Omikron: Was über die neue Coronavirus-Variante bekannt ist
30. Januar 2022 Aus Von mvp-webSeit November 2021 ist eine neue Coronavirus-Variante bekannt, vor der selbst Geimpfte und Genesene keinen optimalen Schutz haben: Omikron. Von der WHO wurde die Mutante als „besorgniserregend“ klassifiziert. Die Variante ist mittlerweile in Deutschland dominant und breitet sich auch in Niedersachsen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern rasant aus. Was wir derzeit über B.1.1.529 wissen.
Welche Auswirkungen hat Omikron auf den Pandemie-Verlauf?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft das Risiko der Corona-Variante B.1.1.529 seit dem 29. November als „sehr hoch“ ein. Omikron wird als „besorgniserregend“ bezeichnet. Diese Klassifizierung ist laut WHO-Definition ein Signal, dass eine Variante ansteckender sein oder zu schwereren Krankheitsverläufen führen kann. Außerdem besteht bei „besorgniserregenden Varianten“ die Gefahr, dass herkömmliche Impfungen, Medikamente oder Corona-Maßnahmen weniger wirksam sind. Als „besorgniserregend“ hatte die WHO bislang nur die Varianten Alpha, Beta, Gamma und Delta eingestuft.
Die WHO warnt vor der Entstehung noch gefährlicherer Virusvarianten. Notfallexpertin Catherine Smallwood betonte, je stärker sich Omikron ausbreite und vermehre, „desto wahrscheinlicher ist es, dass es eine neue Variante hervorbringt“. Zudem warnte WHO-Direktor Tedros Adhanom Ghebreyesus davor, die Omikron-Variante als „mild“ einzustufen: „Menschen müssen auch wegen Omikron ins Krankenhaus und es tötet Menschen.“
Wie ist die Omikron-Variante mutiert?
Die Omikron genannte Variante weist mehr als 50 Erbgutveränderungen auf, die meisten davon am Spike-Protein, mit dem das Virus an der menschlichen Zelle andockt und auf das auch die Impfstoffe der ersten Generation abzielen. Verändert sich ein Virus so, dass Antikörper von Genesenen und Geimpften weniger gut ansprechen, nennen Fachleute dies Immunflucht (Immunescape).
Wie sehr ist die neue Virusvariante schon verbreitet?
Die Corona-Infektionszahlen steigen wegen der hochansteckenden Omikron-Variante massiv an. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor einem „Tsunami“ von Corona-Fällen und einem Kollaps der Gesundheitssysteme. „Omikron breitet sich mit einer Geschwindigkeit aus, die wir bei keiner vorherigen Variante gesehen haben“, sagt WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus. Laut EU-Gesundheitsbehörde ECDC ist Omikron bereits Mitte Januar 2022 die dominierende Variante in der Europäischen Union und dem europäischen Wirtschaftsraum geworden. Die WHO schätzt, dass sich bis Anfang März bereits mehr als die Hälfte der Menschen im Großraum Europa mit der neuen Coronavirus-Variante angesteckt haben.
Die bislang ältesten bekannten Nachweise der Variante stammen aus der ersten November-Hälfte. Wissenschaftler hatten sie zunächst im Süden Afrikas entdeckt.
Wie verbreitet ist Omikron in Deutschland?
In Deutschland wurde die Virusvariante Ende November 2021 zuerst in Bayern und in Hessen bei mehreren Reise-Rückkehrern aus Südafrika nachgewiesen. Im Norden meldete Niedersachsen am 3. Dezember 2021 den ersten Omikron-Nachweis. In der Folgezeit wurde die Virusvariante auch in den anderen norddeutschen Bundesländern bestätigt. Seit dem 23. Dezember ist die Omikron-Variante bei den Neuinfektionen in Schleswig-Holstein dominant, seit Anfang Januar auch in Niedersachsen und Hamburg. In der drittem Kalenderwoche 2022 wurden laut Meldedaten aus den Bundesländern 95 Prozent der auf Varianten untersuchten Corona-Nachweise Omikron zugeordnet. Das geht aus dem Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) vom 20. Januar hervor.
