett gekeult werden.

Wann muss Hausgeflügel in den Stall?

Das entscheiden die einzelnen Landkreise. Je nach dem wie bedrohlich die Situation ist. Deshalb appelliert auch Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD), äußerst achtsam zu sein. Denn das Weihnachtsgeschäft mit Gänse- oder Entenbraten steht vor der Tür. Schlimmstenfalls drohen enorme finanzielle Einbußen.

Welche Regeln gelten in den Sperrgebieten?

Die zuständigen Kreise können Sperrbezirke und Beobachtungsgebiete rund um die Fundorte von an Geflügelpest erkrankten Wildvögeln und betroffenen Tierhaltungen einrichten. Sperrbezirke haben mindestens einen Radius von drei Kilometern, Beobachtungsgebiete mindestens weitere sieben Kilometer. In diesen Gebieten gelten Beschränkungen für Geflügelhaltungen: Geflügel muss im Stall gehalten werden und darf nicht transportiert werden – im Sperrbezirk 21 Tage ab dem letzten Geflügelpest-Nachweis, im Beobachtungsgebiet 15 Tage. Geflügel im Sperrbezirk wird regelmäßig untersucht. Zudem gelten strenge Biosicherheitsmaßnamen (Stallhygiene, Reinigung, Desinfektion). In den Restriktionsgebieten dürfen Hunde und Katzen nicht frei herumlaufen. Diese Tiere erkranken im Regelfall nicht, aber sie können das Virus nach Kontakt weiter verbreiten.

Ist der Erreger auch für Menschen gefährlich?

Teilweise schon. Es gibt Fälle, bei denen sich Menschen mit dem Vogelgrippevirus infiziert haben, vor allem über Hühner. Aus Asien und Afrika ist das bekannt. Die Menschen dort haben beispielsweise sehr eng mit den Tieren zusammengelebt. Besonders ansteckend sind die Ausscheidungen der kranken Tiere oder auch verunreinigter Staub, der sich in den Federn sammelt.

Können sich Hunde und Katzen anstecken?

Das Risiko ist sehr gering. Bisher gibt es keine gemeldeten Fälle. Allerdings können Hunde und Katzen das Virus H5N8 verbreiten, wenn sie tote Wildvögel finden und durch die Gegend schleppen. Durch Freilaufverbote, wie sie unter anderem in Hamburg und Hannover verhängt wurden, soll auch verhindert werden, dass Wildvögel aufgescheucht und gestresst werden. Eine Ansteckung durch Tierfutter ist nicht möglich, da die Herstellungsstandards in Deutschland eine Belastung mit entsprechenden Erregern ausschließen. Selbst zubereitetes Futter mit Geflügelfleisch sollte über 70 Grad erhitzt werden, um Influenzaviren abzutöten.

Was sollte man beim Kochen beachten?

Das Institut für Risikobewertung empfiehlt, rohe Geflügelprodukte und andere Lebensmittel getrennt zu lagern und zuzubereiten. Insbesondere dann, wenn die anderen Lebensmittel nicht noch einmal erhitzt werden. Gerätschaften und Oberflächen, die mit rohem Geflügelfleisch in Berührung gekommen sind, sollten gründlich mit warmem Wasser und Spülmittel gereinigt werden. Das Verpackungsmaterial und Auftauwasser sei sofort zu entsorgen, die Hände sollte man mit warmem Wasser und Seife waschen. Die Geflügelspeisen sollten laut Institut mindestens zwei Minuten lang bei einer Temperatur von mindestens 70 Grad durchgegart werden. Eier seien mindestens sechs Minuten lang zu kochen, bis Eiweiß und Eigelb fest sind.

Ist es trotz der Aufstallung erlaubt, das Geflügel als „Freiland“ zu verkaufen?

Ja, allerdings nur für einen Zeitraum von maximal zwölf Wochen, nachdem die Aufstallung amtlich beschlossen wurde. So lange dürfen Eier von Legehennen, trotzdem sie nur im Stall waren, weiter als „aus Freilandhaltung“ verkauft werden. Das gleiche gilt für die Vermarktung von Geflügelfleisch. Sollte sich die aktuelle Situation weiter hinziehen, müssen Bund und Halter wiederholt über diese Frist beraten.


Tötung der Tiere in Dersekow läuft bereits

Nach Angaben des Veterinäramtes läuft bereits die Tötung der Puten, um eine weitere Ausbreitung und Verschleppung des Erregers zu verhindern. Wie das hochansteckende Virus H5N1 in den Bestand gekommen ist, sei noch unklar. Experten vom Loeffler-Institut und vom Landesamt für Landwirtschaft waren bereits vor Ort, um sich ein Bild zu machen. Rund um den Ausbruchsort sind ein Sperr- und ein Beobachtungsgebiet festgesetzt worden. Laut Landwirtschaftsministerium sind damit in Mecklenburg-Vorpommern aktuell sechs Geflügelhaltungen und ein Tierpark von der Geflügelpest betroffen. Bei den Wildvögeln erfolgten seit Mitte Oktober dieses Jahres 44 Nachweise der Geflügelpest.

Landwirtschaftsminister bittet, die Lage ernst zu nehmen

Minister Till Backhaus (SPD) bittet alle Halterinnen und Halter, die Lage ernst zu nehmen und alle bekannten Sicherheitsmaßnahmen einzuhalten. Er betont aber, dass jeder neue Fall schwer trifft – sowohl in Bezug auf wirtschaftliche Schäden als auch auf den emotionalen Verlust. „Dennoch müssen alle Tiere der von Geflügelpest betroffenen Bestände tierschutzgerecht getötet werden. Andernfalls würden die derzeit äußerlich noch gesund erscheinenden Tiere in den kommenden Tagen qualvoll verenden. Durch die weitere Fütterung, Tränkung und Pflege der Tiere würde außerdem das Risiko der Virusverschleppung steigen, was es zwingend zu verhindern gilt“, so Backhaus.