Kein Corona-Bonus für Praxispersonal

Kein Corona-Bonus für Praxispersonal

27. Januar 2022 Aus Von mvp-web
Stand: 27.01.2022 10:18 Uhr

Knapp 2.000 Arztpraxen gibt es in Mecklenburg-Vorpommern. In der Pandemie sind sie stark gefordert, betreuen Corona-Patienten, testen, impfen.

Ohne die medizinischen Fachangestellten (MFA) oder Schwestern wäre der Betrieb nicht aufrecht zu erhalten, so sagen Ärztinnen und Ärzte. Trotzdem werden Unterschiede gemacht zwischen Praxispersonal und Klinikpersonal. Die Schwestern in Krankenhaus und Pflegeheim bekommen eine staatliche Bonuszahlung, die Schwestern in der Arztpraxis nicht. Das sorgt für Unmut.

von Louisa Maria Carius, Redaktion Politik und Recherche

Jörg Hinniger ärgert sich: „Seit Beginn der Pandemie steht das Praxispersonal an vorderster Front!“ Die Medizinischen Fachangestellten (MFA) könnten sich nicht aussuchen, mit wem sie Kontakt haben. Sie bekämen den Unmut der Patienten ab, sie müssten immer funktionieren und dann komme der ganze Stress mit dem Terminservice dazu, die Impfstoffbestellungen – das alles müsse organisiert werden. Hinniger ist Hausarzt in Demmin (Kreis Mecklenburgische Seenplatte) und sitzt in der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Mecklenburg-Vorpommern (KV). Er hat gemeinsam mit der KV einen ungewöhnlichen Schritt gewählt: ganzseitige Annoncen in den Tageszeitungen des Landes. Darüber steht: „Danke! Liebes Praxispersonal, Sie stehen tagtäglich an vorderster Front im Kampf gegen die Pandemie!“ Und darunter die Forderung an die Landesregierung: „Corona-Prämie für unser Praxispersonal – jetzt!“

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Frage der Fairness

„Es ist eine Frage der Fairness“, erklärt Hinniger. Die Ärztinnen und Ärzte würden aufgefordert, den MFAs aus eigener Tasche Boni zu zahlen, während die Betreiber von Krankenhäusern oder Pflegeheimen Steuermittel erhielten, um die Prämien von bis zu 1.500 Euro an ihr Personal auszuschütten. „Wenn ich höre, dass Krankenhäuser in privater Trägerschaft Prämien für ihr Personal bekommen, die über den Staat finanziert sind, dann sagen Sie mir doch bitte mal den Unterschied zu meinen MFAs.“ Und auch bei der vor kurzem beschlossenen Priorisierung von PCR-Tests werde das Praxispersonal nicht mit einbezogen, kritisiert Hinniger.

Boni für alle nicht finanzierbar

Es gebe viele Berufsgruppen, die durch die Corona-Pandemie besonders beansprucht seien, sagt Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD). Bekäme jeder einen Bonus, wäre das für den Staat nicht machbar. Stattdessen hat Mecklenburg-Vorpommern eine Sondervergütung für impfende Arztpraxen aufgelegt. 28 Euro pro Corona-Impfung, 36 Euro am Wochenende. Davon können und sollen Arbeitgeber etwas an ihr Personal weitergeben, erklärt Drese: „Von daher ist das Land bei dieser Sondervergütung in der Finanzierung mit drin.“ Sie freue sich, dass einige Praxen das so handhabten und Boni an das Personal weiterreichten. „Diese Boni werden nicht versteuert – auch da unterstützt der Staat noch mal.“

Wichtige Stütze im Gesundheitswesen

Die Praxis von Thomas Maibaum in Rostock-Schmarl: Zehn medizinische Fachangestellte halten sechs Ärzten den Rücken frei. Maibaum bildet selbst Schwestern aus, er zahlt Weihnachts- und Urlaubsgeld, es gibt Geschenke zum Geburtstag und Betriebsausflüge. Die Impfboni schüttet er – wie es die Landesregierung will – an seine Mitarbeiterinnen aus. Trotzdem wird es immer schwieriger, MFAs zu finden. Die Arbeitsbelastung sei hoch, die Bezahlung vergleichsweise schlecht. Zuletzt habe es anderthalb Jahre gedauert, eine Stelle zu besetzen, erklärt Maibaum: „Der Markt ist leergefegt. Das ist vor allem ein Problem in den neuen Bundesländern, weil in den alten Bundesländern immer noch andere Bezahlungen möglich sind.“ Und auch in den Altenheimen und Kliniken werde mehr bezahlt. „So dass die MFAs verständlicherweise sagen, gut, dann gehe ich woanders hin.“ Eine fertig ausgebildete medizinische Fachangestellte verdient zwischen 2.200 und 2.800 Euro im Monat. In Fachpraxen, Krankenkassen, bei der Bundeswehr oder eben in Kliniken können es bis zu 1.000 Euro mehr im Monat sein.

Schlechte Bezahlung, keine Anerkennung

Ohne seine MFAs würde Maibaum untergehen, sagt er, würde jede Hausarztpraxis untergehen. Die Frauen am Tresen schafften einen Großteil der Arbeit weg. Er könne sich voll auf seine Patientinnen und Patienten konzentrieren. MFAs impfen, testen, sie untersuchen, nehmen Blut ab, managen die Praxis. Trotzdem gäben viele ihren Job auf, weil sie das Gefühl hätten, ihre Arbeit werde gering geschätzt, erklärt der Arzt: „Aus meiner Sicht ist die Missachtung der Gesellschaft und insbesondere der Politik gegenüber der Arbeit der MFAs in der Coronazeit ein Skandal.“ Maibaum fordert deswegen ebenfalls, dass Praxispersonal mit Klinik- und Pflegeheimpersonal gleichgestellt wird und damit Anspruch auf den Corona-Bonus erhält. Denn was das bedeuten würde, wenn er Stellen dauerhaft nicht mehr besetzen könnte, sagt Maibaum auch: „Das Angebot wird schlechter und es wird für weniger Menschen da sein. Wir können dann nicht mehr alle Menschen versorgen.“