Ist Omikron ansteckender als bisherige Varianten?
Zu Übertragbarkeit, Schweregrad von Erkrankungen und Auswirkungen auf die Immunabwehr gibt es aufgrund fehlender Daten noch Unsicherheiten. Eine dänische Studie von Dezember 2021 zeigt, dass es bei Omikron eine höhere Ansteckungsrate als bei der Delta-Variante gibt. Aus der NDR Info Wissenschaftsredaktion gab es Mitte Januar allerdings den Hinweis, dass die Variante womöglich gar nicht grundsätzlich ansteckender ist als ihre Vorgänger, sondern sich vor allem deshalb so schnell verbreite, weil sie dem Impfschutz ausweicht, also auch Geimpfte das Virus weitergeben können.
Der Expertenrat der Bundesregierung warnte, damit droht eine Gefahr für die kritische Infrastruktur wie Strom- und Wasserversorgung, aber auch bei Feuerwehr, Polizei und in Kliniken, wenn dort mehrere Mitarbeitende krankheitsbedingt gleichzeitig ausfallen. „Momentan ist das Risiko, dass man sich infiziert, für uns alle höher als es jemals war“, sagte Virologin Sandra Ciesek am 18. Januar im Podcast Coronavirus-Update.
Ist Omikron gefährlicher als bisherige Varianten?
Nach Angaben einer Krankenhausgruppe in Pretoria wurden bei hospitalisierten Patienten in Südafrika zunächst mildere Verläufe beobachtet. Für Ungeimpfte sei die neue Variante aber nicht harmlos, warnt der Virologe Christian Drosten. Neben Hinweisen auf milde Verläufe gibt es auch Anhaltspunkte für Reinfektionen. Ein Preprint aus Südafrika legt nahe, dass die Reinfektionsquote mit dem Auftauchen von Omikron um das 2,5-Fache angestiegen ist.
Laut einer Ende Dezember veröffentlichten Untersuchung der UK Health Security Agency ist bei einer Omikron-Infektion das statistische Risiko, im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, etwa ein Drittel so hoch wie bei einer Ansteckung mit der Delta-Variante. Laut Virologin Sandra Ciesek fehlen aber noch Daten zu Long Covid und zu PIMS, einem Entzündungssyndrom, das erst Wochen nach einer Coronavirus-Infektion vor allem bei Kindern entstehen kann. Ciesek warnte davor, sich vorsätzlich mit Omikron anzustecken.
Was wissen wir über die Omikron-Subvariante BA.2?
Eine möglicherweise noch leichter übertragbare Omikron-Untervariante breitet sich in einigen Ländern derzeit aus – doch noch sind viele Fragen zum Subtyp BA.2 offen. „Weil man in verschiedenen Ländern beobachten kann, dass der Anteil an BA.2 zunimmt, wird vermutet, dass BA.2 einen Vorteil in der Übertragbarkeit gegenüber BA.1 hat“, sagte Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie an der Frankfurter Uniklinik. BA.1 ist der Omikron-Subtyp, der derzeit in Deutschland laut Robert Koch-Institut vorherrscht. Neben einer höheren Übertragbarkeit könne auch eine stärkere Immunflucht dazu führen, dass sich immer mehr Menschen mit BA.2 infizierten, erklärte Ciesek. Immunflucht bedeutet, dass eine durchgemachte Infektion oder eine Impfung weniger gut vor dem Erreger schützen. „Sehr frühe Beobachtungen aus Dänemark legen nahe, dass zwischen BA.1 und BA.2 in der Krankheitsschwere kein großer Unterschied zu sein scheint“, sagte Ciesek am 26. Januar.
Sind Geimpfte vor einem schweren Verlauf geschützt?
