Polen senkt Mehrwertsteuer: Benzin und Diesel noch billiger
1. Februar 2022Polen senkt von heute an vorübergehend die Mehrwertsteuer für viele Waren – unter anderem für Benzin und Diesel. Auf deutscher Seite sehen sich die Tankstellenbetreiber in einer bedrohlichen Lage.
Der Mehrwehrtsteuersatz für Treibstoffe ist in Polen nun von 23 auf 8 Prozent reduziert. Damit können Benzin und Diesel jetzt im Schnitt noch einmal um 15 Cent pro Liter billiger werden. Schon im Dezember war die Kraftstoffsteuer in Polen auf den niedrigsten erlaubten Wert innerhalb der Europäischen Union gesenkt.
Mehr Tagestouristen auf der B 104 und Autobahn 11
Die Bundespolizei in Vorpommern berichtete von einem erhöhten Verkehrsaufkommen Richtung Polen. Wie der Sprecher der Bundespolizei in Pasewalk (Vorpommern-Greifswald) Igor Weber am Dienstag sagte, haben die Beamten auf der Bundesstraße 104 und auf der Autobahn 11 Berlin-Stettin deutlich mehr Verkehr durch Tagestouristen registriert. Das hänge vermutlich mit mehr Tanktourismus zusammen, der aber Anfang des Monats, wenn viele Menschen mehr Geld zur Verfügung haben, immer größer ist als sonst. Über die B 104 und Löcknitz läuft das Gros des Einkaufstourismus von Mecklenburg-Vorpommern nach Polen.
Bei Pirna oder auch Frankfurt/Oder meldet die Bundespolizei kein erhöhtes Verkehrsaufkommen. „Wir haben das im Blick, registrieren auf der A4 zurzeit aber nicht mehr Verkehr als üblich“, sagte ein Sprecher der Inspektion Pirna.
Mehrwertsteuer entfällt bei einigen Waren komplett
Niedrige Spritpreise sind nur ein Teil der jüngsten Steuergesetz-Änderung der polnischen Regierung gegen die hohe Inflation. Sie lag in Polen im Dezember bei 8,6 Prozent. Die Europäische Zentralbank strebt mittelfristig eine Inflationsrate von 2 Prozent als optimal an. Für Lebensmittel wie Fisch, Fleisch, Milch, Backwaren und bestimmte alkoholfreie Getränke, aber für auch Gas und Düngemittel fällt die Mehrwertsteuer von heute an für ein halbes Jahr komplett weg.
Steuersenkung wirkt sich erheblich auf die Benzinpreise aus
Regierungschef Mateusz Morawiecki lobte am Dienstagmorgen bei dem Besuch einer Tankstelle in Warschau die Steuersenkung mit den Worten: „In anderen Ländern steigen die Kraftstoffpreise, bei uns sind sie wie versprochen gesunken.“ Nahezu alle polnischen Medien berichteten, dass sich die Steuersenkung kräftig auf die Benzinpreise ausgewirkt habe: „Fast ein Zloty weniger pro Liter“, titelte etwa das regierungsnahe Online-Portal Tvp.info.
Deutscher Verband befürchtet Tankstellensterben
In Deutschland geht der Verband des Garagen- und Tankstellengewerbes Nord-Ost davon aus, dass der Tanktourismus Richtung Polen noch einmal deutlich zunehmen wird. Der Verkehr über die Grenze sei bereits in den vergangenen Tagen deutlich gestiegen, sagte Verbandschef Hans-Joachim Rühlemann am Dienstag. An der Grenze zu Polen gebe es einige hundert Tankstellen, die um ihre Existenz bangen müssten. „Wir haben jetzt eine Situation, wie sie so schlimm noch nie gewesen ist. Da werden sich viele überlegen, ob sie nicht zumachen“, sagte er. Derzeit fielen schon bis zu 70 Prozent der Tankkunden weg.
Verband fordert höhere Provision für Pächter
Deutlich kritisierte der Verbandschef die Mineralölgesellschaften. Denen sei es egal, ob die Autofahrer vor oder hinter der Grenze tankten, denn sie verkauften überall ihren Sprit und hörten nicht auf die Hilferufe der Pächter. Rühlemann erneuerte seine Forderung an die Mineralölgesellschaften, den Betreibern eine höhere Provision für Kraftstoffe pro Liter zu zahlen. Bislang liegt sie Rühlemann zufolge zwischen 1 und 1,2 Cent pro Liter – viel zu wenig, sagte er.