Ärzte gegen Apotheker – Der Streit ums Impfen in MV
8. Februar 2022Der Startschuss für die Corona-Impfung in Apotheken ist gefallen. Doch in Mecklenburg-Vorpommern macht fast keiner mit. Öffentlich möchte keiner der Apotheker, mit denen wir gesprochen haben, darüber reden. Zu groß sei der Druck umliegender Ärzte. Es zeigt sich: Es geht um Stellung und ums Geld.
Im Dezember hatten Bundestag und Bundesrat den Weg freigemacht für die Corona-Impfung unter anderem in Apotheken. Die Idee dahinter: Die Impfkampagne ankurbeln, die Impfquote steigern und die Hausärzte entlasten. Heute soll es losgehen – doch laut eines Sprechers des Gesundheitsministeriums machen lediglich sieben der rund 380 Apotheken im Land mit.
Hausärzte setzen Apotheker im Land offenbar unter Druck
Auf Nachfrage schildern uns mehrere Apotheker diverse organisatorische und infrastrukturelle Probleme, die sie vom Impfen abhalten. So müsste in der Apotheke ein eigener Raum für den Pieks bereitstehen, den hat nicht jeder. Außerdem müssten Materialien und Impfstoff bestellt werden und Mitarbeiter dafür aus dem täglichen Betrieb gelöst und geschult werden. Doch obwohl einige Apotheker all das gemacht haben, sich also darauf eingestellt haben, loszulegen, fangen sie dennoch nicht an zu impfen. Der Grund, den kein Apotheker öffentlich formulieren möchte: Sie würden von Hausärzten unter Druck gesetzt.
Ist das schon Erpressung?
Mehrere Apotheker schildern uns, dass der ein oder andere Hausarzt bereits angekündigt habe, keine Sprechstundenausrüstung mehr bei „impfenden Apotheken“ zu kaufen. Ähnlich soll das in der Vergangenheit bereits bei der Debatte um Grippeschutzimpfungen in Apotheken abgelaufen sein. Ein Apotheker erklärt uns: „Ich bin doch wirtschaftlich von den Hausärzten abhängig. Was mache ich denn, wenn die ihren Patienten davon abraten, die Rezepte bei mir einzulösen?“ Doch warum sollte das ein Arzt tun? Für eine Impfung gegen das Corona-Virus kann ein Hausarzt 28 Euro abrechnen, wird der Pieks am Wochenende oder außer Haus beispielsweise mit einem mobilen Team gesetzt, kommen noch einmal bis zu 34 Euro oben drauf. Impfen scheint sich also zu lohnen und jetzt wo die Schlangen vor den Impfzentren abgeebbt sind, wollen die Ärzte offenbar nichts vom Kuchen abgeben – so zumindest der Eindruck vieler Apotheker. „Die Apotheker sehen sich beim Impfen nicht in Konkurrenz zu den Ärzten, stehen aber bereit, wenn Bedarf besteht“, meint der Geschäftsführer der Landesapothekerkammer, Bernd Stahlhacke.
Apotheker: „Ärzte fühlen sich von uns offenbar angegriffen“
Auch die Apotheker, die mit uns gesprochen haben, gehen fest davon aus, dass die Masse auch weiterhin zum Arzt oder ins Impfzentrum gehen würde. Denn sie sehen durchaus die Herausforderung, überhaupt genug Impfwillige zu finden. Schließlich lohne sich das Öffnen einer Impfdose erst, wenn dafür auch sechs Menschen in die Apotheke kämen. Neben möglichen finanziellen Motiven berichten uns diverse Apotheker, dass sie das Gefühl haben, die Ärzte würden sich um ihre Stellung sorgen. Ein Apotheker vermutet: „Ärzte fühlen sich von uns offenbar angegriffen.“ Bereits im September vergangenen Jahres wird der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein-Westfalen in einer Pressemitteilung wie folgt zitiert: „[Das ist ein] Schlag ins Gesicht der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Die rote Linie ist überschritten.“ Das war seine Reaktion als die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände im vergangenen Herbst erstmals vorschlug, auch zu impfen.
Chef Ärztekammer: „Hilfe durch Apotheker nicht notwendig“
Nachgefragt bei der Ärztekammer im Land bestätigt sich dieses Bild. Kammerchef Andreas Crusius sagt: „Das Problem ist doch: Der Apotheker hat kein Medizinstudium. Impfen ist per Definition eine Köperverletzung nach Aufforderung und Einwilligung. Apotheker sind nicht vorbereitet auf mögliche Komplikationen nach einer Impfung wie etwa die Reanimation.“ Die Schulung inklusive Theorie- und Praxisprüfung, die die Apotheker zum Impfen ablegen müssen, ändere nichts an seiner Meinung, so Crusius. Konfrontiert mit den Schilderungen der Apotheker erklärt Crusius: „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass dort Druck durch Ärzte entsteht und gesagt wird, dass nicht mehr bestellt wird.“ Schließlich seien beide Seiten – Apotheker wie auch Ärzte – neben dem medizinischen, auch an einem wirtschaftlichen Erfolg interessiert. Für ihn steht fest: Eine Entlastung der Ärzte durch die Hilfe der Apotheker im Land werde es nicht geben. Sie sei auch nicht notwendig. Es seien ausreichend Ärzte da, so Crusius auf Nachfrage.
Gesundheitsministerium: „Problem ist nicht bekannt“
Wie ein Sprecher im Gesundheitsministerium dem NDR erklärte, sei das Problem dort nicht bekannt. Damit sich dort ein Urteil zur Situation gebildet werden könne, müsse sich der Apothekerverband selbst beim Ministerium melden, hieß es weiter. Generell sei es aber gut und wichtig, dass die Apotheker mitimpfen wollen. Derzeit sei das Impfangebot größer als die Nachfrage, sodass die Impfzentren und Ärzte die Situation aktuell gut stemmen könnten. Doch je nachdem wie sich die Situation entwickele, sei es gut, dass die Apotheker bereitstünden, so der Ministeriumssprecher.
Ende Januar fand die erste Schulung von 25 Apothekern statt. In den kommenden sieben Wochen sollen rund 100 weitere Apotheker für das Impfen geschult werden. Wie viele von Ihnen dann tatsächlich gegen Corona die Spritze ansetzen werden, bleibt jedoch fraglich.