Das Robert Koch-Institut (RKI) hat seine Risikobewertung wegen der Omikron-Variante verschärft. Für zweifach Geimpfte und Genesene werde die Gefahr einer Ansteckung nun als „hoch“ angesehen, teilte das RKI am 20. Dezember 2021 mit. Für Geimpfte mit Auffrischimpfung schätzt das Institut die Gefährdung hingegen als „moderat“ ein. Report 50 vom Imperial College London stützt diese Annahme. Bei Menschen mit Booster-Impfung reduziert sich danach die Wahrscheinlichkeit einer Hospitalisierung sogar um 63 Prozent. „Was also richtig schützt gegen Omikron, ist eine Dreifach-Impfung“, sagt Virologe Christian Drosten.
Omikron dürfte die erste Abwehrlinie des Immunsystems, die Antikörper, überwinden können. Das Immunsystem Geimpfter hat aber noch weitere Mittel, sich zur Wehr zu setzen wie zum Beispiel die T-Zell-Antwort.
Wie steht es um Kinder, wenn sie sich mit Omikron infizieren?
Hierzu kann man noch nichts Gesichertes sagen. Nach dem, was bislang bekannt ist, ist die Gefahr für kleine Kinder an der Omikron-Variante schwer zu erkranken offenbar nicht sehr hoch. Tobias Tenenbaum, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), verwies am 21. Januar im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ) auf internationale Studien sowie eigene Beobachtungen, wonach die Omikron-Mutante für Kinder in der Regeln nicht gefährlich sei. „Von den Kindern, die wegen Corona-Symptomen aufgenommen werden, sehen wir zurzeit so gut wie keine schweren Verläufe. Es handelt sich um Einzelfälle und immer mit besonderen Risikofaktoren wie starkem Übergewicht“, erläuterte der Arzt. Aber auch Kinder und Jugendliche würden durch Impfungen vor schweren Verläufen geschützt. „Deswegen sollten alle Kinder geimpft werden, vordringlich natürlich diejenigen mit Risikofaktoren“, sagte Deutschlands oberster Mediziner für Infektionskrankheiten bei Kindern.
Was sind die häufigsten Omikron-Symptome?
Die Symptome nach einer Omikron-Infektion unterscheiden sich zum Teil von anderen Corona-Varianten. Omikron scheint sich den bisherigen Erkenntnissen zufolge weniger in der Lunge als in Nase und Rachen auszubreiten. Laut RKI wurde von den Omikron-Infizierten als Symptome vor allem Schnupfen, Husten und Halsschmerzen genannt. Außerdem berichteten Infizierte von nächtlichen Schweißausbrüchen, Appetitlosigkeit, Fieber, extremer Müdigkeit sowie Kopf- und Gliederschmerzen. Seltener als bei anderen Varianten ist offenbar der Verlust des Geruchs- oder Geschmackssinns.
Wie wirken die aktuellen Impfstoffe gegen eine Infektion?
Hersteller Biontech/Pfizer wertete zwei Impfstoff-Dosen als nicht ausreichenden Schutz vor einer Infektion. Eine Studie aus Großbritannien ergab, dass die Wirksamkeit gegen eine symptomatische Infektion mit Omikron 15 Wochen nach der zweiten Dosis Biontech auf 34 Prozent sinkt. Menschen, die mit zwei Dosen des AstraZeneca-Präparats geimpft worden waren, hatten keinen Schutz mehr vor symptomatischer Infektion. Zwei Wochen nach einer Booster-Impfung stieg die Effektivität bei beiden Präparaten auf über 70 Prozent.
Auch eine Auffrischdosis mit Moderna erhöht die Immunabwehr des Körpers deutlich. Im Vergleich zu einer Zweifach-Impfung sei der neutralisierende Antikörperspiegel nach einem Booster um das rund 37-fache gestiegen, so das Unternehmen. Laut einer dänische Studie (Dezember 2021) senkt eine dritte Impfdosis signifikant das Risiko, sich mit Omikron anzustecken. Laut WHO-Europadirektor Hans Kluge bieten zugelassene Impfstoffe weiter guten Schutz vor ernsthaften Erkrankungen und Tod.
Reicht der Booster als Schutz vor Omikron?
Mit der dritten Impfung können Antikörperspiegel zwar wieder angehoben werden, trotzdem sind bereits Omikron-Fälle bei dreifach Geimpften bekannt. Die Virologin Sandra Ciesek warnte daher, dass eine Konzentration auf die Booster-Kampagne nicht reichen werde, auch weil der Schutz wieder nachlasse. Dennoch sei der Wert der Booster-Impfung hoch, sagte der Virologe Christian Drosten im NDR Corona-Podcast. „Die doppelte Impfung wird für die Verbreitungskontrolle wahrscheinlich weniger beitragen bei Omikron. Da sind wir ziemlich ungeschützt“, sagte Drosten. „Aber die Dreifach-Impfung macht den Unterschied.“ Die Impfung ist erst nach drei Dosen vollständig, so wie zum Beispiel die Impfung gegen Polio oder Tetanus auch. Außerdem: Dreifach Geimpfte geben das Virus untereinander seltener weiter.
Welche Maßnahmen wirken gegen Omikron?
Laut WHO kommt es auf die Kombination von Maßnahmen an. Das Impfen allein werde kein Land aus dieser Krise bringen. Es brauche zusätzlich etwa Masken, Abstand, Lüften, Handhygiene. Forschende des Max-Planck-Instituts gehen davon aus, dass FFP2-Masken Omikron vielleicht sogar besser zurückhalten als Delta. Analyseergebnisse deuten demnach darauf hin, dass bei der Omikron-Variante die meiste Viruslast in den größeren Partikeln steckt. Diese würden von den Masken sehr effizient zurückgehalten, so der Forschungsleiter. Mehrere Experten halten an Omikron angepasste Impfstoffe für nötig.
Wann ist mit angepassten Impfstoffen zu rechnen, die besser gegen Omikron wirken?
Die Impfstoffhersteller Biontech und Moderna haben Ende Januar mit klinischen Studien zu an Omikron angepassten mRNA-Vakzinen begonnen. Die Impfstoff-Updates werden vermutlich frühestens im zweiten Quartal 2022 zur Verfügung stehen. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) hält ein international koordiniertes Verfahren für den Start von speziellen Omikron-Impfungen für ratsam. Man müsse zu einer weltweiten Übereinkunft kommen, wann man auf einen neuen Corona-Impfstoff umstellen wolle, sagte PEI-Chef Klaus Cichutek am 21. Januar. Dafür gebe es bereits eine Arbeitsgruppe bei der Weltgesundheitsorganisation WHO.
Könnte die Virusvariante die Wirkung von Medikamenten gegen Sars-CoV-2 beeinträchtigen?
Bei monoklonalen Antikörpern, die als frühe Therapie bei einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf eingesetzt werden, könnte das der Fall sein. Die künstlich hergestellten Eiweiße sollen Coronaviren am Eintritt in die menschliche Zelle hindern. Doch genau diesen Antikörpern kann Omikron offenbar ausweichen. Die gute Nachricht: An den Angriffspunkten der kürzlich entwickelten antiviralen Medikamente Molnupiravir und Paxlovid wurde bislang nur eine Mutation identifiziert; sie würden wohl weiter wirken.
Schlagen Schnelltests auch bei Omikron an?
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) verweist darauf, dass Antigentests nicht zur sicheren Diagnose einer Corona-Infektion entwickelt worden seien, sondern um Menschen mit einer sehr hohen Viruslast schnell und einfach zu identifizieren. Eine Infektion, auch mit der Omikron-Variante, könnten die Tests nur entdecken, wenn zum Testzeitpunkt eine hohe Viruslast bestehe. Aber: Grundsätzlich kann der Großteil der in Deutschland angebotenen Corona-Schnelltests laut PEI die Omikron-Variante erkennen. Der Präsident des Instituts, Klaus Cichutek, sagte, dass das Institut mittlerweile über 250 Test-Produkte auf ein höheres Level an Sensitivität bewertet habe und mindestens 80 Prozent dieses Niveau auch schafften.